"Werkzeuge des Lebens" Chemie-Nobelpreis geht an drei Proteinforscher
Der Nobelpreis für Chemie geht an den US-Forscher David Baker sowie an Demis Hassabis und John Jumper, die in Großbritannien arbeiten. Sie wurden für ihre Erkenntnisse im Bereich der Proteine ausgezeichnet.
Das große Thema beim diesjährigen Nobelpreis für Chemie sind Proteine. Die Königliche-Schwedische Akademie der Wissenschaften hat in dieser Kategorie drei Preisträger verkündet: Eine Hälfte des Preises geht an den amerikanischen Biochemiker David Baker für computergestütztes Proteindesign. Die andere Hälfte teilt sich das Forscherduo Demis Hassabis und John Jumper für die Vorhersage komplexer Strukturen von Proteinen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.
"Diese Entdeckungen bergen ein enormes Potenzial", hieß es vom Nobelpreis-Komitee zur Begründung. "Um zu verstehen, wie Leben funktioniert, müssen wir zuerst verstehen, wie Proteine funktionieren", erklärte Heiner Linke als Experte aus dem Komitee. Proteine seien "die genialen chemischen Werkzeuge des Lebens". Sie kontrollierten und steuerten alle chemischen Reaktionen, die zusammen die Grundlage des Lebens bilden. Auch fungierten sie als Hormone, Signalstoffe, Antikörper und als Bausteine für verschiedene Gewebe, hieß es.
Baker designt neue Arten von Proteinen
"David Baker ist das fast unmögliche Kunststück gelungen, völlig neue Arten von Proteinen zu bauen", so das Komitee. Baker, geboren 1962 in Seattle, hatte erstmals 2003 aus Aminosäuren ein neues Protein geschaffen. Seitdem habe seine Arbeitsgruppe viele weitere Proteine produziert, die unter anderem für Pharmazeutika und Impfstoffe eingesetzt würden, hieß es.
Die Arbeiten von Baker seien für viele Forschende wirklich sehr nützlich gewesen, sagte Andrew Torda, Professor für Bioinformatik an der Universität Hamburg, im Gespräch mit tagesschau24. Zuvor habe es zwar Ideen dazu gegeben. Doch um Ergebnisse zu bekommen, hätte es Jahre gedauert und wäre teuer gewesen. "Und das hat er wirklich sehr verkürzt", so Torda. Die Methoden habe Baker zudem nicht einfach nur veröffentlicht: "Man kann die Programme einfach herunterladen und im Prinzip im Wohnzimmer zu Hause Proteine designen."
Hassabis und Jumper knacken die Protein-Struktur
Die in Großbritannien arbeitenden Forscher Hassabis und Jumper hätten ein KI-Modell entwickelt, um ein 50 Jahre altes Problem zu lösen: die Vorhersage der komplexen Strukturen von Proteinen. "In Proteinen sind Aminosäuren in langen Strängen miteinander verbunden, die sich zu einer dreidimensionalen Struktur zusammenfalten, die für die Funktion des Proteins entscheidend ist", erklärte das Komitee. Seit den 1970er Jahren hätten Forscher versucht, Protein-Strukturen aus Aminosäuresequenzen vorherzusagen - das sei erst vor vier Jahren gelungen.
Hassabis, geboren 1976 in London, und Jumper, geboren 1985 im US-amerikanischen Little Rock, stellten 2020 das KI-Modell "AlphaFold2" vor, mit dessen Hilfe sich die Strukturen praktisch aller bisher bekannten 200 Millionen Proteine vorhersagen lassen. Die KI sei von Menschen in 190 verschiedenen Ländern genutzt worden, schreibt das Nobelkomitee. Das könne etwa bei der Klärung von Antibiotika-Resistenzen helfen oder beim Einsatz von Enzymen zum Abbau von Kunststoffen.
Hassabis ist der Chef der auf KI spezialisierten Google-Tochterfirma DeepMind. Jumper ist dort Seniorwissenschaftler. Er zählt laut Time Magazine zu den 100 einflussreichsten Menschen in der KI-Welt.
Medizin- und Physik-Nobelpreise bereits vergeben
Die renommierteste Auszeichnung für Chemiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (rund 970 000 Euro) dotiert. Bei mehreren Preisträgern wird die Summe unter ihnen aufgeteilt. Seit 1901 wurde der Chemie-Nobelpreis an 192 verschiedene Forscher vergeben. Zwei von ihnen erhielten ihn zweimal.
Am Montag wurden bereits die Preisträger im Bereich Medizin, am Dienstag in der Kategorie Physik verkündet. Für Freitag ist die Verkündigung des diesjährigen Friedensnobelpreises geplant. Am Montag kommender Woche folgt die Bekanntgabe der Träger des Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften, der von der Schwedischen Nationalbank gestiftet wird.