Kleinerer Zinsschritt EZB erhöht Leitzins auf 3,75 Prozent
Im Kampf gegen die Inflation hebt die Europäische Zentralbank im siebten Zinsschritt in Folge die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte an. Ein Ende der Zinserhöhungen könnte derweil absehbar sein.
Die Europäische Zentralbank (EZB) dreht weiter an der Zinsschraube: Der Leitzins für den Euroraum steigt um einen Viertel-Prozentpunkt auf 3,75 Prozent. Das haben die Euro-Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt beschlossen. Experten hatten mit dieser Erhöhung gerechnet.
Der Hauptrefinanzierungszins, der nun bei 3,75 Prozent liegt, legt fest, zu welchem Zinssatz sich Banken über einen längeren Zeitraum - mindestens eine Woche - Geld von der Zentralbank leihen können. Der für Sparerinnen und Sparer wichtigere Einlagensatz liegt seit heute bei 3,25 Prozent.
Tempo rausgenommen
Damit folgt die EZB den amerikanischen Währungshütern der Federal Reserve, die am Vorabend ebenfalls eine moderatere Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte verkündet hatten. Es ist der siebte Zinsschritt in Folge, nachdem sich die Euro-Wächter im Juli 2022 von ihrer jahrelangen ultralockeren Geldpolitik verabschiedet und die Zinswende eingeleitet hatten.
Trotz der neuerlichen Anhebung hat die EZB mit dem aktuellen Zinsschritt deutlich Tempo rausgenommen. Zuletzt hatte die Notenbank die Leitzinsen kräftiger erhöht. Noch im März stiegen die Zinsen um einen halben Prozentpunkt.
Die Turbulenzen im Bankensektor der vergangenen Wochen dürften eine nicht zu unterschätzende Rolle dabei gespielt haben, dass die Notenbank den Fuß etwas vom Gas genommen und die Schlüsselsätze nur um 0,25 Prozentpunkte angehoben hat. Nach der Krise um die Credit Suisse und dem Kollaps zweier US-Geldhäuser im März musste vor wenigen Tagen auch die First Republic Bank mit einer Übernahme durch JP Morgan Chase gerettet werden. Und mit der nun in Schieflage geratenen US-Regionalbank Pac West steht gar die nächste Bankenpleite ins Haus.
Inflationsdruck im April verstärkt
Die Inflation im Zaum zu halten, ist die klassische Aufgabe der Zentralbanken. Je höher die Inflation ist, desto stärker wird das Geld entwertet. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für einen Euro immer weniger leisten. Steigen die Zinsen, müssen Privatleute und Wirtschaft mehr Geld für Kredite ausgeben - oder leihen sich weniger Geld. Das Wachstum nimmt ab, Unternehmen können höhere Preise nicht einfach weitergeben - und idealerweise sinkt die Inflationsrate. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft abgewürgt wird.
In der Eurozone hatte sich der Inflationsdruck im April wieder etwas verstärkt. Die Verbraucherpreise erhöhten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,0 Prozent. Im März war die Rate noch deutlich gesunken: von 8,5 Prozent im Februar auf 6,9 Prozent. Die EZB strebt auf mittlere Sicht eine Rate von zwei Prozent an. "Inflation ist wie Zahnpasta: Sie drückt sich leicht aus der Tube raus, aber sehr schwer wieder rein", warnte einst der frühere Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker.
Wie geht es mit den Zinsen weiter?
Allerdings ging die derzeit stark beachtete Kerninflation im April etwas zurück. Bei der Kerninflation werden schwankungsanfällige Lebensmittel- und Energiepreise herausgerechnet. Nach Einschätzung des Chefvolkswirts der VP Bank, Thomas Gitzel, kann der Rückgang der Kernteuerung als erstes Anzeichen dafür gewertet werden, dass die Trendwende bei der Inflationsentwicklung anstehe. Dies sei trotz der gestiegenen Inflationsrate eine gute Nachricht, aber noch kein Argument für die EZB, nicht weiter die Zinsen zu erhöhen. Für ein vorsichtigeres Vorgehen spricht jedoch, dass die Banken laut einer EZB-Umfrage in den ersten drei Monaten des Jahres ihre Kreditstandards weiter verschärft haben. Dies dürfte auch eine Folge der bisherigen Zinserhöhungen sein.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet ein absehbares Ende der Leitzinserhöhungen. "Konkret gehen wir davon aus, dass die EZB die Zinsen auf den kommenden beiden Sitzungen noch einmal um jeweils 0,25 Prozentpunkte erhöht und dann bei einem Einlagensatz von 3,50 Prozent eine längere Pause einlegt." Eine Zinssenkung im kommenden Jahr erwartet Krämer im Gegensatz zu vielen Finanzmarktexperten nicht. "Denn das Zinsniveau dürfte kaum ausreichen, die Inflation wieder nachhaltig auf zwei Prozent zu drücken."