Europawahl 2024
AfD bei der Europawahl Stark trotz Gegenwind
Die AfD landet bei der Europawahl auf Platz zwei - trotz chaotischen Wahlkampfs und der Skandale der Spitzenkandidaten. Die Partei wirkt überrascht und erleichtert. Zufrieden sind trotzdem nicht alle.
Alice Weidel strahlt: "Zweitstärkste Kraft - wir haben ein super Ergebnis eingefahren!" Tino Chrupalla ruft: "Vor den Sozen, der FDP und den Grünen!" Natürlich steht auch René Aust mit auf der Bühne in der Bundesgeschäftsstelle der AfD in Berlin-Reinickendorf, ziemlich weit weg vom politischen Berlin, und lässt sich feiern.
Aust, die Nummer drei der Europawahlliste, musste als Ausputzer für Maximilian Krah und Peter Bystron einspringen, nachdem die beiden nicht mehr auftreten sollten. Aust stimmt ein: "Wir haben gezeigt, dass wir uns aus jedem Umfragetief mit Teamgeist herausarbeiten können." Die rund 80 Gäste wedeln begeistert mit Deutschlandfahnen, Europafahnen sind hier nicht zu sehen. Es ist eine Mischung aus Überraschung und Erleichterung, denn eigentlich hatte die AfD angesichts vieler Skandale mit einem schlechteren Ergebnis gerechnet.
Holpriger Wahlkampf
Maximilian Krah, Nummer eins der AfD-Wahlliste, lieferte verlässlich Provokationen, frauenverachtende Sprüche und extreme Ausfälle, so dass Weidel und Chrupalla versuchten, ihn im Wahlkampf zu verstecken. Nicht zu vergessen: Sein Mitarbeiter wurde festgenommen, weil er im Verdacht steht, chinesischer Spion zu sein.
Peter Bystron, die Nummer zwei der Europawahlliste, bekam persönlich Besuch von der Polizei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit, es geht um Zuwendungen aus pro-russischen Kreisen. Bystron soll sogar Bargeld und Listen über Goldbarren noch vor der Durchsuchung in einem anderen Bundestagsbüro der AfD versteckt haben. So musste die Parteispitze dann auch die Nummer zwei bitten, nicht mehr aufzutreten - woran er sich im Übrigen nicht gehalten hat.
Wenn Alice Weidel am Wahlabend angesichts dieser Skandale von einem "holprigen Wahlkampf" spricht, dann wirkt das wie eine gewaltige Untertreibung.
Die "Krah-Bystron-Delle"
Bei ihrer Ansprache ist Weidel dann auch schnell dabei, von "Sperrfeuer" oder "Unkenrufen" zu sprechen, Kritik in Richtung Medien. Das fällt allerdings nicht so scharf und schrill aus, wie man das von ihr auch schon gehört hat. Und einige AfD-Mitglieder geben sich durchaus zufrieden. "Alles, was zwei, drei oder vier Prozent über dem Ergebnis der vergangenen Europawahl liegt, ist schon ein Erfolg", sagt einer.
Andere sind kritischer: "Es wäre mehr drin gewesen", hört man. Und ein dritter spricht von einer "Krah-Bystron-Delle". Gemessen an den Umfragen, die die AfD Anfang des Jahres bei deutlich über zwanzig Prozent sah, ist auch dieses Ergebnis enttäuschend.
Aufarbeitung - ja oder nein?
Wird es eine Aufarbeitung dieses Wahlkampfs geben? Es wäre zumindest nicht erstaunlich, wenn die Parteivorsitzenden gefragt würden, wie all das unter ihrer Führung passieren konnte. "Wir erwecken den Eindruck einer desorganisierten und chaotischen Partei", sagt ein Europapolitiker der AfD, der anonym bleiben möchte. Von anderen hört man, die Partei werde nicht professionell geführt. Von Weidel heißt es, sie habe die Probleme um den Spitzenkandidaten Krah schon vor seiner Wahl gesehen, ihn aber nicht verhindern können. Chrupalla dagegen rühmte sich auf dem Nominierungsparteitag sogar damit, Krah unterstützt zu haben.
Wie es mit den beiden Spitzenkandidaten Krah und Bystron weitergeht, ist aktuell noch unklar. Werden sie, wie es manche vermuten, nicht Mitglied der Delegation in Brüssel sein? Vor der Kamera wollen die beiden Parteivorsitzenden nichts dazu sagen.
Welche Lehren zieht die Partei?
Die Frage ist, ob, und wenn ja, welche Lehren der Bundesvorstand bzw. die Partei aus diesem Wahlkampf und diesem Ergebnis ziehen werden. Wird die Partei - Vorbild Le Pen in Frankeich - künftig weniger radikal auftreten? Das zumindest scheint der Ansatz des Thüringers Aust zu sein, der sich sprachlich deutlich geschmeidiger präsentiert, auch wenn seine Positionen inhaltlich nicht weniger extrem sind. Aust wird vermutlich die Delegation in Brüssel leiten.
Oder wird man, wie es bei der AfD nicht unüblich ist, die Fehler nur sehr leise besprechen, keine schmerzhaften Konsequenzen ziehen? Einen ersten Hinweis wird es vermutlich morgen Vormittag geben. Um zehn Uhr wollen die gewählten Delegierten auch über die Zukunft von Krah und Bystron beraten. Ihr Mandat im Europaparlament kann ihnen nicht genommen werden. Ihr Platz in der AfD-Delegation dagegen schon. So steht nach der ersten Erleichterung heute der nächste Machtkampf schon bevor.