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Europawahl 2024

Geflüchtete stehen vor einem Zelt im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos Schlange.
Europawahl

Wahlprogramme im Vergleich Wo die Parteien beim Thema Migration stehen

Stand: 07.05.2024 17:52 Uhr

Migrationspolitik ist für viele Wählerinnen und Wähler eines der wichtigsten Themen. Doch die Konzepte der deutschen Parteien im EU-Parlament zu Flucht-, Asyl- und Integration gehen weit auseinander.

Von Corinna Emundts, ARD-aktuell, tagesschau.de

In der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik nehmen die Parteien äußerst unterschiedliche Positionen ein. Während einige mehr auf Humanität, Europas Verantwortung als Schutzraum und Wahrung der Menschenrechte pochen, wollen andere die Zuwanderung nach Europa deutlicher begrenzen.

Für die meisten Parteien, etwa die Ampelparteien oder auch CDU/CSU, geht es um eine Mischung aus "Humanität und Ordnung". Bei der Frage, ob Asylsuchende auch außerhalb der EU-Grenzen Asylverfahren durchlaufen sollen, gehen die Meinungen weit auseinander. 

Anders ist es beim Thema Fachkräfteeinwanderung, die überwiegend positiv gesehen wird. Eine Ausnahme bildet hier die AfD, die auch dies nur sehr eingeschränkt ermöglichen will und vor allem eine Gefahr durch Migranten muslimischen Glaubens für Europa sieht, egal ob sie über das Asylsystem oder als Fachkräfte kommen. 

CDU/CSU

Für die Unionsparteien geht es in der europäischen Migrationspolitik klar darum, Zuwanderung zu begrenzen und irreguläre Migration zu stoppen. Auf legal eingewanderte Fachkräfte wollen die Schwesterparteien jedoch nicht verzichten. Leitprinzipien sind für die beiden Unionsparteien in der Migration "Humanität und Ordnung". 

Die EU-Außengrenzen müssten besser überwacht werden, fordern CDU/CSU. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex müsse mit mehr Personal und hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden, um "eine echte Grenzpolizei und Küstenwache" sein zu können. 

Zwar halten CDU/CSU den grenzkontrollfreien Schengen-Raum für eine "große europäische Errungenschaft", plädieren aber für die Möglichkeit und Fortsetzung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, wie sie derzeit etwa an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz stattfinden, um Schleuserkriminalität zu begrenzen. Diese sollten möglich sein, bis der EU-Außengrenzschutz funktioniere. 

Um die Zuwanderung nach Europa zu begrenzen, fordern die beiden Unionsparteien eine EU-weite Umsetzung des Konzepts der sicheren Drittstaaten: Flüchtende, die in Europa Asyl beantragen, sollen in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU gebracht werden und dort ein Asylverfahren durchlaufen, das allen rechtsstaatlichen Voraussetzungen entspricht. Im Falle der Anerkennung solle nicht Europa, sondern der sichere Drittstaat den Schutz gewähren.

Um diese Staaten wiederum nach "erfolgreicher Umsetzung des Drittstaatskonzepts" zu entlasten, fordern CDU/CSU eine "Koalition der Willigen innerhalb der EU", die jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnimmt und entsprechend untereinander verteilt. 

Damit sich weniger Menschen durch eine Flucht aus dem Herkunftsland auf den Weg nach Europa machen, wollen die Unionsparteien Fluchtursachen "wirksam bekämpfen": Herkunfts- und Transitländer sollten darin unterstützt werden, Menschen in ihrer Heimat oder heimatnah Lebensperspektiven zu eröffnen, heißt es im Wahlprogramm.

Entsprechende Abkommen begrüßen die beiden Parteien ausdrücklich, etwa den EU-Tunesien-Deal. Das Land ist eines der Haupttransitländer für Flüchtende aus Afrika mit Ziel Europa. Es erhält seit 2023 EU-Finanzhilfen und soll im Gegenzug stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen. Es müsse mehr dieser Abkommen geben, fordern CDU/CSU, etwa auch mit Ägypten - auch ein "erneuertes EU-Türkei-Abkommen" werde gebraucht.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen sehen Europa in einer globalen Verantwortung für Geflüchtete. "Asylrechtsverschärfungen bekämpfen keine Ursachen von Migration", heißt es in ihrem Wahlprogramm. Die EU müsse Zugang zum Menschenrecht auf Asyl garantieren sowie die humanitären und völkerrechtlichen Verpflichtungen wie die UN-Völkerrechtskonvention einhalten. "Von diesem Ziel sind wir momentan weit entfernt", kritisiert die Partei. Die Missachtung von EU-Recht sei in der Asylpolitik Alltag geworden. Vielerorts würden an Europas Grenzen und in EU-Staaten Menschenrechte von Geflüchteten verletzt. 

Die Grünen fordern eine "langfristige, geordnete und faire gemeinsame EU-Asylpolitik". Leitprinzipien sind für die Grünen in der Migrationspolitik "Humanität und Ordnung". Die Europäische Union müsse dazu beitragen, "Menschen in ihren Heimatregionen ein sicheres und friedliches Leben zu ermöglichen".

Gleichzeitig dürfe sich Europa angesichts vieler Krisen und Katastrophen in der Welt nicht abschotten: Vielmehr müsse die EU "einen gerechten Teil der Verantwortung für die Aufnahme von Schutzsuchenden übernehmen". 

Konkret wollen die Grünen humanitäre Hilfe sowie strukturbildende Hilfe in Krisenregionen ausbauen, um Menschen vor Ort in akuten Notlagen zu unterstützen. Zugleich tritt die Partei für "einen rechtsstaatlichen und menschlichen Umgang mit Schutzsuchenden" und faire Asylverfahren in Europa ein. Die Grünen lehnen deswegen das sogenannte Drittstaatenkonzept ab, nach dem Geflüchtete in einen von der EU als sicher definierten Drittstaat gebracht werden, um dort ihr Asylverfahren zu durchlaufen. 

Migrationsabkommen mit Staaten außerhalb der EU stehen die Grünen grundsätzlich positiv gegenüber, sofern sie partnerschaftlich und menschenrechtsbasiert seien. Die Partei schlägt vor, die Vereinten Nationen (UN) damit zu beauftragen, schutzbedürftige Geflüchtete geordnet und solidarisch auf Aufnahmeländer - also auch die EU - zu verteilen. 

Grenzverfahren direkt an den EU-Außengrenzen dürften nicht dazu führen, "dass weitere große Haftlager wie Moria entstehen", fordern die Grünen. Die EU-Außengrenzen müssten "selbstverständlich kontrolliert" werden. Die Partei kritisiert jedoch, dass Asylsuchende an den EU-Grenzen nicht immer auf rechtsstaatliches Handeln, sondern auf "systematische Rechtsbrüche", auf Unrecht und Gewalt träfen. Die UN-Kinderrechtskonvention müsse uneingeschränkt auch für geflüchtete Kinder gelten, egal, wo sie sich befänden. 

Im Mittelmeer würden viele Geflüchtete ihrem Schicksal überlassen. Es brauche "endlich eine europäische Initiative für eine staatlich koordinierte und finanzierte Seenotrettung". Die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex müsse deswegen weiterentwickelt - und mit einem unabhängigen Monitoring samt Ermittlungsbefugnissen begleitet werden. Illegale Pushbacks müssten rechtlich und politisch konsequent geahndet werden. 

Geflüchtete, die nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel nach einem solchen Verfahren kein Aufenthaltsrecht erhalten haben, müssten "zügig wieder ausreisen". Hierbei solle die freiwillige Rückkehr Vorrang vor "zwangsweisen Rückführungsmaßnahmen" haben. Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, müssten nach Verbüßung ihrer Strafe "prioritär" zurückgeführt werden, fordern die Grünen. 

Für gut integrierte Geflüchtete ohne dauerhaften Aufenthaltstitel, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und teils mit in Europa geborenen Kindern hier leben, halten die Grünen die Sorge vor Abschiebung für nicht zumutbar. Für diese Gruppe wollen sich die Grünen für einen "Spurwechsel ins europäische Einwanderungssystem einsetzten", also eine legale Bleibemöglichkeit vergleichbar dem Umgang mit ausländischen Fachkräften. 

SPD

Die SPD plädiert in ihrem EU-Wahlprogramm "für eine solidarische Migrations- und Geflüchtetenpolitik", die "Humanität und Ordnung" miteinander verbinde. Das individuelle Asylrecht sei dabei "Eckpfeiler sozialdemokratischer Politik" und nicht verhandelbar, ebenso wie das internationale Flüchtlingsrecht

Die SPD zeigt sich zwar einerseits zufrieden über die 2023 erreichte europäische Einigung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), sieht jedoch hier noch Mängel in der Regelung für Familien mit Kindern in den Asylverfahren an den EU-Außengrenzen.

Auch dort steht für die SPD die Prüfung des individuellen Asylanspruchs im Vordergrund - "und nicht die pauschale Kategorisierung nach Herkunftsländern". GEAS sieht vor, dass über einen Teil der Schutzgesuche bereits an den EU-Außengrenzen entschieden werden kann. 

Die Partei fordert die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften beim EU-Außengrenzschutz. Pushbacks seien eine "eklatante Verletzung des Völkerrechts". Die Europäische Grenz- und Küstenschutzagentur Frontex müsse dabei Menschenrechtsverletzungen aufklären und, "wo immer möglich", verhindern. Zugleich brauche es eine umfassende Prüfung der "systematischen und strukturellen Probleme" dieser EU-Agentur. Seenotrettung müsse in der EU staatlich gewährleistet werden. 

Skeptisch ist die Partei beim Konzept der sicheren Herkunftsstaaten, das Rechtsbehelfsfristen verkürzt, wenn Geflüchtete aus solchen Ländern gegen einen negativen Asylbescheid klagen. Allgemeine Bewertungen der Sicherheitslage in den Herkunftsländern, die in den individuellen Asylverfahren berücksichtigt werden, müssten deswegen regelmäßig überprüft werden, fordert die SPD. 

Mehr Möglichkeiten für legale Einwanderung soll es für jene Migranten geben, die in der EU arbeiten wollen. Die Partei fordert aber auch mehr legale Zugangswege für Geflüchtete nach Europa, etwa durch UN-Resettlement-Programme. Dabei sei für die Partei klar, dass sie "eine Auslagerung des EU-Asylsystems auf Drittstaaten" ablehne.

AfD

Die AfD sieht in ihrem Wahlprogramm "den wirksamen Schutz der Außengrenzen gegen illegale Zuwanderung" als eine der drei Hauptaufgaben Europas. Als besonderes Problem erachtet die AfD die Einwanderung von Menschen muslimischen Glaubens aus "den Staaten des islamischen Kulturkreises". Denn die Lebensregeln des Koran seien mit den europäischen Grundprinzipien von Recht, Freiheit und Demokratie "nicht in Einklang zu bringen".

Zuwanderung nach Europa müsse strikten Regeln unterworfen und massiv beschränkt werden. Die Asyl- und Migrationspolitik Europas habe "zu massiven gesellschaftlichen Verwerfungen geführt", kritisiert die AfD und fordert eine "Trendwende". 

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem der EU (GEAS) müsse aus dem Europäischen Vertrag (AEUV), einem der Gründungsverträge der EU, herausgenommen werden und die Zuständigkeit für Asyl- und Zuwanderungspolitik den Nationalstaaten zurückgegeben werden, fordert die AfD. Aus Sicht der Partei stehe ausschließlich den nationalen Parlamenten zu, über Zuwanderung zu entscheiden - nur diese hätten "die nötige demokratische Legitimation". 

Die Partei setzt auf "Migrationsvermeidung aus Krisenregionen" durch Hilfe vor Ort. "Illegale Migranten" sollten möglichst schon an der EU-Außengrenze abgewiesen werden. Die Partei plädiert darüber hinaus für das Modell der sicheren Drittstaaten: Asylverfahren sollen in einem dazu bereiten Land außerhalb der EU durchgeführt werden, "wo sie im Falle der tatsächlichen Schutzbedürftigkeit auch Aufnahme finden". Sofern Straftäter unter den Geflüchteten nicht in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben werden könnten, seien sie "hilfsweise in aufnahmebereite Drittstaaten zu überführen". 

Für besonders Schutzbedürftige - etwa Kinder, die medizinische Versorgung benötigen -, kann sich die AfD eine befristete Aufnahme aus humanitären Gründen vorstellen. Dies wäre jedoch nur dann den Bürgern vermittelbar, "wenn sich die massiv überspannten finanziellen, materiellen und kulturellen Aufnahmekapazitäten Deutschlands wieder erholt haben".  

International setzt die Partei auf "eine verstärkte Zusammenarbeit bei der heimatnahen Versorgung von echten Flüchtlingen und beim Aufbau von Schutzzentren vor Ort". Internationale Vorschriften und Verpflichtungen zur Aufnahme Geflüchteter - "wie sie der UN-Migrationspakt und der UN-Flüchtlingspakt vorsehen" - lehnt die AfD ab. Sämtliche Bleiberechtsregelungen für Ausreisepflichtige will die AfD abschaffen. 

Schutz vor Kriegsfolgen sei "nur für deren Dauer zu gewähren" und dürfe nicht zu "dauerhafter Einwanderung" führen: Sobald in den meisten Gebieten eines Herkunftslands wieder Frieden herrsche, habe die EU umgehend "Bedingungen für eine Rückkehr der hier aufgenommenen Asylbewerber auszuhandeln und diese Rückkehr auch konsequent durchzusetzen". Resettlements lehnt  die Partei als "Umsiedlungsprogramme nach Europa" ab und fordert das Gegenteil: "Auf nationaler und europäischer Ebene müssen Remigrations-Programme auf- und ausgebaut werden." 

Den Schutz der EU-Außengrenzen versteht die AfD als Aufgabe aller Mitgliedstaaten. Er umfasse "die Errichtung wirksamer physischer Barrieren, eine moderne technische Überwachung und den Einsatz von Grenzschutzpersonal". Er solle von nationalen Behörden im Zusammenwirken mit der EU-Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex durchgeführt werden, fordert die Partei. Die AfD fordert auch die Einrichtung von "Gewahrsamszentren" im grenznahen Bereich, die "aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Falle von unzulässigen Schutzanträgen" sichern sollen.

Was "qualifizierte Zuwanderung" angeht, fordert die Partei mehr europäisches Engagement: Die Abwanderung von einheimischen, meist hochqualifizierten Arbeitskräften solle möglichst verhindert werden. Zudem solle es ein Punktesystem für Fachkräfte aus dem EU-Ausland geben. Für hochqualifizierte außereuropäische Bewerber will die AfD das Instrument der "Blauen Karte EU" fortentwickeln - ein Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventinnen und -absolventen und für Drittstaatenangehörige mit besonderer beruflicher Erfahrung. 

Die Linke

Die Linkspartei stehe für eine Europäische Union, die Menschen auf der Flucht sicheren Schutz biete, heißt es in ihrem Wahlprogramm zur Migrationspolitik: "Keine Festung Europa" lautet entsprechend ihr Wahlslogan. Auch Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge müssten verbindliche Flüchtlingsrechte bekommen, fordert die Linke. 

Aus Sicht der Partei müsse die "schreckliche Bilanz europäischer Abschottungspolitik" mit fast 30.000 im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen im vergangenen Jahrzehnt zu einer "grundlegenden Änderung der EU-Asylpolitik" führen.

Derzeit verstoße die EU täglich gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, obwohl sie sich verpflichtet hat, diese einzuhalten: "Schutzsuchende werden an den EU-Außengrenzen misshandelt und rechtswidrig abgeschoben."

Die Partei kritisiert inhumane Zustände in den Lagern an den EU-Außengrenzen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sei "zumindest indirekt an Pushbacks beteiligt oder vertuscht sie". Deswegen fordert die Partei eine Umwandlung von Frontex in eine "europäische Rettungsmission", einen effektiven Überwachungsmechanismus gegen Pushbacks und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen, eine EU-finanzierte Seenotrettungsmission sowie Straffreiheit für zivile Seenotrettung.

Um Verantwortung für Geflüchtete gerecht zu verteilen, schlägt die Linkspartei eine europäische Fluchtumlage vor. Aufnahmebereite Städte will die Linke mit einem neu zu schaffenden EU-Fonds für Willkommenskommunen unterstützen. 

Grenzkontrollen innerhalb des EU-Schengen-Raums lehnt die Partei ebenso ab wie das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Die Prüfung des individuellen Asylrechts "in Schnellverfahren und unter Haftbedingungen" an den EU-Außengrenzen sei eine "moralische Bankrotterklärung". Es mache faire Verfahren unmöglich und verschlimmere die Lage an den Außengrenzen.

Eine Auslagerung von EU-Asylverfahren in Nicht-EU-Länder lehnt die Partei ab, ebenso wie Abschiebungen - "insbesondere in Krieg, Verfolgung und Elend". Den Abkommen mit sogenannten sicheren Drittstaaten steht die Linkspartei insgesamt kritisch gegenüber: Es gehe Europa hier um eine "Abwehr von Geflüchteten", für die etwa Länder wie Tunesien von der EU rund 1,5 Milliarden Euro als Unterstützung erhielten - obwohl sie gleichzeitig vom Europäischen Parlament für "vielfältige Menschenrechtsverletzungen" kritisiert würden.

FDP

Aus Sicht der FDP muss Europa gerade auch in der Migrationspolitik stärker werden: Die Bürgerinnen und Bürger müssten überzeugt sein, dass Europas Grenzen sicher seien, dass irreguläre Migration strikt unterbunden werde und ausreisepflichtige Personen "zügig zurückgeführt" würden.  

Es brauche mehr Kontrolle und Ordnung: Die EU müsse das "Problem der irregulären Migration" in den Griff bekommen, gerade um Akzeptanz bei der Bevölkerung für reguläre Einwanderung von Fachkräften zu schaffen. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) begrüßt die Partei und fordert nun eine konsequente Umsetzung, etwa durch schnellere Asylverfahren und "konsequente Rückführungen", um irreguläre Migration "wirksam zu reduzieren". 

Zwar bekennt sich die FDP zum "Recht auf Schutz vor Verfolgung", plädiert aber für einen härteren Umgang mit jenen, die keine Chance auf ein Bleiberecht hätten - diese Menschen sollten "möglichst gar nicht erst einreisen". Die Partei plädiert deswegen für einen starken, effektiven Schutz der EU-Außengrenze - etwa durch moderne Sicherheitstechnik. Es sei sicherzustellen, dass Flüchtende, die sich bereits in einem sicheren Drittstaat außerhalb der EU aufgehalten hatten, dorthin zurückkehren. Die FDP will insgesamt die Prüfung von Asylanträgen in Drittsaaten ermöglichen. 

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex solle personell schneller ausgebaut werden, begleitet von strukturellen Reformen sowie mehr Kontroll- und Transparenzmechanismen. Sie solle auch die Seenotrettung auf dem Mittelmeer übernehmen, fordert die FDP - einerseits um Menschen vor dem Ertrinken zu retten, aber auch um "illegale Grenzübertritte zu vermeiden". Idealerweise, so heißt es im FDP-Wahlprogramm, sollten die Flüchtlinge an sichere Orte außerhalb der EU gebracht werden, wo deren Asylgesuche vor Betreten der Europäischen Union geprüft werden könnten. 

Freie Wähler

"Europa als Grenzschützer" - so definiert die Partei Freie Wähler die Rolle der EU bei der Migrationspolitik und betont die Zuständigkeit der Europapolitik beim Thema Asyl: "Wir streben weiterhin eine europäische Lösung der Migrationsfrage an." Jedoch sollten die Nationalstaaten eine eigene und alleinige Zuständigkeit für Einwanderungspolitik haben, fordert die Partei. 

Einen Schwerpunkt legt ihr Wahlprogramm bei der gemeinsamen Asylpolitik klar auf den EU-Außengrenzschutz: Die Außengrenzen müssten "gemeinsam und engagiert" stärker geschützt werden - dies erfordere den Aufbau eines "gemeinsamen europäischen Grenzschutzes".

Dazu brauche die EU-Grenzschutzagentur Frontex ein "großes Update": Sie solle hierzu die Koordination übernehmen - und dafür massiv ausgebaut werden. Die Mitgliedstaaten sollten beim Außengrenzschutz nicht mehr führend sein müssen, sondern nur mehr unterstützen. Die Partei fordert "eine gemeinsame europäische Grenzschutzeinheit, bestehend aus bereitgestellten Kontingenten der Mitgliedsstaaten". Diese müsse in der Lage sein, die gesamte EU-Außengrenze sinnvoll überwachen zu können. Nach Vorstellung der Partei sollen die Außengrenzen auch der Bereich sein, in dem Asylverfahren "primär" und von der Dauer her "binnen Tagen in EU-Institutionen durchgeführt werden sollen".

Was die Fluchtrouten über das Meer Richtung EU angeht, sehen die Freien Wähler die Union in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass "nicht jedes Jahr tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken". Es brauche institutionalisierte zivile Seenotrettung, die in die Befehlsstrukturen des EU-Außengrenzschutzes einzubinden sei. 

Für die Freien Wähler ist klar: "Asyl, Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz bei Bürgerkriegen bedeuten immer Aufenthalt auf Zeit." Hierfür brauche es ein "verlässliches Ein- und Ausreisesystem, das eine konsequente Zurückweisung an der EU-Außengrenze und Asylverfahren außerhalb Europas ermöglicht". 

Eine "zwangsweise Umverteilung der Asylbewerber auf alle EU-Mitgliedsstaaten" lehnt die Partei ab, steht jedoch dem Konzept der sicheren Drittstaaten offen gegenüber, in denen Geflüchtete aus der EU ein rechtsstaatliches Asylverfahren außerhalb der EU durchlaufen könnten. Allerdings mit einer Bedingung: "Die Einordnung der Herkunftsländer in sichere und unsichere Drittstaaten muss gemeinsam erfolgen." 

Gleiches gilt für die Schaffung ähnlich funktionierender europäischer Asylzentren in Afrika, um dem Geschäftsmodell der Schlepper den Boden zu entziehen. Rücknahmeabkommen mit EU-Nachbarländern befürworten die Freien Wähler ebenfalls.

Die PARTEI

Die Satirepartei Die PARTEI erwähnt das Thema Migration in ihrem Wahlprogramm nicht.

ÖDP

Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) sieht Europa in der Mitverantwortung für viele der Fluchtursachen - dadurch, dass sie zu wenig für die Bekämpfung von Fluchtursachen unternehme. Für die ÖDP ist klar: "Die Gewährung von Asyl und die Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention sind unsere Pflicht und ein unverzichtbarer Akt der Menschlichkeit." Eine abschottende Haltung in einer "Festung Europa" lehnt die Partei ab. Vielmehr setzt sie sich für die Anerkennung der Flucht vor Klimafolgen als Asylgrund ein. 

Die ÖDP fordert ein gemeinsames europäisches Asylrecht und will sich für einen "menschenwürdigeren Umgang mit Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen und in den Aufnahmestaaten" einsetzen.  

Die Partei plädiert für eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten oder entsprechendem finanziellen Ausgleich nach Einwohnerzahl und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der EU-Mitgliedsländer.  

Der Möglichkeit, außerhalb der Grenzen der Europäischen Union einen Asylantrag für die EU stellen zu können, steht die ÖDP positiv gegenüber - ebenso wie den Resettlement-Programmen der Vereinten Nationen (UN), die besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in die EU hinein vermitteln, wenn diese nicht in ihr Heimatland zurückkönnen. 

Piraten

Für die Piratenpartei hat bei der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik Priorität, "dass sie auf der Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts beruhen muss". Alle EU-Staaten seien verpflichtet, Flüchtlinge und Asylbewerber zu unterstützen, da sie durch internationale Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention sowie die UN-Kinderrechtskonvention rechtlich dazu verpflichtet seien. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse sich ebenso wie alle EU-Mitgliedstaaten an die Einhaltung des Völkerrechts halten.

Die Piraten wollen die europäische Asylpolitik reformieren: Es müsse etwa ein System der gegenseitigen Bearbeitung von Asylanträgen geben, bei dem jeder Antrag direkt bei der EU gestellt werden kann - während es im Ermessen der Mitgliedstaaten liege, ob sie Asylsuchende in ihr Hoheitsgebiet aufnehmen wollen.

Die Partei plädiert dafür, "unmenschliche Inhaftierung von Asylbewerbern und Schnellverfahren an Landgrenzen und Flughäfen zu vermeiden". Damit Flüchtlinge "human und sicher in das Aufnahmeland gebracht werden können", sollte die EU gewährleisten, dass Asylanträge von "jedem Ort der Welt aus" gestellt werden könnten. 

Volt

Volt gibt als Hauptziel in der Asylpolitik an, Netzwerke illegaler Migration abzubauen und die Bedürfnisse der Opfer an erste Stelle zu setzen. "Unser Europa soll legale Wege sowohl für Geflüchtete als auch für Migrantinnen und Migranten sicherstellen" - mit Wegen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein sollen. Europa brauche ein effizientes, faires und humanes System, das auch Geflüchteten gemäß der Definition der Genfer Konvention Zuflucht und Schutz gewähre. Zudem brauche es einen neuen Rechtsrahmen für Klima-Geflüchtete

Volt zeigt sich zutiefst unzufrieden mit der bisherigen Ausgestaltung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik: Das derzeitige System sei dysfunktional und zwinge Asylsuchende dazu, "sich auf unsichere, illegale Routen zu begeben". Dabei kritisiert Volt auch deutlich Verstöße europäischer Grenzschutzbehörden gegen EU-Recht und begrenzte Such- und Rettungseinsätze, die die Desorganisation noch verschärften.

Deswegen steht die Partei Abkommen der EU-Mitgliedstaaten mit autokratischen Regimen äußerst skeptisch gegenüber. Sie trügen "zu unnötigen Todesfällen bei" - von daher lehnt die Partei Abkommen mit autoritären Regimen ab. Bei Verträgen zur Rücknahme Geflüchteter müsse allgemein die Wahrung der Menschenrechte im Mittelpunkt stehen. Asylanträge sollten nicht an entlegene Orte oder gar Drittstaaten ausgelagert werden, fordert Volt.

Den massiven Verlusten an Menschenleben im Mittelmeer und Atlantik solle ein Ende gesetzt werden, unter anderem durch die Erteilung humanitärer Visa und der Schaffung humanitärer Korridore zur Erstellung sicherer und rechtmäßiger Wege für gefährdete Menschen, die oft auf gefährliche und illegale Routen auswichen.

Volt will die EU-Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem mit einem einheitlichen Asylverfahren verpflichten, in dem die Verantwortung mit Unterstützung der Europäischen Asylagentur (EUAA) solidarisch geteilt wird - mit von Wirtschaftskraft und Bevölkerungsdichte abhängigen Quoten. Das Asylverfahren sollte auf eine Dauer von höchstens drei Monaten zwischen Einreise und erster Entscheidung beschleunigt werden, fordert die Partei.

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll reformiert werden und durch das Europäische Parlament wie die nationalen Parlamente besser kontrolliert werden können.

Bei der Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften plädiert die Partei im Rahmen eines einzuführenden europäischen Migrationskodexes für neue legale Wege für alle Lohn- und Qualifikationsstufen. Bei Hochqualifizierten solle das System "Blaue Karte EU" weiter vereinfacht werden. Volt will gleichzeitig die Möglichkeit eines Statuswechsels von irregulär Eingewanderten hin zu regulärer Wirtschaftsmigration ermöglichen.

Familienpartei

Die Familienpartei setzt sich für die Einhaltung der geltenden Dublin-Verordnung ein, die festlegt, welches Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Jedoch solle es darüber hinaus eine bindende europäische Verteilungsquote geben, "um die EU-Grenzstaaten zu entlasten".

Darüber hinaus seien EU-seits Hilfsleistungen zu definieren, die den Mitgliedstaaten bei Unterbringung und Integration Geflüchteter helfen sollen. "Europa und seine Flüchtlingspolitik müssen an unseren christlichen Grundwerten der Nächstenliebe und Toleranz ausgerichtet sein" - für dumpfe rechte Parolen und Rassismus sei kein Platz in Europa.

Europa solle ein guter Gastgeber sein, so die Familienpartei, aber gleichzeitig auch klarstellen, dass Flüchtlinge aus Krisenregionen "Gäste auf Zeit" seien - und wenn "human vertretbar", auch wieder zurück in ihr Land müssten, um dieses wieder aufzubauen. Die Partei spricht sich zudem für die aktive Bekämpfung von Fluchtursachen aus, um die Perspektivlosigkeit vieler Geflüchteter als treibende Kraft für das Verlassen der Heimat zu beseitigen.

Partei Mensch Umwelt Tierschutz

Die Tierschutzpartei setzt auf ein Europa der Solidarität und des Mitgefühls: Europas Asyl- und Migrationspolitik müsse "menschlich und offenherzig sein", die Achtung der Menschenrechte zentrales Element. Europa trage eine besondere Verantwortung als Mitverursacher von Fluchtursachen, sei es durch unseren Beitrag zum Klimawandel oder durch wirtschaftliche Ausbeutung.

Statt "Überwachung und Abschiebungen zu priorisieren", solle die EU sichere und legale Wege für Geflüchtete einrichten. Die Partei plädiert für schnelle Asylverfahren mit einheitlichen europäischen Standards sowie für eine gerechte Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU, um die EU-Mitgliedstaaten an den Außengrenzen zu entlasten.

Die Europäische Union müsse ein koordiniertes Seenotrettungsprogramm einleiten - und dabei alle Hilfsorganisationen und Küstenwachen einbinden. Denn jeder habe das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

In der Arbeitsmigration sieht die Partei eine Chance für die Wirtschaft und die demografische Stabilität in Europa. Sie befürwortet ein kontrolliertes Einwanderungssystem, das Fachkräfte anziehe und die Rechte von Arbeitsmigrantinnen und -migranten schütze.

Bündnis Sahra Wagenknecht

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht für eine EU-Politik, die "illegale Migration stoppt und Perspektiven in den Heimatländern vergrößert". Klar sei: "Menschen, die aus politischen, religiösen oder anderen Gründen verfolgt werden und deshalb aus ihrer Heimat fliehen müssen, haben ein Recht auf Asyl." Auch Menschen, die vor kriegerischer oder gruppenbezogener Gewalt fliehen müssten, bräuchten Hilfe und eine sichere Zuflucht - "am besten möglichst nahe an ihren Heimatländern". 

Bei Menschen mit eher wirtschaftlich motivierten Fluchtgründen nimmt die Partei eine eher ablehnende Haltung ein: Klar sei auch, dass "Migration nicht die Lösung für das Problem von Armut und Ungleichheit in der Welt ist". 

Die bisherige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sieht das BSW kritisch: Bisher kämen dadurch weder weniger Migranten in die EU, noch würden die Lasten solidarischer verteilt.

Die Partei fordert deswegen eine grundlegende Reform - hin zu einer restriktiveren Flüchtlings- und Migrationspolitik. Flucht- und Migrationsursachen müssten reduziert werden, indem die europäische Wirtschafts- und Handelspolitik neu ausgerichtet wird.

"Das menschenverachtende Schlepperwesen muss konsequent bekämpft werden", heißt es im Wahlprogramm zudem. Dazu solle sowohl die Kooperation zwischen den EU-Mitgliedstaaten als auch mit Drittstaaten verbessert werden, fordert das BSW.

Anmerkung: Die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist nicht im Europaparlament vertreten. Da das BSW in Umfragen stabil bei 4 bis 7,5 Prozent ausgewiesen wird und damit von einem Einzug in das Europäische Parlament auszugehen ist, stellen wir die Positionen der Partei jedoch in diesem Überblick vor. 
Die Partei Bündnis Deutschland ist im Europaparlament vertreten. Jedoch wurde sie bei der vergangenen Wahl nicht ins Europäische Parlament gewählt, sondern ein gewählter Abgeordneter einer anderen Partei trat später Bündnis Deutschland bei. Daher stellen wir die Positionen der Partei nicht in diesem Überblick vor.
Damit folgen wir dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit.