Europawahl 2024
Grüne nach der Wahlschlappe Weniger Einfluss - und doch "Präsidentin-Macher"?
Trotz ihrer deutlichen Verluste hoffen die Grünen, dem Europaparlament und der EU-Kommission weiter ihren Stempel aufdrücken zu können. Worauf gründet sich die Hoffnung?
Der Absturz ist brutal: Von zuletzt 71 Mandaten sind der grünen Fraktion im Europaparlament nur noch 53 geblieben - ein Viertel weniger. Aus Deutschland kommen jetzt nur noch zwölf Abgeordnete von Bündnis90/Grüne, bisher waren es 21.
Bei der Ursachenforschung wird in Brüssel vor allem auf die Bundesebene verwiesen: Man sei abgestraft worden für das, was in Berlin geschehe, "das Grüne" sei nicht mehr positiv besetzt, man müsse besser in die Mitte der Gesellschaft hinein kommunizieren, besser zuhören.
Was sich für die Grünen ändert
Für die Parlamentsarbeit in Brüssel bedeutet der Mandatsverlust, dass die Grünen weniger Anspruch auf herausgehobene Posten wie zum Beispiel Ausschussvorsitze haben. Sie werden weniger die Tagesordnungen bestimmen und so ihre Themen setzen können, weniger Redezeit bekommen und in den Rednerlisten weiter hinten geführt.
Das könne aber auch von Vorteil sein, heißt es, wenn man künftig nach den Rechtsradikalen sprechen könne - dann könne man besser darauf reagieren.
Die Politik der Kommission wollen die europäischen Grünen jedenfalls auch in Zukunft mitbestimmen. Man wolle "mitregieren" und sei bereit, Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit "zu einer demokratischen Mehrheit zu verhelfen", hat die Fraktions-Co-Vorsitzende Terry Reintke bereits angekündigt.
In den Mittelpunkt für die Verhandlungen werde man die Weiterführung des "Green Deal", aber auch Fragen zur Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa stellen. Zum Stand der Gespräche sagt Fraktionschefin Terry Reintke gegenüber der ARD, es sei "noch nichts entschieden", aber die Gespräche seien "konstruktiv" und das gebe ihr "Zuversicht, dass alles auf einem guten Weg ist".
Brüsseler Additionen
Und tatsächlich könnten die Grünen zu "Präsidentin-Machern" werden. Zwar haben die christdemokratische Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), die Sozialdemokraten und Sozialisten (S&D) und die Liberalen von Renew eine rechnerisch komfortable Mehrheit von 40 Stimmen.
Da aber im Europaparlament kein Fraktionszwang herrscht und in allen drei Fraktionen auch ausgesprochene Von-der-Leyen-Gegner sitzen, könnte diese Mehrheit schnell sehr knapp werden. Deshalb hat die EVP Interesse an weiteren Mehrheitsbeschaffern auf beiden Seiten: beim nationalkonservativen Bündnis EKR und eben bei den Grünen.
Zusätzliche Stimmen aus dem EKR-Lager könnten die EVP jedoch größere Stimmenblöcke bei S&D und Liberalen kosten. Zusätzliche Stimmen von den Grünen dagegen wären zwar bei manchen im EVP-Lager ungern gesehen, hätten aber nicht den hohen Preis einer EKR-Beteiligung.
Wohin zieht es Volt?
Interessant wird sein, ob und wie die Senkrechtstarter von Volt die neue Fraktion prägen werden - wenn sie ihr überhaupt beitreten. Volt, die sich ausdrücklich pro-europäisch, progressiv und pragmatisch verstehen, war bislang mit einem einzigen Abgeordneten im Europaparlament vertreten, er gehörte der grünen Fraktion an. Nun sind sie zu fünft im Parlament: drei aus Deutschland, zwei aus den Niederlanden.