Europawahl 2024
EU-Kommissionpräsidentschaft EVP drängt auf Wiederwahl von der Leyens
Von der Leyen weiß, was sie nach der Wahl will: Eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin. Doch auch wenn die EVP die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament stellen wird, braucht sie dafür Verbündete.
Nach der Europawahl hat der Poker um die künftige Besetzung von EU-Spitzenposten begonnen. Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP hat Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, die Wiederwahl von Ursula von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin zu unterstützen. Als Gegenleistung soll es im Europäischen Parlament eine Zusammenarbeit geben. "In diesen turbulenten Zeiten brauchen wir Stabilität, wir brauchen Verantwortlichkeit und wir brauchen Kontinuität", sagte von der Leyen bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Scholz plädierte dafür, dass sich die 27 EU-Regierungen und das neue Europäische Parlament "schnell und zügig" über das neue EU-Spitzenpersonal einigen. "Es gibt keinen Anlass, sich damit viel zu lange aufzuhalten", so der Kanzler. Auf eine Unterstützung für eine weitere Amtszeit von der Leyens legte er sich öffentlich noch nicht fest.
Um erneut gewählt zu werden, ist von der Leyen für Bündnisse in fast alle Richtungen offen - und das bringt ihr Kritik ein. Zwar kündigte sie nach der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin an, dass sie zunächst mit den Fraktionen der Sozialdemokraten und der Liberalen reden will. Man habe mit beiden Fraktionen in den vergangenen fünf Jahren "gut und vertrauensvoll konstruktiv zusammengearbeitet", so von der Leyen. Dies habe ein Fundament geschaffen, an das man nun anknüpfen könne. Auf die Frage, ob sie nicht auch mit den Grünen sprechen wolle, sagte sie, das sei nur der erste Schritt. "Das lässt auch andere Türen offen."
Von der Leyen schließt Unterstützung durch Meloni nicht aus
Anders als von SPD und Grünen gefordert, schloss sie aber nicht aus, sich am Ende auch von Abgeordneten der Rechtsaußen-Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zur Kommissionspräsidentin wählen zu lassen. Mit Blick auf eine mögliche Kooperation mit Meloni betonte Scholz, dass es bei der Position der Bundesregierung bleibe, dass sich "die Kommissionspräsidentschaft auf eine demokratische Mehrheit traditioneller demokratischer Parteien im Europäischen Parlament stützen muss." Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley erneuerte die Warnung, von der Leyen in diesem Fall nicht mitwählen zu wollen.
Das kam bei der CDU gar nicht gut an: Parteichef Friedrich Merz sagte mit Blick auf die Wahlergebnisse der Ampel-Parteien, dass "Wahlverlierer keine Bedingungen zu stellen" hätten. Er erinnerte deutsche Sozialdemokraten, Grüne und Liberale daran, dass sie sich vor der Wahl zu dem Spitzenkandidaten-Prinzip bekannt hätten. Nach diesem Prinzip darf die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament die Spitze der Kommission besetzen - in diesem Falle also die konservative Parteiengruppe EVP, zu der auch CDU und CSU gehören.
Grüne und SPD schließen Mehrheiten mit rechtem Lager aus
Doch neben der SPD haben auch die Grünen Bedenken, von der Leyen bedingungslos mitzuwählen: Auch sie schlossen Mehrheiten mit Rechtsextremen aus. Grundsätzlich wären sie aber zu Verhandlungen bereit, um eine neue EU-Kommission zu bilden, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke in Berlin. "Wir wollen mitregieren." Es gehe um Wohlstand, Klimaschutz, Frieden und Sicherheit. In möglichen Verhandlungen würden die Grünen unter anderem den Green Deal in den Mittelpunkt stellen wollen.
Und auch die FDP stellte Bedingungen: Parteichef Christian Lindner sagte, dass die Liberalen von der Leyen nur mitwählen würden, wenn diese gemeinsamen Schulden in der EU eine Absage erteilen würde.
Meloni hält sich noch alles offen
CSU-Chef Markus Söder versuchte in der Diskusion nochmal Druck auf die Ampel-Parteien auszuüben: Er sagte, deutsche Parteien hätten eine "patriotische" Verpflichtung, eine zweite Amtszeit einer deutschen EU-Kommissionspräsidentin zu ermöglichen.
Die italienische Ministerpräsidentin Meloni ließ ihre mögliche Unterstützung für eine zweite Amtszeit der Kommissionspräsidentin bislang offen. Es sei zu früh für eine Entscheidung, sagt sie dem italienischen Radiosender 102,5 RTL.
Mitte Juni schlagen Regierungschefs Kandidatinnen und Kandidaten vor
Bevor die Entscheidung über eine mögliche zweite Amtszeit für von der Leyen fällt, stehen noch mehrere Schritte aus: Zuerst sprechen sich die Staats- und Regierungschefs sowie Parteivorsitzenden der EVP ab. Mitte Juni sollen dann die 27 EU-Regierungschefs das künftige EU-Spitzenpersonal vorschlagen - dann wird sich zeigen, ob Scholz von der Leyen in Position bringt.
Von der Leyen braucht die Stimmen von mindestens 15 Staats- und Regierungschefs, die zusammen 65 Prozent der europäischen Bevölkerung vertreten - ohne Deutschland ein schwieriges Unterfangen.
Die größere Hürde ist für von der Leyen aber das Europaparlament. Hier braucht sie eine absolute Mehrheit von mindestens 361 der 720 Abgeordneten, um als Kommissionschefin wiedergewählt zu werden. Auf den ersten Blick scheint dies eine leichte Übung. Denn mit Sozialdemokraten und Liberalen gemeinsam verfügt das Mitte-Lager um die EVP im neu gewählten Europaparlament über eine Mehrheit von gut 400 Sitzen. Im Europaparlament gibt es aber anders als im Bundestag eine sehr viel geringere Fraktionsdisziplin. Die Abgeordneten einer Fraktion stimmen also häufiger nicht einheitlich ab.
2019 schaffte es von der Leyen nur knapp, Kommissionspräsidentin zu werden. 2019 schaffte es von der Leyen nur knapp, Kommissionspräsidentin zu werden.