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Europawahl 2024

Friedrich Merz spricht nach den ersten Hochrechnung auf einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus.
Europawahl

Vorläufiges Ergebnis Union und AfD feiern, Verluste bei Ampel-Parteien

Stand: 10.06.2024 08:34 Uhr

Bei der Europawahl ist die Union mit Abstand die stärkste Kraft geworden. Das vorläufige Ergebnis sieht die AfD mit deutlichen Zugewinnen auf Platz zwei. Verluste in der Ampelkoalition mussten vor allem die Grünen einstecken.

Die Union hat bei der Europawahl in Deutschland das stärkste Ergebnis geholt. Die AfD landete dem vorläufigen Ergebnis zufolge bundesweit auf Platz zwei - im Osten sogar mit großem Abstand auf Platz eins. SPD, Grüne und FDP mussten Verluste einstecken und kamen zusammen nur auf ein knappes Drittel der Wählerstimmen. Auch die Linke brach ein - und wurde von der neuen Partei BSW von Sahra Wagenknecht überholt.

Dem vorläufigen Ergebnis zufolge steigerte sich die Union leicht auf 30,0 Prozent (2019: 28,9). Die AfD erreichte mit 15,9 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung (2019: 11) - es fiel allerdings niedriger aus als zwischenzeitliche Umfragewerte. Die SPD sackte ab auf 13,9 Prozent (15,8) - es ist ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt. Die Grünen fielen auf 11,9 Prozent (20,5). Nur leicht verlor die FDP, die auf 5,2 Prozent (5,4) kam. 

Die Linke landete bei 2,7 Prozent (5,5) - ihr schlechtestes Ergebnis bei Europawahlen. Die Partei BSW erreichte aus dem Stand 6,2 Prozent. Die Freien Wähler kamen auf 2,7 Prozent (2,2), die Partei Volt lag bei 2,6 Prozent (0,7). Bei der Europawahl in Deutschland gilt anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen keine Sperrklausel, also keine Fünf-Prozent-Hürde. Jeweils einen Sitz errangen dadurch auch die ÖDP, die Familien-Partei sowie die PdF mit jeweils 0,6 Prozent der Stimmen.

Europawahl 2024: Vorläufige Ergebnisse aus Deutschland

Alexander Budweg, ARD Berlin, tagesschau24, 10.06.2024 09:55 Uhr

Rekord bei Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag bundesweit bei 64,8 Prozent, wie die Bundeswahlleiterin mitteilte - und damit so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Schon bei der Stimmenabgabe für die Europawahl 2019 galt die damalige Beteiligung von 61,4 Prozent als Rekord. Ein höherer Wert wurde in Deutschland mit 65,7 Prozent nur 1979 erreicht, bei der ersten Europawahl, und damals nur in den westdeutschen Ländern.

Trotzdem gingen damit bei der Europawahl deutlich weniger Wählerinnen und Wähler an die Wahlurne als bei Bundestagswahlen. Bei keiner Abstimmung über den Bundestag lag die Beteiligung bei unter 70 Prozent, bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2021 lag sie bei 76,6 Prozent.

Merz fordert Kurskorrektur bei Ampel

SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnete das Wahlergebnis als "bittere Niederlage". "Es gibt nichts schönzureden", sagte er in der Berliner SPD-Zentrale. Man werde nun aufarbeiten, wie es zu diesem Ergebnis habe kommen können. "Dass Dinge anders werden müssen, ist - glaube ich - glasklar." SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert äußerte sich ähnlich. Über die Person von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebe es aber keine Diskussion zu führen, sagte er in der ARD.

CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Bundesregierung auf, schon in den nächsten Tagen ihren Kurs zu korrigieren. Das sei im Interesse des Landes dringend notwendig. Der Wahlabend sei für die Ampel vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr nun "die wirklich letzte Warnung". Die Koalition von SPD, Grünen und FDP schade Deutschland. Das gelte für die Innenpolitik, beispielsweise mit den Entscheidungen zu Migrationsfragen, aber auch für die Wirtschaftspolitik.

CSU-Chef Markus Söder sagte: "Die Ampel ist de facto von den Bürgerinnen und Bürgern abgewählt worden."

Enttäuschung bei Grünen nach Verlusten

AfD-Chef Tino Chrupalla nannte das Ergebnis seiner Partei "historisch". "Ich höre, wir sind im Osten bei dieser Wahl jetzt stärkste Kraft, mehr Rückenwind gibt's ja nicht", sagte er in Berlin mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September.

ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn, WDR, mit aktuellen Zahlen für die AfD und das BSW nach Europawahl 2024

tagesschau24, 10.06.2024 09:00 Uhr

Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang reagierte enttäuscht auf die Stimmenverluste ihrer Partei. "Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind, und wir werden das gemeinsam aufarbeiten", sagte die Co-Parteichefin in der ARD.

Die FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann betonte, dass die Partei ihr Ergebnis der letzten Europawahl in etwa gehalten habe. "Das es jetzt eine stabile fünf Prozent ist, ist eine gute Nachricht", sagte sie in der Parteizentrale in Berlin. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wich der Frage aus, ob er noch Vertrauen zum Bundeskanzler habe. "Darum geht es doch jetzt nicht", sagte Djir-Sarai in der ARD.

Wagenknecht sieht "großes Potenzial"

Linken-Parteichef Martin Schirdewan sprach von einem bitteren Abend. Es sei der Linken nicht gelungen, mit ihren Themen durchzudringen, obwohl diese an den Alltagssorgen der Menschen angedockt seien - Löhne, Mieten, die Preisentwicklung, die Umverteilung von oben nach unten, sozialer Klimaschutz und Friedenspolitik. Man habe sich gegen den Rechtsruck und gegen die Beharrungskräfte der anderen Parteien nicht durchsetzen können.

BSW-Parteigründerin Wagenknecht äußerte sich froh und erleichtert über das Abschneiden ihres Bündnisses. Es gebe "ein großes Potenzial", das sie bei folgenden Wahlen ausbauen wolle. Wagenknecht bekräftigte, dass sie eine diplomatische Initiative im Krieg Russlands gegen die Ukraine für nötig halte. "Viele Menschen machen sich Sorgen, dass der Krieg auch zu uns kommt."

Skandale bei AfD vor Wahlabend

In vielen EU-Staaten, darunter Deutschland, war bereits vor der Wahl ein Plus für rechte Parteien erwartet worden. So hatten Umfragen die AfD zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gesehen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten. Beide gerieten wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in die Schlagzeilen, im Fall Krah geht es zudem um mögliche China-Verbindungen.

Gegen Bystron wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche ermittelt. Krah, seit 2019 Europaabgeordneter, erntete zuletzt massive Kritik für verharmlosende Äußerungen über die SS, die sogenannte Schutzstaffel der Nationalsozialisten. Der Bundesvorstand der AfD forderte Krah daraufhin dazu auf, im Wahlkampf nicht mehr aufzutreten. Die rechte Fraktion ID (Identität und Demokratie) im Europaparlament schloss als Konsequenz alle deutschen AfD-Abgeordneten aus. 

Uli Hauck, ARD Berlin, tagesschau, 10.06.2024 05:25 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. Juni 2024 um 09:00 Uhr.