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Europawahl 2024

Li Andersson
Europawahl

Gegen EU-Trend Grüne und Linke legen im Norden zu

Stand: 10.06.2024 10:05 Uhr

Bei der Europawahl triumphieren in vielen Ländern rechte Parteien. Anders in Schweden und Finnland: Dort gewinnen Grüne und Linke Stimmen dazu. Rechtsaußen-Parteien sinken in der Wählergunst.

Entgegen dem EU-weiten Trend haben in den nordeuropäischen Ländern Schweden und Finnland linksgerichtete und grüne Parteien zugelegt, Rechtsaußen-Parteien haben an Zustimmung eingebüßt. In Finnland legten die Linken bei der Europawahl massiv zu. Nach Auszählung aller Stimmen steigerte das Linksbündnis seinen Anteil um 10,4 Prozentpunkte im Vergleich zur EU-Wahl 2019 und landete mit 17,3 Prozent als zweitstärkste Partei hinter den Konservativen.

Das ist der größte Zuwachs unter allen Parteien - die Linken erhalten somit drei Mandate im Parlament. "Es fühlt sich an, als wäre ich in einer Art Schock", kommentierte Parteichefin Li Andersson den Abstimmungserfolg der Linken Allianz. "Ich könnte nicht glücklicher sein."

Die konservative Sammlungspartei von Ministerpräsident Petteri Orpo blieb stärkste Kraft mit insgesamt 24,8 Prozent der Stimmen. Damit sicherte sich die Partei vier Sitze im Europäischen Parlament. Die Rechtspopulisten, denen Umfragen gute Chancen eingeräumt hatten, rutschten nach ersten Berechnungen mit 7,6 Prozent auf den sechsten Rang hinter die Grünen.

Drittstärkste Kraft wurden demnach die Sozialdemokraten mit 14,9 Prozent. Diesmal wurden 15 Abgeordnete aus Finnland in das Europäische Parlament gewählt, bei den Wahlen 2019 waren es noch 13.

Schweden: Gewinne für Grüne

In Schweden behaupteten sich die Sozialdemokraten abermals als deutlich stärkste Kraft bei den Europawahlen. Die Partei sicherte sich nach einer ersten Prognose des schwedischen Senders SVT 24,8 Prozent. Ein großes Plus verbuchen die Grünen mit mehr als 2 Prozentpunkten mehr im Vergleich zu den EU-Wahlen 2019 - sie erreichten den Angaben zufolge 13,8 Prozent und wurden drittstärkste Kraft. Das ist ein merklicher Zugewinn im Heimatland der Klimaaktivistin Greta Thunberg. Den stärksten Zugewinn konnte aber die linke Vänsterpartiet verzeichnen: Sie legte um 4,2 Punkte zu und landet bei 11 Prozent.

Zweitstärkste Kraft werden indes die konservativen "Moderaten" mit 17,6 Prozent. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten wurden nach den Grünen die viertstärkste Kraft mit 13,2 Prozent - sie verloren 2,1 Prozentpunkte im Vergleich zur vergangenen Wahl vor fünf Jahren. Schweden verfügt über 21 Sitze im Europaparlament.

Dänemark: Sozialisten gewinnen, Liberale verlieren

In Dänemark wurde laut einer Nachwahlbefragung des Senders DR die Sozialistische Volkspartei mit einem Stimmenanteil von 18,4 Prozent stärkste Kraft - 5,2 Prozentpunkte mehr als 2019. Die regierenden Sozialdemokraten errangen hingegen nur 15,4 Prozent.

Die liberale Venstre-Partei verlor deutlich an Stimmen. Die bei der Wahl 2019 stärkste Partei verlor knapp 9,4 Prozentpunkte, wie aus der ersten DR-Prognose kurz nach Schließung der Wahllokale hervorging. Somit rutschte sie zunächst auf 13,9 Prozent - sollten sich die Zahlen bestätigen, verliert die Partei somit zwei ihrer bisherigen vier Sitze im Europaparlament.

Die dänischen Rechtspopulisten der DF erreichten etwa 6,4 Prozent nach vorläufigem Ergebnis und verloren somit mehr als 4 Prozentpunkte. Gleichzeitig konnten die ebenfalls rechten, erst 2022 gegründeten Dänemarkdemokraten aus dem Stand 7,4% holen. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 58 Prozent. Dänemark hat im Europaparlament 15 Sitze.

Liberale gewinnen überraschend in der Slowakei

In der Slowakei sind die erwarteten Zugewinne der linkspopulistischen Partei von Regierungschef Robert Fico hingegen ausgeblieben. Überraschend wurde die liberale Partei Progressive Slowakei (PS) stärkste Kraft.

Die liberale PS gewann mit 27,8 Prozent der Stimmen zum zweiten Mal eine Europawahl und kam auf sechs Mandate, wie slowakische Medien noch vor Veröffentlichung des offiziellen Ergebnisses berichteten. Die Smer-SD erhielt demnach 24,8 Prozent und somit fünf Sitze im EU-Parlament.

Die rechtsextreme Republika landete mit 12,5 Prozent auf Platz drei und schickt zwei Vertreter ins EU-Parlament, zwei weitere Gruppierungen - die christdemokratische KDH und die sozialdemokratische Hlas-SD bekommen jeweils einen Sitz. Die Abstimmung hatte unter dem Eindruck des Attentats auf den Regierungschef gestanden, der Mitte Mai durch Schüsse schwer verletzt worden war.

Tusk gewinnt in Polen

In Polen gewann die liberalkonservative Bürgerkoalition von Regierungschef Donald Tusk die Europawahl. Auf Tusks Partei entfielen 37,1 Prozent, wie die von der Wahlkommission veröffentlichte Auszählung ergab. Sie kann 21 Abgeordnete ins EU-Parlament schicken.

Die größte Oppositionspartei, die nationalkonservative PiS von Jaroslaw Kaczynski, landete mit 36,2 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Sie konnte aber im Vergleich zu ersten Prognosen den Abstand zur Bürgerkoalition verringern. Die PiS wird mit 20 Abgeordneten vertreten sein. Drittstärkste Kraft wurde die rechtsradikale Konfederacja mit 12,1 Prozent, auf sie entfallen sechs Abgeordnete. 

Erfolge für Rechtsaußen-Parteien

In mehreren EU-Staaten legten vor allem Rechtsaußen-Parteien deutlich zu. In Deutschland wurde die AfD zweitstärkste Kraft hinter der Union und vor allen Parteien der Ampelkoalition im Bund.

In Frankreich errang der rechtspopulistische RN (Rassemblement National) nach Hochrechnungen sogar rund ein Drittel der Stimmen und wurde damit klar stärkste Kraft. Staatschef Emmanuel Macron löste als Konsequenz die Nationalversammlung auf und kündigte für den 30. Juni vorgezogene Neuwahlen an.

In Luxemburg schaffte die rechtskonservative Alternative Demokratische Reformpartei ADR den Sprung ins Europaparlament. Sie erhielt bei der Europawahl nach dem vorläufigen Endergebnis 11,8 Prozent der Stimmen und damit einen von insgesamt sechs Sitzen für Luxemburg. Sieger der Wahl ist die Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) von Regierungschef Luc Frieden. Sie erhielt 22,9 Prozent der Stimmen und schickt wie bisher zwei Abgeordnete in das EU-Parlament.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD in einer Sondersendung zur Europawahl am 09. Juni 2024 ab 23:20 Uhr.