Bundestagswahl 2025 Wie sicher sind Wahlen in Deutschland?
Immer wieder wird vor allem in populistischen Kreisen der Wahlvorgang angezweifelt - auch in Deutschland. Zwar offenbarten einzelne Fälle bei vergangenen Wahlen mögliche Schwachstellen, doch Experten sehen keinen Grund zur Sorge.
Das Chaos bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin, der Softwarefehler bei der Sitzverteilung oder auch die Meldungen über gefälschte Stimmzettel nach der Landtagswahl in Sachsen: Die Integrität der Wahlen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren einige Kratzer erhalten. Hinzu kommen populistische Akteure, die den Wahlvorgang und die Ergebnisse stetig anzweifeln, um das Vertrauen in das Wahlsystem insgesamt zu erschüttern.
Dabei besteht aus Sicht von Aiko Wagner, Politikwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität (FU) Berlin, kein Grund dafür, an den Wahlen in Deutschland zu zweifeln. "Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Wahlen schon sehr, sehr sicher. Wir kennen internationale Forschungsprojekte über die Integrität der Wahlen und da ist Deutschland immer im Spitzenfeld mit dabei." Insgesamt gebe es nur ganz selten Auffälligkeiten.
Deutschland erreichte auf dem Election Vulnerability Index der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Freedom House bei der vergangenen Bundestagswahl 89 von 100 Punkten und damit mehr als zum Beispiel Frankreich bei der Präsidentenwahl 2022 oder die USA bei der jüngsten Wahl im November. Auch beim Electoral Integrity Project steht Deutschland mit insgesamt 84 Punkten im weltweiten Vergleich sehr gut da.
Auch Politikwissenschaftlerin Gabriele Abels von der Universität Tübingen hält Wahlmanipulation im großen Stil in Deutschland für unwahrscheinlich. Durch die etablierten Sicherheitsmechanismen bei Wahlen sei es "eher schwer", zu manipulieren. So gelte bei der Auszählung das Mehr-Augen-Prinzip, es gebe Kontrollzählungen und Dokumentationspflichten der Wahlhelfenden.
Stimmauszählung ist öffentlich
Um Wahlfälschung zu verhindern, ist die Stimmauszählung zudem öffentlich. Das heißt, jeder Mensch hat das Recht, den ganzen Tag in einem Wahlraum anwesend zu sein und die Abläufe zu beobachten. Eine Anmeldung oder Registrierung hierfür ist nicht erforderlich. Man kann jedoch vom Wahlvorstand aus dem Wahlraum verwiesen werden, wenn man die Durchführung der Wahl stört.
Ein weiterer Grund, warum Wahlfälschung im größeren Stil kaum möglich ist in Deutschland, ist aus Sicht von Wagner die dezentrale Organisation. "Um wirklich einen spürbaren Effekt zu haben, müsste ich das nicht nur in einem Wahllokal machen, sondern am besten in vielen Wahllokalen, damit überhaupt mal ein Wahlkreis beeinflusst wird. Wir haben insgesamt aber ganze 299 Wahlkreise in Deutschland."
Wenn jetzt ein oder mehrere Wahlhelfer versuchen würden, Stimmzettel in ihrem Wahlbüro zu manipulieren, hätte dies kaum Auswirkungen auf den Wahlausgang.
Zudem ist es aus Sicht von Politikwissenschaftlerin Abels sehr unwahrscheinlich, dass Wahlhelfende dies einfach unbemerkt machen könnten. "Angesichts dessen, dass Wahlhelfende nie alleine mit den Urnen oder Stimmzetteln sind oder sein sollten - weder bei der Abstimmung noch bei der Auszählung - ist das schwer vorstellbar."
Allgemein: Alle Staatsbürger, die die allgemeinen Voraussetzungen für die Wahlberechtigung erfüllen, dürfen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Bildung oder ihrem Einkommen wählen.
Unmittelbar: Jeder Wähler und jede Wählerin wählt direkt den Kandidaten bzw. die Partei, es werden keine Wahlmänner und Wahlfrauen eingesetzt.
Frei: Jeder Wahlberechtigte darf frei wählen, es darf kein Druck auf ihn ausgeübt werden.
Gleich: Jede Stimme zählt gleich.
Geheim: Erst geheime Wahlen ermöglichen wirklich freie Wahlen: Niemand wird bei der Stimmabgabe kontrolliert.
Hohe Strafen bei Wahlbetrug
Hinzu kommt laut Wagner, dass bei Wahlfälschung hohe Strafen drohen. So heißt es im Paragraph 107a des Strafgesetzbuches: "Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Das gilt auch, wenn ein Bevollmächtigter zum Beispiel für pflegebedürftige Menschen entgegen der Wahlentscheidung oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgibt.
Unter Strafe steht ebenfalls, wenn das Ergebnis einer Wahl unrichtig verkündet wird. Zudem ist auch der Versuch von Wahlfälschung strafbar.
"Das sind schon sehr hohe Hürden", sagt Wagner. Vor allem, da es einzelnen Menschen nur möglich sei, vielleicht 100 Stimmen zu manipulieren. "Der maximale Nutzen ist relativ gering, um zu riskieren, ins Gefängnis zu müssen."
Zudem kann in Deutschland jeder Wahlberechtigte Einspruch gegen eine Wahl beim Bundestag einlegen. Bei einer Bundestagswahl entscheidet dann der Bundestag über die Einsprüche und ob sie gerechtfertigt sind. Ist ein Wahlberechtigter mit der Entscheidung nicht zufrieden, kann er noch Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.
Gefährdet Briefwahl die Wahlgrundsätze?
Mit Blick auf die Gewährleistung einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl, wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist, sehen die Experten die Briefwahl am kritischsten. "Bei der Briefwahl ist der Grundsatz einer geheimen Wahl nicht wirklich gegeben", sagt Wagner. Denn wenn man die Briefwahlunterlagen zu Hause ausfüllt, können theoretisch auch andere Menschen kontrollieren, was man ausfüllt. "Und dann ist auch die freie Wahl nicht mehr gewährleistet."
Das sieht auch Abels so. Denn bei der Briefwahl könne "weniger gut garantiert werden, dass die Person selber den Wahlzettel ausgefüllt hat oder - sofern sie dabei Assistenz braucht - kontrollieren kann, wie er ausgefüllt wird". Auch Briefträger könnten Wahlunterlagen laut Abels unterschlagen und vernichten, etwa in Hochburgen von Parteien.
Allerdings hält Wagner die Gefahr einer gezielten Manipulation durch die Briefwahl für sehr gering. "Dann müsste ja jemand die Briefe öffnen, womit sie schon mal ungültig würden. Dann müsste er prüfen, ob das Stimmen für eine bestimmte Partei sind und die dann gesondert wegwerfen. Und wenn es eine Stimme für eine andere Partei ist, müsste er die Briefwahlunterlagen wieder heimlich so zukleben, dass es nicht auffällt." Das Ausmaß an krimineller Energie und der Aufwand, der betrieben werden müsse, sei sehr hoch bei geringem Nutzen.
Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand teilte auf eine frühere Anfrage mit, dass die Briefwahl genauso demokratisch legitimiert und genauso sicher sei wie die Urnenwahl im Wahllokal. Und: Das Bundesverfassungsgericht habe die Briefwahl in mehreren Entscheidungen für verfassungsgemäß erklärt. Außerdem verhandele, berate und entscheide der Briefwahlvorstand öffentlich. Daher habe jedermann vom Zeitpunkt des Zusammentritts des Briefwahlvorstands - also schon wenn dieser die Wahlbriefe öffnet - das Recht, anwesend zu sein.
"Gutes Gespür in der Bevölkerung"
Insgesamt hält Wagner die Befürchtungen eines möglichen Wahlbetrugs in Deutschland für unbegründet. "Natürlich kann man das nicht ausschließen, aber es ist immer eine Frage von Beweislast. Solange wir keine Beweise dafür haben, müssen wir davon ausgehen, dass es nicht passiert."
Zudem seien die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sehr wachsam, was den Wahlvorgang angehe, so Wagner. "Viele haben ein waches Auge und können auch richtig einschätzen, ob ein Wahlprozess gut gelaufen ist oder nicht." Das sei nicht zuletzt nach dem Chaos in einigen Wahlbezirken in Berlin bei der Bundestagswahl 2021 deutlich geworden, bei denen die Wahrnehmung der Integrität der Wahl deutlich geringer gewesen sei auf Seiten der Bevölkerung. "Die Bevölkerung nimmt das schon wahr, ob eine Wahl richtig abgelaufen ist oder nicht."