Russische Desinformationskampagne Doppelgänger - gekommen und geblieben
Das Fälschen von Webseiten renommierter Nachrichtenquellen gehört zu den perfidesten Methoden der Desinformation. Zwar gab es Erfolge bei der Eindämmung - das Problem ist jedoch noch lange nicht behoben, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Seit der russischen Invasion in der Ukraine 2020 lässt sich eine verdeckte Desinformationskampagne beobachten, die sich sogenannter Doppelgänger-Seiten bedient. Diese kopieren das Layout renommierter Medienportale, um darauf Propaganda oder Falschformationen zu veröffentlichen.
Waren diese Webseiten anfangs eher krude Nachahmungen, wurde die Qualität im Laufe der Monate immer besser, sodass sie für viele oft auf sozialen Netzwerken durch bezahlte Anzeigen beworben werden. Durch die "SDAleaks" konnte ein Großteil dieser Seiten zu einem russischen Unternehmen zurückverfolgt werden, welche diese Inhalte im Auftrag der Regierung veröffentlicht.
Erste Erfolge, aber kein Sieg
Es gab immer wieder Maßnahmen, die Verbreitung dieser gefälschten Inhalte einzudämmen. So konnten jüngst die Links zu einem Großteil dieser Seiten abgeschaltet werden. Bei ihnen wurde zur Verschleierung der Fälschungen ausgerechnet ein ukrainischer Anbieter eingesetzt, wie das Rechercheportal Correctiv berichtet. Dieser stellte seine Dienste ein, nachdem er über die oft Ukraine-feindlichen Inhalte der Fake-Seiten informiert wurde.
Thematische Grundlinie unverändert
Trotzdem ist die russische Kampagne weiterhin im deutschsprachigen Raum aktiv, wie die aktuelle Studie "Fortsetzung folgt: Die prorussische Desinformationskampagne Doppelgänger in Deutschland" des CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie) zeigt.
Obwohl es in den vergangenen Monaten zahlreiche politische und gesellschaftliche Anlässe gab, die als Aufhänger für Desinformation über Doppelgängerinhalte genutzt werden können, wurde dabei diese Möglichkeit überraschend wenig wahrgenommen.
Eine thematische Erweiterung oder Neuorientierung sei bei den Fälschungen kaum zu erkennen, sagt Lea Frühwirth, Psychologin und Mitautorin der Studie, gegenüber dem ARD-faktenfinder. "Die Grundmotive wie die Diskreditierung der Ukraine und der deutschen Regierung sowie das Schüren sozialer Ängste sind weitgehend unverändert." Nur vereinzelt seien Anlässe wie zum Beispiel das Ende der Ampelkoalition als Motiv aufgegriffen worden.
Die Diskreditierung der Ukraine und das Schüren sozialer Abstiegsängste sind weiterhin Grundthemen der Desinformationskampagne.
Plattformen weiterhin wenig aktiv
Nach wie vor werden irreführende prorussische Inhalte über kopierte oder eigene digitale Medienportale veröffentlicht, deren Inhalte in erster Linie über Facebook und X beworben werden, heißt es in der Studie. Das soziale Netzwerk X, ehemals Twitter, gehört offenbar zu den bevorzugten Plattformen der Verbreitung solcher Fälschungen.
Laut der Studie werden dort viele unterschiedliche Accounts mit unterschiedlichen Funktionen eingesetzt. Eine Gruppe veröffentlicht neue Beiträge, die von einer anderen dann weiterverbreitet wird.
Beschwerden dagegen bleiben oft ergebnislos, wie auch der "Bild"-Redakteur Julian Röpcke auf X beklagt:
X als Fake-News-Schleuder
In der CeMAS-Studie heißt es ebenfalls, X reagiere trotz gemeldeter Kampagnen und bereits eröffnetem Prüfverfahren nach dem Digital Services Act (DSA) nicht ausreichend konsequent. Oft sind Beiträge, die auf gefälschte Seiten verweisen, als Werbung gekennzeichnet, was beweist, dass X an deren Verbreitung direkt verdient.
X-Besitzer Elon Musk, Mitglied der designierten US-Regierung, hatte zudem erklärt, sich nicht an europäisches Recht gebunden zu fühlen. Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance drohte mit einem NATO-Austritt für den Fall, dass die Europäische Union gegen X vorgeht.
Keine Linie bei der Plattform erkennbar
Ob die Plattform X als Verbreitungsweg für Falschinformationen an Bedeutung zugenommen hat, sei schwer zu sagen, meint Expertin Frühwirth. "Die meiste Kommunikation findet im Verborgenen statt, und muss erstmal aufgedeckt werden. Auch bei intensiver Beobachtung wird man kaum alle Falschmeldungen identifizieren", so Frühwirth.
Allerdings sei die Reaktion der Plattform auf Meldungen inkonsistent: Nachdem im September eine Meldung an X über Doppelgänger-Beiträge erstattet wurde, wurden die involvierten Accounts unterschiedlich behandelt: Manche wurden komplett gesperrt, andere temporär. Teilweise wurden nur die Beiträge gelöscht, in einigen Fällen erfolgte vorerst keine sichtbare Handlung. Erst mehrere Wochen später vereinheitlichte sich das Bild und alle Konten waren gesperrt.
Während in diesem Fall, wenn auch verspätet, gehandelt worden sei, passiere in anderen, ähnlich gelagerten Meldungen solcher Doppelgänger-Posts überhaupt nichts. "X geht bemerkenswert inkonsequent und schon gar nicht proaktiv gegen solche Desinformationen vor", erklärt Frühwirth.
Das habe CeMAS selbst feststellen müssen: So seien die im Juli von der Organisation und dem Counter Disinformation Network (CDN) an X gemeldeten Desinformationsbeiträge zum großen Teil noch online, während solche, über die die Plattform im September informiert wurde, nun zum großen Teil gelöscht wurden - wenn auch zum Teil mit mehreren Wochen Verzögerung.
Über die Gründe könne man nur spekulieren, meint die Expertin. Dass die Moderations- und Überwachungsteams von X nach der Übernahme von X durch Musk massiv zusammengestrichen wurden, könnte eine Ursache sein, ebenso dessen radikale Auslegung der Meinungsfreiheit.