Grenzkontrollen zu Tschechien und Tirol Jeder Zweite wird abgewiesen
Am ersten Werktag der Grenzkontrollen zu Tschechien und Tirol ist es zu kilometerlangen Staus gekommen. Jedem Zweiten wurde die Einreise nach Deutschland verweigert. Die Bundesregierung verteidigte die umstrittene Maßnahme.
Die Bundespolizei hat an den Grenzen zu Tschechien und Österreich bis zum Vormittag rund 10.000 Menschen kontrolliert. Etwa der Hälfte von ihnen wurde nach Angaben des Bundesinnenministeriums die Einreise verweigert. Vor allem an den Grenzübergängen zu Tschechien sorgten Berufspendler und Lkw-Fahrer für kilometerlange Staus.
Auf der Autobahn E55/D8 Prag-Dresden stauten sich die Lastwagen nach Polizeiangaben 25 Kilometer bis nach Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) zurück. Bereits am frühen Morgen mussten Einreisende zwischen dem Grenzübergang Breitenau-Schönwald und Bahretal mehr als eine Stunde warten, im Tagesverlauf mehrere Stunden. Nicht viel besser als an der Grenze zu Sachsen sah die Situation an der Grenze zu Bayern aus.
Warten bei Eiseskälte
In Tschechien ließ die Polizei Lastwagen aus Sicherheitsgründen nur blockweise in mehrere kilometerlange Tunnel fahren, damit die Fahrzeuge nicht in der Röhre stehen mussten. Auf der E50/D5 in Richtung Nürnberg bildete sich vorübergehend eine mehr als 20 Kilometer lange Lkw-Kolonne. Bis zum Mittag entspannte sich die Lage hier etwas. Doch ein liegengebliebenes Fahrzeug sorgte zusätzlich für Behinderungen.
Die tschechische Feuerwehr richtete an einer Autobahn-Tankstelle eine mobile Corona-Teststelle ein. Rund ein Viertel der Lkw-Fahrer habe nicht den erforderlichen Testnachweis dabeigehabt, sagte Feuerwehr-Sprecher Lukas Marvan. Mit manchen Fahrern vom Balkan sei die Kommunikation zudem schwierig, weil sie nicht einmal Englisch sprechen würden. Auf das Ergebnis der Tests müssten die Kraftfahrer bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt rund 15 Minuten warten, bevor sie bei einem negativen Resultat weiterfahren könnten.
Entspannung an der Grenze zu Tirol
Am zentralen Grenzübergang von Tirol nach Bayern herrschte hingegen ruhiger Verkehr. Die Bundespolizei habe aber bereits zahlreiche Einreisende zurückweisen müssen, sagte der Sprecher der Bundespolizei-Inspektion Rosenheim, Rainer Scharf. Zudem hätten einige, die zur Einreise nach den neuen Regeln berechtigt waren, nicht das vorgeschriebene negative Testergebnis dabeigehabt. Der Test könne an der Grenze in einem Testzentrum nachgeholt werden, der Betreffende bekomme aber dennoch eine Anzeige wegen Verstoßes gegen die Corona-Einreiseregeln.
Insgesamt warteten am Übergang Kiefersfelden am Vormittag laut Scharf etwa ein Dutzend Autos und ebenso viele Lastwagen auf ihre Abfertigung. "Die Verkehrssituation ist recht entspannt." Nach den neuen Vorgaben dürfen aus weiten Teilen Tirols in Österreich sowie aus Tschechien und nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte und Gesundheitspersonal einreisen. Ausnahmen gibt es auch aus familiären Gründen.
Laut Scharf wurden auch Menschen durchgelassen, die mit ihrem Arbeitsvertrag ihre Beschäftigung in einem systemrelevanten Bereich nachweisen konnten. Diese Erweiterung der Regelung hatten Bund und Freistaat am Sonntag bekannt gegeben. Laut Scharf zählten dazu etwa Beschäftigte in der Arzneimittel- und Medizinproduktion, Mitarbeiter von Berufsfeuerwehren oder Sicherheitsdiensten oder Beschäftigte in öffentlichen Einrichtungen. Von Mittwoch an müssen diese Berufspendler eine behördliche Bescheinigung vorlegen.
Personenverkehr eingestellt, Gütertransporte fahren
Die neuen Einreiseregeln haben auch Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Die Bahn stellte nach dem Fernverkehr auch den Nahverkehr ein. Damit fahren die Regionalzüge zwischen Garmisch und Innsbruck beziehungsweise Reutte in Tirol nicht mehr. Auch die Verbindung zwischen Kempten und Reutte wird eingestellt. Nach Tschechien gilt dies für die Strecken von Rumburk nach Decin und Nürnberg nach Cheb. Dass die ICE- beziehungsweise EC-Verbindungen zwischen München und Verona sowie Hamburg und Prag nicht mehr fahren, hatte die Bahn bereits vergangene Woche angekündigt.
Die Gütertransporte hingegen fahren noch ohne große Probleme. "Die ersten Züge konnten gestern und heute problemlos die Grenzen passieren", teilte der Staatskonzern mit. Die Tatsache, dass ein Güterzug mit nur einem Lokführer die Fracht von rund 52 Lkw transportieren könne, mache die Bahnlogistik robust.
Kein Stillstand bei deutschen Autobauern
Die Autoindustrie fürchtet, dass Werke stillstehen könnten. Noch ist es aber nicht soweit. Die bayerischen Autobauer BMW und Audi haben bisher keine größeren Probleme. "Unsere Werke sind derzeit versorgt und produzieren planmäßig", teilte BMW mit. Ein Audi-Sprecher erklärte: "Wir produzieren aktuell ohne Einschränkungen, beobachten die Lage und die weitere Entwicklung." Ähnlich die Lage bei Volkswagen. "Noch gibt es an unseren Standorten keine Einschränkungen, aber wir beobachten das natürlich weiter", so ein Konzernsprecher. "Stand heute laufen alle unsere deutschen Standorte, auch die in Sachsen."
Die Bundesregierung verteidigte die Grenzkontrollen und Einreiseverbote im Südosten. Mit Blick auf die Ausbreitung der Virusvarianten in einigen Regionen und Staaten Europas "musste die Bundesregierung hier handeln", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Rückkehr zum Normalzustand der offenen Grenzen sei dennoch im Interesse aller Beteiligten.
Saarland schließt Grenzkontrollen zu Frankreich nicht aus
An den Grenzen zu Frankreich und Luxemburg gibt es aktuell noch keine verschärften Grenzkontrollen, der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hält das aber bei entsprechender Ausbreitung der gefährlicheren Coronavirusvarianten für möglich. "Je nachdem wie sich diese Varianten nun auch bei unseren grenzüberschreitenden Nachbarn ausbreiten, können auch wir strengere Kontrollen der Menschen, die sich über die Grenze bewegen, nicht ausschließen", sagte Hans in einer Regierungserklärung vor dem Landtag.
Er betonte zugleich, dass Berufspendler ungeachtet möglicher verschärfter Kontrollen weiterhin zur Arbeit fahren können. "Auf keinen Fall aber werden wir den grenzüberschreitenden Berufspendlern neue Erschwernisse zumuten."