DeutschlandTrend Jedem Zweiten reicht Klimapaket nicht
Das Klimapaket hält knapp jeder Zweite für nicht ausreichend. Das zeigt der DeutschlandTrend. Eine CO2-Abgabe auf Treibstoff sehen viele kritisch. Ein weiteres Thema: die Türkei und der Flüchtlingsdeal.
Das Flüchtlingsabkommen, das die EU mit der Türkei geschlossen hat, gibt es schon seit dreieinhalb Jahren - doch durch den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien bekommt es aktuelle Brisanz. Nach dem sogenannten Flüchtlingsdeal versucht die Türkei, Flüchtlinge von der Weiterreise in die EU abzuhalten. Im Gegenzug zahlen europäische Länder Geld für die Flüchtlingsversorgung in der Türkei und nehmen ihr eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen ab.
Bei diesem Abkommen zwischen der EU und der Türkei sind die Deutschen geteilter Meinung: 48 Prozent finden es eher gut. 45 Prozent finden es eher schlecht. Das hat eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend ergeben. Die Bürger wurden vor Beginn des türkischen Militäreinsatzes in Nordsyrien befragt.
Die Türkei beanstandet seit Längerem, dass die EU ihren Verpflichtungen aus diesem Abkommen nicht nachkäme. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte in Aussicht gestellt, zusätzliche Mittel für die Türkei mit der neuen EU-Kommission zu besprechen. Die Bürger sehen dies jedoch mehrheitlich kritisch: 54 Prozent meinen, die EU sollte der Türkei keine zusätzliche Unterstützung anbieten. Nur 35 Prozent befürworten eine solche zusätzliche Unterstützung.
Mehrheit für Seehofer-Initiative
Der Bundesinnenminister hatte Italien zugesagt, ein Viertel der im Mittelmeer aus Seenot geretteten Flüchtlinge aufzunehmen. Darum ging es auch am Dienstag beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg.
Eine Mehrheit der Bürger unterstützt in dieser Angelegenheit den deutschen Kurs: 58 Prozent halten es für eher richtig, dass Deutschland künftig einen festen Anteil der im Mittelmeer geretteten Migranten aufnehmen will. 39 Prozent halten das für eher falsch. Anhänger von Union, SPD, Grünen und Linkspartei befürworten die feste Aufnahmequote mit breiter Mehrheit. Die FDP-Anhänger sind in dieser Frage gespalten. Bei den AfD-Anhängern sind 84 Prozent dagegen.
Mit der Arbeit von Seehofer sind 39 Prozent der Deutschen sehr zufrieden, beziehungsweise zufrieden. Dies entspricht einem Plus von neun Prozentpunkten gegenüber der Befragung im September und ist für Seehofer der beste Wert seit Juni 2018. 56 Prozent sind mit seiner Arbeit aktuell weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden.
Jeder Zweite hält Klimapaket für nicht ausreichend
Die Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket für einen besseren Umwelt- und Klimaschutz beschlossen. Wenn man das Paket insgesamt betrachtet, finden 49 Prozent der Bürger, dass die darin angekündigten Maßnahmen nicht weit genug gehen. 30 Prozent halten sie für angemessen; für 15 Prozent gehen die Maßnahmen zu weit.
Einzelne Maßnahmen des Klimapakets werden dabei durchaus unterschiedlich - und auch positiver - bewertet: 92 Prozent finden, dass günstigere Bahnfahrten im Fernverkehr in die richtige Richtung gehen. Höhere Steuern auf Flugreisen befürworten grundsätzlich 69 Prozent, eine staatliche Abwrackprämie für alte Ölheizungen 68 Prozent. Eine höhere Pendlerpauschale geht für 54 Prozent in die richtige Richtung.
Viele sehen CO2-Abgabe kritisch
Zwei Maßnahmen werden allerdings mehrheitlich kritisch gesehen: Dass es eine höhere staatliche Kaufprämie für Elektroautos geben soll, lehnen 53 Prozent der Bürger ab. Und die Einführung einer CO2-Abgabe auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas - ein Kernstück des Klimapakets - geht für 57 Prozent in die falsche Richtung.
Noch deutlicher wird die Ablehnung, wenn man auf einzelne Einkommensgruppen schaut: Von den Menschen mit einem monatlichen Netto-Haushaltseinkommen unter 1500 Euro meinen 69 Prozent, dass die CO2-Abgabe in die falsche Richtung geht.
Mehrheit für Verbote
Die Frage, ob diese Maßnahmen ein Anreiz zu Verhaltensänderungen sind, lässt sich nicht eindeutig beantworten: 51 Prozent sehen darin eher keinen Anreiz, sich in ihrem Alltag klimaschonender fortzubewegen. Für 47 Prozent sind die Maßnahmen des Klimapakets eher ein Anreiz zur Verhaltensänderung bei der eigenen Mobilität.
Eine Mehrheit der Deutschen findet, der Staat dürfe beim Klimaschutz auch Verbote aussprechen. 57 Prozent stimmen der Aussage zu, der Staat habe die Aufgabe, Bürgern und Unternehmen besonders klimaschädliches Verhalten zu verbieten.
41 Prozent halten diese Aussage für falsch. Zugleich hat eine Mehrheit der Deutschen (61 Prozent) keine Sorge, sich zukünftig für den Klimaschutz im Alltag einschränken zu sollen. 38 Prozent geben an, sie hätten diese Sorge.
Mehrheit hat kein Verständnis für Klimaschutz-Aktionen
Generell ist die Sensibilität der Deutschen für den Handlungsbedarf beim Klimaschutz ungebrochen: 81 Prozent der Befragten halten ihn für sehr groß oder groß. Dies entspricht dem jüngsten Vergleichswert aus dem Mai. Generationenübergreifend gibt es in dieser Frage eine deutliche Zustimmung.
Allerdings gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, um seinen Standpunkt beim Klimaschutz zur Geltung zu bringen. Verschiedene Aktionen, die von den Protestierenden als "ziviler Ungehorsam" bezeichnet werden, stoßen bei den Deutschen auf wenig Akzeptanz.
Dass Schüler nicht zur Schule gehen, um zu demonstrieren, wie von der "Fridays for Future"-Bewegung praktiziert, halten 63 Prozent der Befragten für nicht gerechtfertigt; 35 Prozent halten das für gerechtfertigt. Eine mehrheitliche Zustimmung für diese Aktion gibt es lediglich unter Parteianhängern der Grünen und der Linken.
Für drei Viertel (76 Prozent) der Befragten ist es nicht gerechtfertigt, Straßen und Verkehr zweitweise zu blockieren. Für ein Viertel der Befragten (24 Prozent) ist es gerechtfertigt. Auf diese Weise protestiert in dieser Woche die Gruppe "Extinction Rebellion" in verschiedenen Metropolen weltweit, unter anderem in Berlin.
Genauso viele Bürger (76 Prozent) lehnen es ab, wenn Fabriken, Industrieanlagen oder Ämter vorübergehend besetzt werden. Nur 21 Prozent der Deutschen halten dies für gerechtfertigt.
Wenig Bewegung bei der Sonntagsfrage
In der aktuellen Sonntagsfrage bleibt die Union stärkste Kraft. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würden 28 Prozent der Deutschen der CDU/CSU ihre Stimme geben - ein Punkt mehr als im Vormonat. SPD und AfD verlieren jeweils einen Punkt und kommen auf 13 beziehungsweise 14 Prozent. Die FDP bleibt wie im Vormonat bei 7 Prozent. Die Linkspartei und die Grünen gewinnen jeweils einen Punkt hinzu und landen bei 8 und 24 Prozent.
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 60:40)
Disproportionaler Ansatz (West/Ost 70:30)
Erhebungsverfahren: Telefoninterviews (CATI)***
Fallzahl: 1004 Befragte
Erhebungszeitraum: 07. bis 08. Oktober 2019
Sonntagsfrage:
Fallzahl: 1504 Befragte
Erhebungszeitraum: 07. bis 09. Oktober 2019
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen;
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Durchführendes Institut: Infratest dimap
* bei einem Anteilswert von fünf Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
*** Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird deshalb keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.