Das Wappen Brandenburgs am Rednerpult im Plenarsaal des Brandenburger Landtages.
ARD-Vorwahlumfrage

Brandenburg SPD holt AfD in Umfrage fast ein

Stand: 12.09.2024 18:00 Uhr

Zehn Tage vor der Wahl in Brandenburg kann die SPD die AfD in der ARD-Vorwahlumfrage fast einholen - während Grüne und Linke um den Einzug in den Landtag bangen müssen. Jeder Zweite würde SPD-Ministerpräsident Woidke im Amt behalten.

Die dritte ostdeutsche Landtagswahl in diesem September ist vor allem für die Kanzlerpartei SPD von großer Bedeutung. Anders als in Thüringen und Sachsen verteidigt sie in Brandenburg das Amt des Ministerpräsidenten - das sie seit der Wiedervereinigung besetzt: Manfred Stolpe (1990 - 2002), Matthias Platzeck (2002 - 2013) und jetzt Dietmar Woidke.

Seit August 2013 ist Woidke Ministerpräsident, doch seitdem verlor die SPD stetig an Zustimmung: 2019 erreichte sie mit 26,2 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Brandenburg. Seitdem regiert Rot-Schwarz-Grün - eine Kenia-Koalition.

AfD auf Rang eins, SPD knapp dahinter

Zehn Tage vor der Landtagswahl käme die SPD in der Sonntagsfrage aktuell auf 26 Prozent. Damit legt sie gegenüber der Vorwoche noch einmal um 3 Prozentpunkte zu und schließt zur AfD auf. Die käme aktuell unverändert zur Vorwoche auf 27 Prozent (Landtagswahl 2019: 23,5 Prozent) und wäre damit knapp stärkste Kraft.

Die an der Landesregierung beteiligte CDU liegt zurzeit bei 16 Prozent (-2 im Vergleich zur Vorwoche) und damit etwa auf dem Niveau der Landtagswahl 2019 (15,6 Prozent). Die Grünen - ebenfalls Teil der Kenia-Koalition - kämen momentan auf 4,5 Prozent (-0,5 im Vergleich zur Vorwoche; Landtagswahl 2019: 10,8 Prozent) und lägen damit knapp unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Gleiches gilt für die Linke, die 4 Prozent erreicht (+/-0 im Vergleich zur Vorwoche; Landtagswahl 2019: 10,7 Prozent) sowie für die Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler, die aktuell auf 4,5 Prozent kämen (+1,5 im Vergleich zur Vorwoche; Landtagswahl 2019: 5,0 Prozent).

Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht kommt in der Sonntagsfrage auf 13 Prozent (-2 im Vergleich zur Vorwoche). Auf alle anderen Parteien entfallen derzeit 5 Prozent - darunter auch die FDP (Landtagswahl 2019: 4,1 Prozent). Einzeln ausgewiesen werden in der Sonntagsfrage alle Parteien, die mindestens 3 Prozent erreichen.

Keine Prognose, sondern aktuelle politische Stimmung

Bei dieser Umfrage handelt es sich ausdrücklich um keine Prognose, sondern um die politische Stimmung in der laufenden Woche. Rückschlüsse auf den Wahlausgang sind nur bedingt möglich, da sich viele Wählerinnen und Wähler erst kurzfristig vor einer Wahl festlegen. Eine große Bedeutung hat zudem die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählerinnen und Wählern.

Vor einem Jahr - im September 2023 - stand die AfD im BrandenburgTrend mit 32 Prozent noch ganze 12 Punkte vor der SPD, die seinerzeit auf 20 Prozent kam. Bis Juli 2024 konnte die SPD den Rückstand auf 4 Punkte verkürzen. Möglich war das aber nur, weil die AfD in Umfragen verlor und nur noch bei 23 Prozent stand, während die SPD bei 19 Prozent lag.

Seither aber konnte die Partei von Dietmar Woidke zulegen: auf 23 Prozent vor einer Woche und nun 26 Prozent zehn Tage vor der Wahl. Es scheint, als könnte das Kalkül von Woidke aufgehen: Er hatte am 1. August zum Wahlkampfauftakt sein politisches Schicksal an einen Sieg der SPD bei der Landtagswahl geknüpft: "Mein Ziel ist es, gegen die AfD zu gewinnen - und wenn ich gegen die AfD verliere, bin ich weg." Dies hat er zuletzt bekräftigt: Im Falle eines Wahlsieges der AfD würde er zwar als Abgeordneter in den Landtag einziehen, wenn er seinen Wahlkreis gewinnt, allerdings nicht mehr für ein Regierungsamt zur Verfügung stehen.

Mehrheit zufrieden mit Woidke als Ministerpräsident

Eine Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger (56 Prozent) hält Woidke für einen guten Ministerpräsidenten (+/-0 im Vgl. zu April 2023). Jeder Vierte (25 Prozent) hält ihn für keinen guten Ministerpräsidenten (+/-0). Dabei überzeugt Woidke neben den eigenen Anhängern (94 Prozent) auch eine Mehrheit der CDU-Anhänger (60 Prozent) und jeden zweiten BSW-Anhänger (50 Prozent). Bei den AfD-Anhängern hält jeder Vierte (24 Prozent) Woidke für einen guten Ministerpräsidenten und eine Mehrheit (58 Prozent) für keinen guten Ministerpräsidenten.

Wenn man den Ministerpräsidenten in Brandenburg direkt wählen könnte, so würde sich jeder Zweite (50 Prozent) für den amtierenden Ministerpräsidenten Woidke entscheiden. Jeweils 9 Prozent sprechen sich für Hans-Christoph Berndt (AfD) beziehungsweise Jan Redmann (CDU) aus. Jeder Dritte (32 Prozent) antwortet mit "weiß nicht" beziehungsweise macht keine Angabe. Dabei sprechen sich nicht nur SPD-Anhänger in dieser Frage fast vollständig (94 Prozent) für Woidke aus. Auch fast jeder zweite CDU-Anhänger (46 Prozent) würde sich für den SPD-Mann entscheiden - mehr als für den eigenen Kandidaten Jan Redmann (31 Prozent); 4 Prozent der CDU-Anhänger würden für Hans-Christoph Berndt von der AfD votieren.

Bei den AfD-Anhängern würde sich gut jeder Dritte (36 Prozent) im Falle einer Direktwahl für den eigenen Kandidaten Berndt entscheiden, der 2020 den Fraktionsvorsitz von Andreas Kalbitz übernommen hat und vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. 13 Prozent der AfD-Anhänger sprechen sich für SPD-Mann Woidke aus und 7 Prozent für CDU-Kandidat Redmann; fast jeder zweite AfD-Anhänger (44 Prozent) antwortet in dieser Frage mit "weiß nicht" oder macht keine Angabe.

Mit der Arbeit der aktuellen Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen sind 45 Prozent der Wahlberechtigten sehr zufrieden oder zufrieden (+3 im Vgl. zu Juli). Jeder Zweite (50 Prozent) ist damit weniger oder gar nicht zufrieden (-2). Der Wunsch nach einer Fortsetzung sozialdemokratischer Landesregierungen überwiegt in Brandenburg: 40 Prozent sprechen sich auch für die kommenden fünf Jahre für eine SPD-geführte Regierung aus. 24 Prozent hingegen wünschen sich ein Kabinett unter CDU-Führung; 20 Prozent eines unter AfD-Führung.

Besonderheit im brandenburgischen Wahlrecht

Bei der Frage, welche Koalitionen nach der Wahl möglich sind und ob für eine Mehrheit im Parlament womöglich zwei Parteien genügen oder es eine dritte braucht, kommt es in Brandenburg auch auf die sogenannte Grundmandatsklausel an. Demnach können Parteien in Fraktionsstärke in den Landtag einziehen, wenn sie zwar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, aber mindestens ein Direktmandat erzielen.

Die Grünen dürften dabei vor allem auf die Landeshauptstadt Potsdam schielen, wo ihre parlamentarische Fraktions-Geschäftsführerin Marie Schäffer 2019 knapp den Wahlkreis Potsdam I gewann - übrigens vor der heutigen Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD. Die BVB/Freie Wähler gewannen bei der Wahl 2019 in Person ihres Spitzenkandidaten Péter Vida ebenfalls einen Wahlkreis (Barnim II) direkt.

Die Linkspartei holte 2019 zwar kein Direktmandat, aber auch für sie könnte die Grundmandatsklausel eine Art Plan B darstellen. Sollte die Linke am Ende den Einzug in den Landtag verpassen, dann wäre dies eine Premiere bei einer Landtagswahl in den ostdeutschen Bundesländern seit der Wiedervereinigung.

Untersuchungsanlage

Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Brandenburg (ab 16 Jahren)
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 09. bis 11. September 2024
Fallzahl: 1.513 Befragte (888 Telefoninterviews und 625 Online-Interviews)
Gewichtung: Nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite:
2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: Infratest dimap


Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 12. September 2024 um 19:01 Uhr.