ARD-DeutschlandTrend Jeder Dritte will Menschenmassen meiden
Nach den Silvester-Übergriffen von Köln will knapp jeder dritte Deutsche Menschenansammlungen meiden. Außerdem im ARD-DeutschlandTrend: Wachsende Angst vor Terroranschlägen, sinkende Zustimmung zur Obergrenze - und eine Arbeitsministerin im Stimmungshoch.
Nach den Übergriffen am Silvesterabend in Köln und anderen Städten wollen die Deutschen zum Teil ihr Verhalten ändern: 30 Prozent geben an, dass sie angesichts dieser Ereignisse größere Menschenansammlungen meiden wollen. Bei den befragten Frauen haben das sogar 37 Prozent vor - bei den Männern sind es 21 Prozent. Das hat eine Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend ergeben.
Eine Ausweitung der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen als Reaktion auf die Ereignisse befürworten 82 Prozent der Befragten, 17 Prozent lehnen eine solche Ausweitung ab.
Obwohl Kritik am Verhalten der Kölner Polizei geäußert wurde, vertrauen die Menschen nach wie den deutschen Ordnungshütern im Allgemeinen: 77 Prozent der Befragten gaben am Mittwoch an, großes bzw. sehr großes Vertrauen in die Polizei zu haben - zu Wochenbeginn waren es 79 Prozent.
Obergrenze verliert an Zustimmung
In der Flüchtlingspolitik werden zurzeit viele Maßnahmen diskutiert. Die CSU fordert seit Monaten eine feste nationale Obergrenze für die Aufnahme von Migranten. Eine Mehrheit von 61 Prozent befürwortet die Einführung einer solchen Obergrenze, das sind elf Punkte weniger als im Dezember. 36 Prozent der Befragten lehnen eine solche Maßnahme ab.
Bei einem anderen Vorschlag der CSU liegen die Meinungen dichter beieinander: 51 Prozent halten es für richtig, Flüchtlingen ohne gültige Ausweispapiere die Einreise zu verweigern, 44 Prozent halten das nicht für richtig. Mehr Zustimmung erhält mit 75 Prozent die Idee, ein Gesetz einzuführen, das Zuwanderer auf deutsche Grundwerte verpflichtet, das sind zwei Prozentpunkte mehr als im Vormonat.
Auf europäischer Ebene gehen immer mehr Staaten dazu über, ihre Außengrenzen systematisch zu kontrollieren, wie es jetzt Schweden vorübergehend anordnete. Eine solche Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen den EU-Ländern hält eine Mehrheit von 57 Prozent der Befragten für richtig (12 Prozentpunkte mehr als im September 2015).
Angst vor Terroranschlägen wächst
Nach den Terrorwarnungen in München fürchten 68 Prozent der Menschen, dass es in nächster Zeit auch Anschläge in Deutschland geben wird; das sind sieben Prozentpunkte mehr als im Vormonat. 29 Prozent fürchten dies nicht (-9).
Dementsprechend hoch ist die Zustimmung zu Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Terrorismus aktuell diskutiert werden: 70 Prozent befürworten eine grundsätzliche Verschärfung der Überwachungsmaßnahmen. Nach Meinung von 87 Prozent der Befragten sollte Personen, die im Ausland für eine Terrormiliz gekämpft haben und die noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden. 88 Prozent halten es für richtig, gewaltbereiten Islamisten bei einem konkreten Anschlagsverdacht für eine bestimmte Zeit die Annäherung an größere Veranstaltungen zu verbieten.
Schäuble, Steinmeier, Merkel, Nahles ...
Auf Platz eins der Liste der beliebtesten Politiker liegt Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 72 Prozent Zustimmung (-3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat). Ihm folgt Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit 71 Prozent Zustimmung (+3). Es folgt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich weiter von ihrem Tief erholt: 58 Prozent sind mit ihrer Arbeit zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden (+4). Arbeitsministerin Andrea Nahles erreicht mit 47 Prozent (+8) Zustimmung ihren bisher höchsten Wert im ARD-DeutschlandTrend. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kommt auf 45 Prozent Zustimmung (-1). Innenminister Thomas de Maizière erreicht 43 Prozent Zustimmung (-2), der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer 43 Prozent (+3) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 42 Prozent (-3).
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, dann käme die Union auf 39 Prozent, zwei Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Die SPD verschlechtert sich um einen Prozentpunkt auf 24 Prozent. Die Linke und die Grünen bleiben stabil bei acht beziehungsweise elf Prozent. Auch die FDP verändert sich nicht und landet bei vier Prozent. Die Alternative für Deutschland (AfD) verliert einen Prozentpunkt und erreicht neun Prozent.
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetzt-/Mobilfunknummern 70:30)
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)***
Fallzahl: 1004 Befragte
Fragen zur Wirtschaftslage/ Grundstimmung in Deutschland/ EU-Grenzkontrollen: je ca. 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 05. Januar 2016
Sonntagsfrage: 1.504 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 06. Januar 2016
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Zusatzfragen: 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 06. Januar 2016
Fehlertoleranz: 1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
*bei einem Anteilswert von 5 Prozent **bei einem Anteilswert von 50 Prozent
*** Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund 3 Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa 1 Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird deshalb keine Partei unter 3 Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.