Aufstellung der EU-Kommission Von der Leyens Drahtseilakt
Ab heute führt Ursula von der Leyen Gespräche mit den 23 Kandidaten für die neue EU-Kommission. Dabei geht es um Qualifikationen und darum, ihre Versprechen einzuhalten.
Die Aufstellung der künftigen EU-Kommission ist wie ein kompliziertes Puzzle. Und deren Präsidentin Ursula von der Leyen muss es zusammensetzen. Dabei will sie auch ihr selbstgestecktes Ziel erreichen - ihr Team soll zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestehen.
An diesem Versprechen wird sich Ursula von der Leyen messen lassen müssen. Doch ob sie es einhalten kann, ist noch nicht klar. Die Sprecherin der EU-Kommission, Mina Andreeva, erklärte gestern:
Sie arbeitet hart daran, das Ziel zu erreichen. Aber ob dieses Ziel erreicht wird, hängt auch von den Mitgliedsstaaten ab, weil sie die Kandidaten entsenden.
Trotz der inoffiziellen Vorgabe an die Mitgliedstaaten, bis gestern Kandidaten zu nominieren, fehlen noch Vorschläge. Etwa aus Italien, das derzeit in einer Regierungskrise steckt. Etliche andere Namen wurden in den vergangenen Tagen und Wochen dagegen bereits bekannt, weil Mitgliedsländer sie bei der Nominierung veröffentlicht haben. Und demnach sieht es derzeit nach einem leichten Männerüberschuss aus. Doch dabei muss es nicht bleiben.
Von der Leyen hat das letzte Wort
Bei der EU-Kommission jedenfalls hält man sich bei Fragen zum aktuellen Frauenanteil und den Namen generell bedeckt. Und verweist darauf, dass Ursula von der Leyen das Recht hat, Nominierte zurückzuweisen - wenn sie diese etwa nicht für geeignet hält:
Nicht jeder vorgeschlagene Kandidat wird am Ende Teil des Teams der künftigen Präsidentin, das sie dann der Öffentlichkeit und dem Europaparlament vorstellt.
Fest steht momentan, dass neben Ursula von der Leyen künftig 26 weitere Mitglieder zur EU-Kommission gehören werden - die austrittswilligen Briten wollen keinen Kandidaten nominieren. Und fest steht auch, dass der neue EU-Außenbeauftragte, der Spanier Josep Borrell, in der neuen Kommission gesetzt ist. Genau wie die Dänin Margrethe Vestager und der Niederländer Frans Timmermanns, die beide selbst gerne Chef der Brüsseler Behörde geworden wären.
Konfliktpotenzial bei den Zuständigkeiten
Mit den 23 Bewerberinnen und Bewerbern wird Ursula von der Leyen von heute an Gespräche führen. Ihre Aufgabe ist es auch, jeder Kommissarin und jedem Kommissar einen Zuständigkeits-Bereich zu geben. Manche Ressorts haben mehr Prestige und Einfluss als andere. Und manche Länder haben schon klare Ansprüche formuliert. Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht daher Konfliktpotential:
Bei ihrer knappen Wahl, so weiß man, hat es aber auch Versprechungen gegenüber einzelnen Mitgliedsstaaten wie Polen gegeben, dass sie wichtige Portfolios bekommen. Das heißt, von der Leyen muss es jetzt hinbekommen mit den Vorschlägen die sie aus den Mitgliedstaaten bekommen hat, im Grunde genommen ein Portfolio zusammenzustellen, wo die Kandidatinnen und Kandidaten zum einen qualifiziert sind, aber auch die verschiedenen Mitgliedstaaten in ihren Ansprüchen zufrieden gestellt werden. Und das ist ein sehr schwieriger Kompromiss.
Und dann gilt es für Ursula von der Leyen auch noch, die Zustimmung des Europäischen Parlaments für ihr Team zu bekommen. Im September müssen sich die Kandidatinnen und Kandidaten ausführlichen Anhörungen in Fachausschüssen stellen. Im Oktober muss das Parlament dann die Kommission als Ganzes billigen. Es habe in dem Prozess eine starke Rolle, meint Nicolai von Ondarza:
Seit 2004 hat das Europäische Parlament jeweils mindestens einen der Kandidatinnen und Kandidaten zurückgewiesen und dann den jeweiligen Mitgliedsstaat plus Kommissionspräsident dazu gezwungen, jemand neues zu nominieren. Da erwarte ich durchaus, dass es dann noch sehr intensive Anhörungen im Parlament gibt.
Am 1. November soll die neue Kommission ihre Arbeit aufnehmen. Genau einen Tag, nachdem die Briten die EU verlassen haben wollen.