Kriegsverbrechen in der Ukraine Die schwierige Suche nach den Tätern
Das Massaker von Butscha, Angriffe auf fliehende Zivilisten oder die Infrastruktur. Deutsche Behörden ermitteln seit Monaten zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Doch die Identifikation von Tätern ist schwierig.
Deutsche Ermittlungsbehörden haben mehr als hundert Zeugen zu mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine verhört. Das Massaker und die Vergewaltigungen in Butscha, Angriffe auf fliehende Zivilisten und Angriffe auf zivile Infrastruktur seien gut belegt, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank bei einer Veranstaltung der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin.
Es seien aber noch keine konkreten Täter ermittelt worden. "Man muss irgendwie in das Geschehen hineinblicken. Sie brauchen Insider-Wissen", sagte Frank. "Das ist echt schwierig." Bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe ist dafür eine neue Abteilung für Völkerstrafrechtsermittlungen in der Ukraine eingerichtet worden.
Ermittlungen nach Weltrechtsprinzip
Wenn Kriegsverbrechen im Ausland verübt wurden und Opfer und Täter Ausländer sind, können deutsche Ermittlungsbehörden und Gerichte nach dem Weltrechtsprinzip tätig werden. Die Generalbundesanwaltschaft führt ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren, in dem konkrete Taten in der Ukraine aufgedeckt und bewiesen werden sollen. Um einzelne Personen anklagen zu können, müssen Täter mit Namen bekannt sein.
Dass es noch keine sogenannten Personenermittlungsverfahren gibt, erklärt Frank mit der "speziellen Komplexität" von weit entfernten, oft schwer überschaubaren Tatorten. Man wisse nicht, wer genau in einem Panzer gesessen habe, aus dem Kriegsverbrechen begangen wurden. Es nütze auch nichts, den Namen eines Zugführers zu kennen, wenn ihm nicht nachgewiesen werden kann, dass er Kriegsverbrechen befohlen oder in Kauf genommen habe. Auch im Falle des Kriegs in Syrien habe es Jahre gedauert, bis einzelne Täter in Deutschland belangt werden konnten.
Krieg selbst nicht anklagbar
Vor einem Jahr wurde ein international abgestimmter Fragebogen an Flüchtlinge aus der Ukraine verteilt, um Hinweise auf Kriegsverbrechen zu sammeln. Viele Flüchtlinge konnten aber nur allgemeine Angaben machen und waren nicht unmittelbare Zeugen von Taten. Ertragreicher waren Hinweise aus der Presse, von Nichtregierungsorganisationen und Zeugen, die sich selbst bei Ermittlungsbehörden gemeldet haben. Der Bürgermeister von Butscha wurde in Deutschland vernommen sowie ein Deutscher, der in der Ukraine gekämpft hatte.
Außer dem deutschen Generalbundesanwalt ermitteln Strafverfolger in anderen europäischen Staaten nach dem Weltrechtsprinzip. Frank hob Belgien, die Niederlande und Schweden hervor. Beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wurde vor zwei Monaten Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgestellt. Seine Verantwortung für völkerrechtswidrige Verschleppung von Kindern aus der Ukraine sei gut dokumentiert, sagte der deutsche Generalbundesanwalt Frank. Der Angriffskrieg selbst sei in Den Haag aus rechtlichen Gründen nicht anklagbar.