Empfehlung von Expertengremium Warum die Steuererhöhung bei Fleisch umstritten ist
Die Zukunftskommission Landwirtschaft plädiert für eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch. Auch der Bauernverband ist Teil des Gremiums - doch von dem kommt nun Gegenwind. Heute lädt Kanzler Scholz zum Gespräch.
Mehr Tierwohl im Stall, das wünschen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Wie sich das finanzieren lässt, darum ringen Politik, Bauernverbände und Tierschützer seit langem. Die Lage ist verzwickt. Wie verzwickt, das zeigt die Debatte um den Vorschlag einer Expertengruppe, die Mehrwertsteuer auf Fleisch zu erhöhen.
Damit die Landwirte mehr Tierwohl im Stall umsetzen können, brauchen sie Geld. Denn für deutlich mehr Platz im Stall oder einen Zugang nach draußen müssen Ställe umgebaut oder gar neu gebaut werden. Mehrere Vorschläge werden diskutiert.
Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat sich jetzt positioniert. Sie unterstützt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch - von jetzt sieben Prozent auf dann 19 Prozent. Das geht aus einem Eckpunktepapier vor, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Konkret würde das zum Beispiel bei einer Packung Bratwürste für vier Euro einen Aufschlag von knapp 45 Cent bedeuten.
Gegenwind vom Bauernverband
Die Experten schreiben aber auch, dass diese Erhöhung stufenweise geschehen könnte, da gerade am Anfang nicht so viel Geld für den Umbau der Tierhaltung nötig sei und der Finanzierungsbedarf erst langsam ansteige. Um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten, könnte sich die Expertengruppe auch eine "umfassendere Mehrwertsteuerreform" vorstellen, "in der auch die Steuersätze auf bestimmte Produkte reduziert werden könnten". Zum Beispiel auf Gemüse und Getreideprodukte, die dann günstiger werden.
Aber schon kurz nach Bekanntwerden des Eckpunktepapiers kommt Gegenwind vom Deutschen Bauernverband. "Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab", sagt Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. Er will, dass das Geld für den Tierwohlumbau aus dem Bundeshaushalt kommt. Das wären mehrere Milliarden im Jahr. Dass die Bundesregierung auf diese Forderung eingeht, ist in der angespannten Haushaltslage illusorisch.
Der Bauernverband ist Mitglied in der Zukunftskommission Landwirtschaft, ein Vertreter saß auch in der Arbeitsgruppe zum Tierwohlumbau. Der Präsident des Naturschutzrings, Kai Niebert, der ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe war, betont, dass es einen Konsens gab: "Der heißt, erst brauchen wir die Sicherheit für die Landwirtinnen und Landwirte, dass der Umbau langfristig abgesichert ist. Und dann müssen wir für die Refinanzierung im Bundeshaushalt sorgen."
Özdemir ist offen für höhere Mehrwertsteuer
Die Hauptforderung ist also, dass die Bundesregierung langfristige Verträge mit den Landwirten schließen soll und ihnen eine Tierwohlprämie zahlt. "Es braucht Verträge nicht über sieben Jahre, sondern über zwanzig Jahre", sagt Niebert. Trotzdem bleibt die Frage, woher das Geld dafür kommen soll.
Laut Eckpunktepapier unterstützt die Expertengruppe dabei die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die sei am einfachsten umzusetzen. Anders als eine neue Fleischsteuer muss die Mehrwertsteuer nicht erst eingeführt werden. Sie müsste nur angepasst werden.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zeigt sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch offen. "Voraussetzung ist aber, dass dieser Weg auch von der deutschen Landwirtschaft unterstützt wird", so der Grünenpolitiker.
Genervt scheint Özdemir allerdings davon zu sein, dass der Bauernverband sowohl eine Mehrwertsteuererhöhung als auch die Einführung eines sogenannten Tierwohlcents ablehnt. "Was nicht geht, ist, jeden machbaren Vorschlag abzulehnen und keine konsensfähige Alternative vorzulegen", so der Grünen-Politiker.
Gespräch im Kanzleramt
Ursprünglich wollte der Bundeslandwirtschaftsminister einen sogenannten Tierwohlcent einführen und hatte dafür auch schon ein Konzept erarbeiten lassen. Ähnlich wie bei der Kaffeesteuer hätten Verbraucher danach einige Cent je Kilo Fleisch mehr bezahlen sollen. Seither liegt das Papier beim für Steuern zuständigen Finanzministerium und findet dort eher wenig Beachtung, denn die FDP rund um Finanzminister Christian Lindner lehnt die Einführung einer zusätzlichen Fleischsteuer als zu bürokratisch ab.
Heute sind die Mitglieder der Zukunftskommission Landwirtschaft zu einem Gespräch im Kanzleramt eingeladen. Konkrete Ergebnisse sind von dem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz nicht zu erwarten, denn noch ist das Eckpunktepapier nicht komplett fertig. Aber dafür müssen zunächst alle Mitglieder, also auch der Bauernverband, dem Papier zustimmen. Es bleibt also verzwickt.