"Jahr der Nachricht 2024" Wie Jugendliche nachrichtenfit gemacht werden
Fake News erkennen und das Journalistenhandwerk verstehen: Das Bildungsnetzwerk "UseTheNews" hat im "Jahr der Nachricht" 43 Newscamps für Jugendliche veranstaltet. Der Geschäftsführer zieht eine positive Bilanz.
"Ich fand es Klasse, dass man mal rauskommt aus dem Unterricht. Ich bin so der Typ, der eher praktisch lernt, als die ganze Zeit am Pult zu sitzen. Das war wichtig und hat Spaß gemacht", sagt Jan Glauser aus der 11. Klasse der Berliner Mildred-Harnack-Schule.
Im September war er zusammen mit rund 100 seiner Mitschüler in einem Newscamp im Kommunikationsmuseum in Berlin. In Workshops ging es darum, was hinter Begriffen wie Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung steckt, wie Journalisten Nachrichten in Zeitung, Radio, Fernsehen und auch in die Sozialen Medien bringen und wie sich Fake News erkennen lassen.
Besonders Letzteres hat Jan Glauser gepackt, wird er doch als gelegentlicher Tik Tok- Nutzer, als der er sich bezeichnet, häufig damit konfrontiert. "Ich schaue jetzt genauer hin, auch weil ich keine Lust habe, auf den Arm genommen zu werden", fasst der 16-Jährige zusammen.
Nachrichtenkompetenz bei jungen Menschen stärken
Genauer hinschauen, Interesse wecken, Kompetenzen entwickeln, wie Journalismus funktioniert. Das war das Ziel des Projektes "Jahr der Nachricht 2024". Organisiert hat es die Initiative "#UseTheNews", die es seit 2020 gibt.
Das Projekt wurde unter anderem initiiert von der Nachrichtenagentur dpa, öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, Verlagshäusern wie dem "Spiegel" und der Bundeszentrale für politische Bildung. Ein breites Netzwerk von Partnern aus Medien, Bildung und Wissenschaft, das die Nachrichtenkompetenz bei jungen Menschen stärken und Journalisten und Lehrkräften Instrumente dafür an die Hand geben soll.
"Nachrichten- und Informationskompetenz ist gleich Demokratiekompetenz", so fasst Meinolf Ellers, Geschäftsführer der UseTheNews gGmbH, das Anliegen zusammen. Dem habe auch die Kampagne "Jahr der Nachricht 2024" gedient.
Die Projektleiterin des "Jahrs der Nachricht", Vanessa Bitter, und UseTheNews-Geschäftsführer Meinolf Ellers ziehen eine positive Bilanz.
"Nachrichten, die stimmen, statt Stimmung machen" war der Slogan der Kampagne, speziell mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler. Ursprünglich sollte es 16 Newscamps in jedem Bundesland geben, daraus wurden 43 mit mehr als 4.000 Teilnehmenden, berichtet Ellers.
"Die Newscamps haben sich als die tollsten Formate überhaupt erwiesen", so der Geschäftsführer weiter. "Weil wir gemerkt haben, wenn Jugendliche außerhalb der Schule spielerisch mit dem Thema Journalismus und Nachrichten in Kontakt kommen, dann können wir die richtig entzünden, da haben die richtig Bock drauf."
Junge Menschen in sozialen Medien erreichen
Auch ein Schwerpunkt im "Jahr der Nachricht" war der Umgang mit den sozialen Medien. Dabei sollte nicht nur die Kompetenzentwicklung im Fokus stehen, sondern auch die Aufklärung, wie soziale Netzwerke funktionieren - ihre algorithmischen Empfehlungssysteme zum Beispiel oder wie sie sich und auch Journalismus finanzieren, sagt die Medienwissenschaftlerin Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung.
Nach ihren Erkenntnissen sind die meisten Jugendlichen in den sozialen Medien unterwegs, um sich zu unterhalten. Um sie für mehr als etwa lustige Videos zu interessieren, müssen diese Themen - etwa zur aktuellen weltpolitischen Lage - so aufbereitet werden, dass sie auch für den Alltag der jungen Menschen relevant sind und einen Bezug zu ihrer Lebenswelt herstellen.
Ein anderer wichtiger Punkt sei, "dass die Inhalte plattformgerecht aufbereitet werden müssen", so Wunderlich. Instagram, TikTok und YouTube, die funktionierten alle unterschiedlich. "So gibt es etwa bei TikTok die Besonderheit, dass es sich da um Kurzvideos handelt und sich wirklich in den ersten Sekunden entscheidet, schaue ich mir das Video an oder wische ich einfach weiter."
Zielgruppengerecht erzählen
Nachrichten so erzählen, dass Jugendliche begreifen, was es mit ihrem Leben zu tun hat - mit dieser Aufgabe haben sich im "Jahr der Nachricht" zehn junge Journalistinnen, Journalisten und Social Media Content Creator beschäftigt. Jeden Tag sollten sie am "Social News Desk" ein Thema auf Social-Media-Kanälen wie TikTok und Instagram zielgruppengerecht erzählen.
So war die Gruppe im Februar auch zu Gast bei der tagesschau in Hamburg. Ihr Thema war der Krieg in der Ukraine. Die Nachwuchsjournalisten erhielten einen Einblick in das ARD-Netzwerk, konnten unter anderem ein Interview mit dem ARD-Korrespondenten Vassili Golod führen und Erfahrungen austauschen.
"Wir konnten weitergeben, wie es uns als tagesschau bereits gelingt, auf Social Media junge Menschen mit News zu erreichen", sagt Isabella David-Zagratzki, Leiterin der Social-Media-Redaktion der tagesschau. "Von den Kolleginnen und Kollegen des Social News Desks konnten wir wiederum lernen, wie die Ansprechhaltung abseits einer Traditionsmarke noch viel stärker auf junge Zielgruppen ausgerichtet werden kann."
Mehr Praxis für die Jugendlichen
Mehr Newscamps und Modellprojekte an Schulen, bei denen sich Jugendliche in Zusammenarbeit mit lokalen Medien ausprobieren können, Themen in ihrem Umfeld finden, recherchieren und die Ergebnisse als Beiträge in die sozialen Medien bringen: Das kündigte "#UseTheNews"-Geschäftsführer Ellers für das kommende Jahr an.
Seine Vision: Bis 2030 soll allen Schülerinnen und Schülern ein Unterrichtsangebot gemacht werden zur Vermittlung von Nachrichten- und Informationskompetenz. Wie, das sollten die Länder selbst entscheiden, schließlich liege die Bildung in ihrer Verantwortung. Materialien und Anleitungen gebe es bereits reichlich, meint Ellers und verweist auf die beiden Ausgaben des Whitepapers "Fit für die Demokratie". Eine Version richte sich an Journalisten, die andere an Lehrkräfte.
Ronald Klein ist Englisch-, Deutsch- und Theaterlehrer an der Berliner Mildred-Harnack-Schule und war mit seinen Elftklässlern im Newscamp dabei. Er kann mit der Vision von "#UseTheNews" gut leben. Einen Partner hat seine Schule bereits mit der Zeitung Berliner Morgenpost.
"Wir lernen ja nur über die Praxis. Einfach nur rezeptiv News zu analysieren und darüber zu sprechen, das ist weniger interessant, als das wirklich selbst zu erproben", sagt der Lehrer. Vielleicht klappe es ja im nächsten Jahr mit einem Workshop oder Modellprojekt auch an seiner Schule.