Unsicherheitsgefühl wächst Private Sicherheitsdienste boomen
Das Sicherheitsgefühl der Deutschen nimmt nicht erst seit dem Messerangriff von Solingen ab. Private Sicherheitsdienste boomen. Doch was können sie leisten?
Das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen ist nach der Berlinale das größte Filmfest der Republik - und lockt tausende Filmbegeisterte auf die Parkinsel am Rhein. Wer will, kann dort in idyllischer Atmosphäre unter freiem Himmel mit Blick auf den Fluss genießen oder einen Blick auf seinen Lieblingsschauspieler auf dem roten Teppich erhaschen.
Nach dem Messerangriff von Solingen hat der Veranstalter die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Das Sicherheitspersonal wurde aufgestockt, Taschen und Rücksäcke werden an den Eingängen kontrolliert. "Wir wollen das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen befriedigen", sagt der Intendant des Festivals, Michael Kötz. Er verweist gleichzeitig darauf, dass es schon seit Jahren ein umfassendes Sicherheitskonzept gibt.
Unsicherheitsgefühl wächst laut ARD-DeutschlandTrend
So wie das Festival in Ludwigshafen verschärfen bundesweit große und kleine Volksfeste, Jahrmärkte und Kulturevents ihre Sicherheitsvorkehrungen. Die Nervosität ist groß. Doch nicht erst seit dem islamistischen Terrorangriff von Solingen nimmt das Sicherheitsgefühl der Deutschen ab. Im ARD-DeutschlandTrend sagten im Juli 40 Prozent der Befragten, sie fühlten sich unsicher oder sogar sehr unsicher.
Das führt auch dazu, dass private Sicherheitsdienste gefragt sind wie nie, sagt die Sprecherin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW), Silke Zöller: "Die Branche boomt."
Etwa 5.000 private Sicherheitsfirmen
Der Trend zeige sich schon seit einigen Jahren. "2015, als so viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, gab es einen massiven Anstieg der Nachfrage, dann kam Corona, die gesellschaftliche Stimmung wurde noch rauer und private Sicherheitsdienste wurden noch gefragter", erklärt die Sprecherin des Bundesverbands.
Bundesweit gebe es Schätzungen zufolge etwa 5.000 private Sicherheitsfirmen. Das Personal bewache Behörden, Asylbewerberheime, Firmengebäude, Abifeiern, Clubs und immer öfter auch kleinere private Feste.
"Alle haben Aufträge ohne Ende"
"Ich habe gedacht, ich höre nicht richtig, als mich kürzlich ein Kunde fragte, ob wir den 18. Geburtstag seines Sohnes betreuen können", erzählt Mike Schnur. Er leitet eine Sicherheitsfirma, die in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen tätig ist.
Sein Unternehmen "Securaguard - Deluxe Security" beschäftigt etwa 70 Mitarbeiter und platzt aus allen Nähten. Und so wie ihm geht es vielen Kollegen aus der Branche, berichtet Schnur: "Alle haben Aufträge ohne Ende."
Mehr Schulungen für Sicherheitspersonal
Schnurs Mitarbeiter sind auch in Asylbewerberheimen in Ludwigshafen, kontrollieren den Eingang und sollen für Ruhe sorgen, wenn es Ärger gibt. "Bisher hatten wir da kaum Probleme", erzählt Schnur. Doch der Anschlag von Solingen habe seine Mitarbeiter erschüttert. Die Tat habe seinem Team noch einmal vor Augen geführt, wie gefährlich ihr Job sein könne.
Schnur hat deshalb kurzfristig beschlossen, seinen Mitarbeitern Selbstverteidigungskurse zu organisieren. Er will, dass sie sich im Falle eines Angriffs richtig verteidigen können. Und betont gleichzeitig, dass er von seinen Männern nicht erwartet, dass sie sich in die direkte Auseinandersetzung begeben: "Wenn einer ein Messer zieht, dann sage ich meinen Jungs: Rennt weg! Das ist Aufgabe der Polizei."
Was Security-Personal darf
Das Personal von Sicherheitsfirmen darf grundsätzlich nicht mehr als jeder Bürger auch. Sie haben sogenanntes "Jedermannsrecht". Das heißt: Jeder Bürger darf einen mutmaßlichen Täter auf frischer Tat auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festnehmen, so steht es in der Strafprozessordnung. Auch zur Selbsthilfe ist es zulässig, einen Tatverdächtigen festzuhalten. Das darf auch gegen den Widerstand des Verdächtigten geschehen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig da ist und Fluchtgefahr besteht.
Was sie dürfen und was nicht, lernen die künftigen Security-Mitarbeiter in Kursen, die oft nur eine Woche dauern. Ein Selbstverteidigungskurs ist nicht verpflichtend. Der Einsatz von Pfefferspray ist im Rahmen der Notwehr allgemein jedem Bürger erlaubt, also auch Mitarbeitern von Sicherheitsfirmen, allerdings wird es von den Dienstleistern oder sogar den Auftraggebern häufig verboten.
"Die Gefahr eines unverhältnismäßigen Einsatzes und einer Eskalation der Lage ist bei Pfefferspray immer groß", erläutert dazu die Sprecherin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft, Sabine Zöller.
Forderung nach besserer Ausbildung für Security-Dienste
Sabine Funk beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Sicherheit von Großveranstaltungen. Sie leitet ein Unternehmen, das Veranstalter, Behörden und andere Organisationen, die mit großen Menschenmengen zu tun haben, berät. Ihre Firma bietet zum Beispiel Seminare zum Thema Crowdmanagement an und begleitet auch Forschungsprojekte. Mithilfe von Simulationen wurde wissenschaftlich untersucht, wie "Personenführungen" zum Beispiel in U-Bahnhöfen oder in Stadien optimiert werden können.
Funk findet, dass Sicherheitskräfte im Kontext von Großveranstaltungen oder im Umgang mit großen Menschenmengen in der Regel nicht ausreichend ausgebildet sind. Und dass auch die Arbeitsbedingungen häufig schlecht sind. "Nehmen Sie das Thema Taschenkontrolle - in ganz vielen Fällen werden Rucksäcke am Eingang von Veranstaltungsorten viel zu oberflächlich angeschaut."
Das könne an Zeitdruck liegen, an fehlender Unterweisung oder auch an zu langen Einsatzzeiten: "Es steht und fällt auch mit der Motivation der Leute", sagt Funk. "Und wenn die schon 14 Stunden im Dienst sind, dann winken sie eher mal jemanden durch."
Keine absolute Sicherheit für Veranstaltungen
Die Sicherheitsexpertin sagt, schwere Straftaten wie der Messerangriff von Solingen ließen sich durch Sicherheitspersonal ohnehin nur schwer verhindern. Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten müssten gut geschult sein, um Gefährdungen dieser Art in großen Menschenmengen rechtzeitig erkennen zu können. "Man muss wissen, wie man Tatverdächtige frühzeitig bemerkt, wie und an wen man einen solchen Verdacht kommuniziert - aber zum Beispiel auch Deeskalationstechniken beherrschen", so Funk.
"Für diesen Job brauchen wir die besten Kräfte", meint sie. Umso wichtiger seien verbindliche Qualifizierungen. Der Bedarf sei enorm und werde in den kommenden Jahren weiter steigen.