Smartphone mit den Apps verschiedener öffentlich-rechtlicher Sender
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Länder planen Regeln für ARD und ZDF Textangebote im Netz sollen eingeschränkt werden

Stand: 23.10.2024 08:55 Uhr

Wie viel Text dürfen öffentlich-rechtliche Sender online veröffentlichen? Die Ministerpräsidenten beraten über einen Reformentwurf, der enge Regeln vorsieht. Für tagesschau.de, sportschau.de und andere Angebote wären die Auswirkungen massiv.

Von Mandy Mülling, NDR, Redaktion ZAPP

Private Zeitungsverleger, organisiert im Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), kämpfen seit Jahren gegen die in ihren Augen stetig wachsende Zahl von Texten in den Online-Angeboten vor allem einiger ARD-Anstalten. Es geht um den Begriff der Presseähnlichkeit. Die ist den Sendern durch den geltenden Medienstaatsvertrag verboten.

Der BDZV kritisiert die "presseähnlichen Texte" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als beitragsfinanzierte Konkurrenz. "Diese Angebote erschweren und verhindern in Teilen den Verkauf von digitalen und gedruckten Presseprodukten. Sie schaden damit der Medienvielfalt", so der BDZV gegenüber dem NDR-Medienmagazin ZAPP. Gerade Regionalzeitungen beklagen einen unfairen Wettbewerb. Der BDZV hat nach eigenen Angaben deshalb bereits bei der EU-Kommission Beschwerde eingereicht. 

Kein "online first" möglich

Der von der Rundfunkkommission der Länder vorgelegte Entwurf des "Reformstaatsvertrags" reagiert darauf. Während Texte in der bisher geltenden Fassung des Staatsvertrags "nicht im Vordergrund stehen" dürfen, sieht der Reformentwurf nur noch "sendungsbegleitende Texte" vor. Wann ein solcher Sendungsbezug für einen Text bestehen kann, wird in dem Reformentwurf wesentlich enger definiert als bislang. Danach müsste alles, was von ARD und ZDF im Netz als Text erscheint, zuvor in einer eigenen Sendung gelaufen sein. Oder umgekehrt: Erst wenn eine Sendung über ein Thema berichtet hat, dürfte online darüber in Textform berichtet werden.

Audio oder Video zu produzieren, ist deutlich zeitaufwendiger. "Das führt zu Verzögerungen, die man in der digitalen Nachrichtenwelt niemandem mehr erklären kann", so Wolfhard Kahler, der Redaktionsleiter von hessenschau.de in seinem eigenen Programm. Er warnt, dass die Reform viele Beiträge verzögern oder verhindern würde und den gesetzlichen Auftrag gefährde.

WDR-Intendant Tom Buhrow nennt als Beispiel im WDR5-Morgenecho das von seinem Sender verantwortete Portal sportschau.de. "Wenn die Nachricht 'Klopp geht zu Red Bull' kommt, gibt es noch keine Sendung, auf die wir Bezug nehmen können. Aber die Leute wollen doch sofort wissen, was steckt dahinter." Die schnellste Verbreitung - per Text - wäre dann aber nicht möglich. Eine "drastische Beschränkung" für die Nutzer, so Buhrow. Als Möglichkeit für die Textberichterstattung in solchen Fällen werden in den Erläuterungen zum Reformentwurf lediglich "Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen" genannt, ohne hier die Textlänge zu konkretisieren

Hinzu kommt: Nicht für alle Themen sind Audio und Video die beste Form. Faktenchecks etwa funktionierten oft am besten als Text, erklärt Gudrun Riedl, die Redaktionsleiterin von BR24 digital. Sollte dies nicht mehr möglich sein, wäre das das Gegenteil von dem, was in Zeiten von Verunsicherung und Desinformation nötig sei.

Massive Folgen für tagesschau.de

Einschneidend vor allem für gemeinschaftliche Programmangebote wie tagesschau.de und sportschau.de wäre die Regelung, dass der Sendungsbezug nur noch "zu einer eigenen Sendung" hergestellt werden dürfte. Das heißt: tagesschau.de könnte sich nicht mehr darauf beziehen, was beispielsweise ARD-Hörfunkkorrespondenten in einer Radiowelle berichten oder was bei MDR aktuell Thema war, sondern nur noch darauf, was in den eigenen Ausgaben von tagesschau oder tagesthemen ober bei tagesschau24 gesendet wurde. Das würde das Angebot massiv einschränken - sowohl bei der Vielfalt der Themen als auch bei der Schnelligkeit.

Studie zeigt geringe Zahlungsbereitschaft

Natürlich bieten auch viele Verlage im Netz schnellen Zugang zu seriösen Informationen. Doch noch immer ist nur eine Minderheit offenbar bereit, für solche Angebote zu zahlen - lediglich 13 Prozent der Befragten hierzulande, so der Reuters Digital News Report 2024 und die deutsche Teilstudie des Leibniz-Instituts für Medienforschung.

Der BDZV sieht es dennoch als Chance für die Verlage, wenn die beitragsfinanzierten Sender auf ausführliche Texte verzichten würden.

"Presseähnlichkeit als Kriterium überholt"?

"Wäre die These der Zeitungsverleger zutreffend, müssten Zuschauer, die sich den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschließen, in signifikant größerem Umfang Zeitungen lesen. Dies kann aber gerade nicht belegt werden", heißt es dazu in der vom ZDF veröffentlichten Stellungnahme zum Rundfunkreformstaatsvertrag.

Das ZDF betont zurecht, sein Onlineangebot sei audiovisuell und bisher nicht von Verlegern kritisiert worden. Die neuen Regelungen würden das Nachrichtenangebot jedoch stark einschränken, da im digitalen Zeitalter alle Medien multimedial arbeiten. "Presseähnlichkeit als Kriterium sei daher überholt", so das ZDF gegenüber ZAPP.

Selbstverpflichtung als Ausweg?

Um den gesetzlichen Einschränkungen noch zu entgehen, hatte zuletzt der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke eine "Selbstverpflichtung" von ARD, ZDF und Deutschlandradio ins Spiel gebracht. Unter anderem soll demnach die Bezugsgröße bei der Frage, ob etwas presseähnlich ist, nicht mehr das Gesamtangebot sein, sondern jedes einzelne Angebot, also jede einzelne App.

Zudem, so der Vorschlag, könnten Rundfunkanstalten und Verleger stärker kooperieren, etwa indem die Sender auf Inhalte der Verlage verlinken, wenn sie Zeitungsthemen aufgreifen. Auch könnten Fristen verkürzt werden, innerhalb derer Textangebote unter Bezug auf eine ausgestrahlte Sendung veröffentlicht werden dürfen. Kooperationsoptionen hatte auch das ZDF schon formuliert.

Verleger fordern gesetzliche Regelung

Der BDZV hält davon nichts und besteht auf Regeln durch den Gesetzgeber. Der Vorsitzende des Verlegerverbands, Matthias Ditzen-Blanke, sagte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Das Problem des von uns nachgewiesenen Wettbewerbseingriffs durch öffentlich-rechtliche Textangebote mit erheblicher negativer Wirkung für die Presse muss rechtsfest und darum gesetzlich gelöst werden." Der Verband ergänzt: "Eine Selbstverpflichtung kann das nicht ersetzen. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren haben leider auch gezeigt, dass mit unverbindlichen, freiwilligen Regelungen keine nachhaltige Verbesserung der Situation zu erreichen war."

"Wir haben sehr scharfe Formulierungen zur Anhörung gestellt", so die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD). Sie sei aber zuversichtlich einen Kompromiss zwischen Sendern und Zeitungsverlegern zu erreichen. "Manchmal muss man eine scharfe Formulierung finden, damit sich an anderer Stelle etwas bewegt", sagt sie im Talk "Mitreden! Deutschland diskutiert" der ARD-Inforadios.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in den Informationen am MIttag am 23. Oktober 2024 um 12:10 Uhr.