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tagesthemen-Interview "Der Anfang einer Abwärtsspirale"

Stand: 22.10.2023 20:08 Uhr

Der Angriff auf Israel habe ihn geschockt, sagt Salman Rushdie im tagesthemen-Interview. Es sei der Anfang einer Abwärtsspirale. Zuvor war der Schriftsteller mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden.

Salman Rushdie kämpft seit Jahren für die Meinungsfreiheit. Auch nach Todesdrohungen und einem gewaltsamen Angriff gegen ihn, stellt sich der britisch-indische Schriftsteller immer wieder gegen Fanatismus und Hass.

Andere Meinungen zuzulassen sei "schwierig, aber notwendig", sagte er im Interview mit den tagesthemen. "Wenn man nur Meinungen unterstützt, die mit der eigenen übereinstimmen oder die einem egal sind, dann stützt man nicht wirklich die Meinungsfreiheit." Demokratie lasse viele verschiedene Stimmen zu - das unterscheide sie von autoritären Regimen.

Der Angriff der Hamas auf Israel sei für ihn ein Schock gewesen, sagte Rushdie. Das sei mit Worten nicht auszudrücken. "Das war der Anfang einer Abwärtsspirale." Man müsse sich jetzt wirklich Sorgen machen, wie viele Unschuldige noch sterben werden, so der 76-Jährige.

Auch wenn Israel selbst von einem langen Prozess spreche, hoffe er, dass der Krieg bald ende. "Es sterben Unschuldige und man kann nur hoffen, dass dieses Sterben eingedämmt wird. Dazu muss das so schnell wie möglich beendet werden."

"Zunächst einmal ist es eine große Ehre für mich",

tagesthemen, 22.10.2023 22:45 Uhr

Messerattacke im August 2022

Im August 2022 überlebte Rushdie nur knapp eine Messerattacke gegen ihn. Er ist seitdem auf einem Auge blind. Wegen seines Romans "Die satanischen Verse" hatte das iranische Regime Ende der 1980er-Jahre zu seiner Ermordung aufgerufen - die Fatwa überschattet seitdem sein Leben. All das werde ihn aber nicht aufhalten, weiter zu schreiben, erklärte Rushdie. "Es war die ganze Zeit hart. Der vergangene August war ein zusätzlicher Schlag. Ich habe versucht, so darauf zu reagieren, wie ich das kann: darüber zu schreiben."

Er sehe die Aufgabe eines Autoren - gerade auch in diesen Zeiten - darin, wahrheitsgemäß zu beschreiben, was geschehe, zu versuchen, es zu verstehen und auch anderen dabei zu helfen, es zu verstehen. Es sei vor allem wichtig, für die Werte einzustehen, für die gute Literatur immer stehe, sagte Rushdie. "Ganz weit oben auf dieser Liste steht Frieden."

"Auf Hass mit Liebe antworten"

Und der war auch Thema bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, mit dem Rushdie am Mittag ausgezeichnet wurde. Bei der Zeremonie in der Frankfurter Paulskirche sagte er in seiner Dankesrede, er wäre überglücklich, wenn die Jury "Magisches, gar Fantastisches" könnte und als Belohnung "der Friede selbst der Preis" wäre.

Mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sagte Rushdie, man sei in der Paulskirche versammelt, "um über Frieden zu sprechen, wo doch gar nicht weit fort ein Krieg tobt, ein der Tyrannei eines einzelnen Mannes und seiner Gier nach Macht und Eroberung geschuldeter Krieg". Das sei "ein trauriges Narrativ, dem deutschen Publikum nicht unbekannt".

In Israel und dem Gazastreifen sei zudem ein bitterer Konflikt "explodiert", sagte Rushdie: "Frieden will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen."

Salman Rushdie erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Alex Jakubowski, HR, tagesschau, 22.10.2023 12:30 Uhr

"Wir leben in einer Zeit, von der ich nicht geglaubt habe, sie erleben zu müssen", erklärte der Schriftsteller weiter. "Eine Zeit, in der die Freiheit - insbesondere die Meinungsfreiheit, ohne die es die Welt der Bücher nicht gäbe - auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen wird".

Er forderte dazu auf, weiterhin "schlechte Rede mit besserer Rede zu kontern". Dafür müsse man falschen Erzählungen bessere entgegensetzen und auf Hass mit Liebe antworten, so Rushdie.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 22. Oktober 2023 um 22:45 Uhr.