Bundeswehr im Sahel Reicht die Mission in Niger?
Heute stimmt der Bundestag über die Teilnahme der Bundeswehr an der neuen EU-Mission in Niger ab. Es ist der Versuch, auch nach dem Abzug aus Mali in der Krisenregion aktiv zu bleiben. Wird das reichen?
"Es ist heiß", stellt selbst der nigrische Verteidigungsminister fest, der Temperaturen deutlich über 40 Grad eigentlich gewohnt ist. In einen weißen Turban gehüllt steht Alkassoum Indattou im rötlichen Wüstensand neben seinem sonnenbebrillten deutschen Amtskollegen Boris Pistorius auf einem Stützpunkt seiner Streitkräfte. Und trotz der Hitze hört er gar nicht mehr auf, die Deutschen zu loben. Einen "Damm gegen den Terrorismus" bilde sein Land mittlerweile. Auch dank der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, die ja bereits in den 1970er-Jahren begonnen habe und nun weitergehe.
Wie um alles in der Welt sich die Französisch-Deutsch-Dolmetscherin den fast vierminütigen Lobes-Monolog des Ministers hat merken können, fragen sich die mitgereisten Journalisten. Verteidigungsminister Pistorius schweigt und genießt: "Dem habe ich nichts hinzuzufügen."
Der nigrische Verteidigungsminister Indattou und Pistorius bei einer symbolischen Schlüsselübergabe. Die Bundeswehr ist im Niger hochwillkommen.
Ein Kontrast zum Nachbarland Mali
Es gibt keinen Zweifel: Hier in Niger ist die Bundeswehr, sind die Deutschen hochwillkommen. Was für ein Kontrast zum Nachbarland Mali. Wo sich die dortige Militärregierung - unter anderem mit der beständigen Verweigerung von Drohnen-Flügen - über Monate alle Mühe gab, den Eindruck zu erwecken, dass sie von der UN-Mission MINUSMA herzlich wenig hält. Einer der Gründe, warum die mehr als 1000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bis Ende Mai 2024 abziehen werden. Um einen militärischen Fuß in der Tür zu behalten, setzt die Bundesregierung künftig also auf Niger.
"Was wir in Niger tun werden, strahlt hoffentlich auch nach Mali aus, strahlt nach Burkina Faso aus, gibt Stabilität im ganzen Raum", wünscht sich der Kommandeur des deutschen Einsatzkontingents bei den UN-Truppen in Mali, Heiko Bohnsack. Die Staaten im Sahel, in Westafrika, würden eine "Schicksalsgemeinschaft" bilden, erklärt der Oberst in einem gemeinsamen Exklusiv-Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "On est ensemble - man ist zusammen", würde man unter Westafrikanern sagen, erklärt Bohnsack.
Keine Beteiligung an Kampfeinsätzen
Doch warum sollten bis zu 60 Bundeswehrsoldaten in Niger schaffen, was mehr als 1000 in Mali nicht vermocht haben - nämlich die Ausbreitung terroristischer Gruppen im Sahel zu verhindern? Bei 60 liegt nämlich die Personalobergrenze für das neue Bundeswehr-Mandat in Niger. Eine Beteiligung an Kampfeinsätzen wird klipp und klar ausgeschlossen.
Stattdessen soll die EU-Mission EUMPM - unter anderem mithilfe von Ausbildung - die nigrische Armee und auch deren Spezialkräfte stärken. "Damit die in der Lage sind, ihre Grenze zu schützen", erläutert die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Und ein "Überschwappen" des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität zu verhindern.
Verteidigungsminister Pistorius drückte es vor Soldaten im Stützpunkt Niamey kürzlich so aus: Gerade verglichen mit den Nachbarstaaten Burkina Faso und Mali sei "Niger ein Stabilitätsanker, der aber nicht unkaputtbar ist." Und der deshalb gestärkt werden müsse.
Gefahr eines "failed states"
Doch selbst wenn diese Stärkung gelingt, gibt es doch gute Gründe, sich um die Zukunft des Nachbarn Mali - wenn die deutschen Soldaten das Land in etwas mehr als einem Jahr verlassen und auch die Entwicklungshilfe heruntergefahren wird - durchaus Sorgen zu machen. Zwar versicherte Pistorius in Mali, dass man nur ein Kapitel schließe, aber bilateral weiter etwa malische Streitkräfte ausbilden wolle.
Doch dass das Land mit seinem zunehmenden Terrorismusproblem und seiner Militärregierung und deren Vertrauen auf russische Wagner-Söldner in Richtung eines "failed state", eines "gescheiterten Staats" abrutscht, ist eine ernste Gefahr.
Was wird aus MINUSMA?
Viel hängt nun davon ab, was ohne die Deutschen aus MINUSMA wird und wie sich das Militärregime verhält. Das hat für kommendes Jahr Wahlen versprochen, bei denen man - so sie denn stattfinden - von Seiten der Deutschen "mit dem, was wir dann noch haben" auch unterstützen will, verspricht Kommandeur Bohnsack.
Nur "absichern" könne man die Wahl bestimmt nicht: "Dafür ist das deutsche Kontingent zu klein. Da bräuchten wir die Bundeswehr hier. Dann könnten wir in Ansätzen bei der Sicherung helfen."
Die Bundeswehr hat bereits mit den Vorbereitungen für den Abzug begonnen, bestätigt der Kommandeur im ARD-Interview. Welchem Schicksal das Land nach der Rückkehr der Deutschen entgegengeht, wagt auch er nicht zu prophezeien.
Fest steht: Im Nachbarland Niger jedenfalls macht man sich größte Sorgen und würde am liebsten sehen, dass die Deutschen noch bleiben. Ob der "Damm gegen den Terrorismus", von dem Verteidigungsminister Indattou so selbstbewusst sprach, noch halten kann, wenn Mali vom Terrorismus überschwemmt wird, ist alles andere als sicher.