Scholz' "Deutschland-Pakt" Zustimmung bei Arbeitgebern und Ländern - Merz skeptisch
Gemeinsam will Kanzler Scholz das Land auf Vordermann bringen - und sein "Deutschland-Pakt" stößt beim Arbeitgeberverband und mehreren Länderchefs auf Zustimmung. Die Union ist hingegen skeptisch: Der Modernisierungsplan biete kaum Neues.
Die Arbeitgeber haben zustimmend auf den Appell von Bundeskanzler Olaf Scholz für eine "nationale Kraftanstrengung" zur Modernisierung des Landes reagiert. Auch mehrere Länder-Regierungschefs signalisierten eine Mitwirkung an dem vorgeschlagenen "Deutschland-Pakt". "Mit dem angekündigten 'Deutschland-Pakt' wacht die Bundesregierung endlich auf", kommentierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger in der "Rheinischen Post" Scholz' Ankündigung.
Zu lange habe die Ampelregierung die Digitalisierung verschlafen und an bürokratischen Hürden für Wirtschaft und Gesellschaft festgehalten, bemängelte Dulger. "Gemeinsam mit den Ländern muss sie das Maßnahmenpaket jetzt schnell auf den Weg bringen. Ankündigungen sind keine Taten", mahnte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Scholz hatte am Mittwoch im Bundestag Ländern, Kommunen und der Opposition - mit Ausnahme der AfD - den Modernisierungsplan vorgeschlagen. Als Kernpunkte nannte der SPD-Politiker die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, die Digitalisierung der Verwaltung und die Unterstützung für Unternehmen. Die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland soll weiter vorangetrieben werden.
Union: "Im Kanzleramt nichts Neues"
Unionsfraktionschef Friedrich Merz zeigte sich ebenfalls aufgeschlossen. "Wir, die Opposition, sind selbstverständlich bereit, vernünftige Vorschläge mitzumachen", sagte der CDU-Chef bei "RTL Direkt". Der Oppositionsführer ist aber nicht sicher, ob Scholz in der eigenen Koalition überzeugen kann. "Der Bundeskanzler hat recht, aber da muss er zunächst einmal Ordnung in seiner eigenen Koalition suchen", fügte Merz hinzu.
Inhaltlich begegnet die Fraktionsspitze dem Vorstoß von Scholz aber mit Skepsis und verweist darauf, dass einige Punkte daraus von Länderseite seit Längerem gefordert werden. "Im Kanzleramt nichts Neues" steht als Überschrift über einem sogenannten Blitz-Briefing des Leitungs- und Planungsstabs von Fraktionschef Merz, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. "Keines der im 'Pakt' genannten Vorhaben ist neu", heißt es in der Analyse. "Sämtliche Vorschläge sind bereits früher kommuniziert worden. Zahlreiche der genannten Vorhaben werden bereits seit Monaten von der Bundesregierung verschleppt."
Spahn: Pakt ist ein "Offenbarungseid"
Deutlich schärfere Kritik kommt von Unionsfraktionsvize Jens Spahn. Der Pakt sei in Wahrheit ein Misstrauensvotum des Kanzlers gegen seine eigene Koalition, sagte der CDU-Politiker. Vieles in dem Pakt könnte die Koalition mit ihrer Mehrheit machen, sie sei aber zerstritten und zerrüttet. "Sie vertrauen einander nicht mehr."
Der Pakt sei eine Auflistung von Projekten, bei denen die Ampelkoalition seit Monaten nicht vorankomme. Er sprach von einem "Bonsai-Paket". Die Bundesregierung solle stattdessen konkrete Maßnahmen vorlegen.
Habeck verweist auf "Praxis-Checks" zur Entbürokratisierung
Dass die Regierung nicht in die Umsetzung bei Vorhaben zur Modernisierung komme, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nicht stehen lassen. "Wir sind ja längst dabei, es zu tun." So führe der Bund mit Nordrhein-Westfalen "Praxischecks" zur Entbürokratisierung bei Unternehmensgründungen durch. Mit Baden-Württemberg sei man dabei, die Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien von der Praxis her zu überprüfen und zu entbürokratisieren. "Das heißt doch, dass wir die Kraft zur Zusammenarbeit haben können."
Die Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, stärkte Habeck im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF den Rücken. Die von Habeck vorgestellten "Praxis-Checks" seien geeignet, um Bürokratie abzubauen und sollten auf alle Branchen angewendet werden.
Städtebund: "Alter Wein in neuen Schläuchen"
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, bemängelte im WDR mangelnde Visionen. Alles, was Scholz zu dem Vorhaben gesagt habe, "wird jeder unterschreiben. Aber man muss ehrlich sein, das ist alter Wein in neuen Schläuchen".
Landsberg forderte mehr Mitspracherecht der Kommunen, etwa in der Migrationspolitik. "Letztlich warten nicht nur die Kommunen, auch die Menschen auf ein Zeichen: Wie können wir Migration besser ordnen, auch begrenzen und dafür sorgen, dass wir es wirklich schaffen?" Bund und Ländern warf Landsberg vor: "Man redet eher über uns als mit uns."
Zuspruch aus mehreren Bundesländern
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte mit Blick auf den Scholz-Vorstoß: "Wir sollten da mitwirken." Aus staatsbürgerlicher Verantwortung sollte man 'Ja' sagen zu solchen Gesprächen und auch keine Vorbedingungen stellen, sagte der CDU-Politiker in den ARD-tagesthemen.
Bereit stehen auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU). Die Bundesregierung habe wertvolle Zeit verstreichen lassen, so Günther. Nun seien Taten nötig.
Zustimmung erhielt Scholz zudem von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer - sie ist wie Scholz SPD-Mitglied - sowie von Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann von den Grünen.
NRW-Chef Wüst spricht von "PR-Gag"
In Nordrhein-Westfalen fiel die Reaktion auf den Plan schärfer aus. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete den Pakt als "PR-Gag", er habe sich "veräppelt" gefühlt. Es gehe dabei um schon geplante Projekte und die von den Ländern seit Langem gefordert werden, sagte Wüst der "Rheinischen Post".
Über den Vorschlag wollten die Ministerpräsidenten der Länder auch auf ihrer bis Donnerstag dauernden Konferenz in Brüssel sprechen.