Kritik an der Ampelkoalition Wo bleibt die Opposition?
Die Generaldebatte gilt als Sternstunde der Opposition. Hier ist Zeit, mit der Regierung abzurechnen und hier sollten die Alternativen deutlich werden. Doch nicht nur die Regierung ist sich uneins.
Es war ein vergiftetes Angebot. "Auf gute Zusammenarbeit", rief Unionschef Friedrich Merz in Richtung Finanzminister Christian Lindner. Es gebe - so Merz weiter - jetzt zwei Oppositionsführer. Einen im Parlament - also er selbst - und mit dem FDP-Chef einen weiteren in der Regierung. Lindner hat das gar nicht gehört, denn er kam heute zu spät.
Der Oppositionsführer eröffnet traditionell die Generaldebatte. Seine Botschaft: Die in der Regierung streiten nur. So beginnt Merz auch fast staatsmännisch. Er spricht von der Zeitenwende - ein Begriff, den Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine geprägt hatte. Merz sagt: "Die ganze Dimension der Zeitenwende durch den Krieg wird erst nach dem Krieg sichtbar werden."
Der CDU-Chef wirft der Bundesregierung vor, der Haushalt werde dieser Zeitenwende nicht gerecht, die Bundeswehr sei zum Beispiel weiter ein ungeliebtes Kind. Merz kündigt an, Gesetze zu stoppen, sollte die Union wieder regieren - allem voran das Heizungsgesetz. Er schießt gegen das Bürgergeld und fordert, dass Leistung sich wieder lohnen müsse.
Und er kritisiert die Klimapolitik der Bundesregierung. Die werde von den Menschen im Land mehrheitlich nicht mehr mitgetragen. "Weil die Menschen es einfach leid sind, nur noch mit Verboten, Regulierungen unkalkulierbaren Kosten und bürokratischen Auflagen konfrontiert zu werden. Wenn man dem Klima schaden will, dann muss man es genauso machen, wie Sie es gegenwärtig machen." Jetzt wird es lauter im Saal und Merz klingt jetzt auch nicht mehr wie der Staatsmann. Sein Ton wird rauer.
Mit wem würde Merz koalieren?
Im Bierzelt wurde er am Montag noch deutlicher. Beim Gillamoos im niederbayerischen Abensberg schoss er besonders gegen die Grünen, seinem Hauptgegner in der Bundesregierung. "Diese Grünen können kein Koalitionspartner für die Union sein, wenn sie die Realität so verweigern, wie sie das insbesondere in der Einwanderungspolitik und der Inneren Sicherheit tun."
Aussagen wie diese sind keine besonders kluge Strategie, sagt die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der Freien Universität in Berlin. Er verbaue sich dadurch Möglichkeiten, Koalitionen zu bilden - etwa mit den Grünen auf Landesebene. Angesichts der Schwäche der FDP bliebe die Union dann auf die SPD angewiesen. Das hieße, wenn die Union wieder regieren wollte, bliebe nur eine Neuauflage der ungeliebten großen Koalition.
Opposition ohne Strategie?
Wofür steht die Opposition? Mit wem will sie die Ziele umsetzen? Neben der Union sitzen AfD und Linke auf den Oppositionsbänken. Mit beiden Parteien hat die Union eine Zusammenarbeit ausgeschlossen.
Politikwissenschaftlerin Kropp analysiert, dass nicht nur die Regierung zerstritten ist, sondern auch die Opposition. Die Wähler hätten zunehmend Probleme, eine Alternative zu erkennen zur aktuellen Regierungspolitik. "Was wir seit einigen Wochen Monaten verstärkt beobachten, ist, dass davon populistische extreme Parteien profitieren, weil das Vertrauen nicht nur in die amtierende Regierung, sondern auch zunehmend in die demokratischen Institutionen Schaden nimmt", so Kropp.
Das zeigt sich in den aktuellen Umfragewerten der AfD. Die in Teilen rechtsextreme Partei kann im Moment vor Kraft kaum laufen. Obwohl sie seit Jahren im Bundestag sitzt, fehlt den anderen Parteien eine klare Strategie. Heute entscheiden sie sich dafür, wegzuhören. Als Fraktionschef Tino Chrupalla spricht, leert sich der Saal sichtbar. Ministerinnen und Minister lesen Akten oder tippen auf dem Handy. Unionschef Merz läuft durch den Saal und führt Gespräche.
AfD: Kompromissbereit ohne Machtoption
Der AfD-Chef sagt, die Regierung könne ihnen danken, dass die AfD Fehler klar benennen würden. Dem Bundeskanzler wirft er vor, abgekoppelt von der Lebenswirklichkeit zu sein. "Sie leben in einer Scheinwelt, das hat Züge von den letzten Tagen der Volkskammer in der DDR."
Die AfD hat kürzlich ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt. Sie skizziert ihre Politik, die sie umsetzen würde, sollte sie eine Bundesregierung anführen. Da das unrealistisch ist, fällt es der Partei auch leicht, großzügig Kompromisse anzukündigen. Die AfD weiß selbst, dass auf Bundesebene so schnell niemand mit ihnen arbeiten möchte.
Linke kämpft weiter ums Überleben
Auch zur Opposition gehört eine Partei, die sich selbst als medizinischer Notfall bezeichnet. Die Linke kämpft ums eigene Überleben. Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte kürzlich von stabiler Seitenlage gesprochen. Seit Monaten kokettiert Sahra Wagenknecht damit, eine eigene Partei zu gründen. Auch wenn sie meist im Bundestag fehlt, bestimmt sie über das Schicksal der Linken im Bundestag.
So geht fast unter, dass Fraktionschefin Amira Mohamed Ali der Bundesregierung "grottenschlechte" Arbeit vorwirft und davon spricht, dass die Regierung ein Vielfaches fürs Militär statt für die Kindergrundsicherung ausgibt.
Bundeskanzler Scholz musste heute dem Oppositionsführer den Vortritt lassen. Erst danach spricht er und greift Friedrich Merz direkt an. Er spricht von einem "Popanz", der CDU-Chef aufführe. Davon, dass er dem Ernst der Lage nicht gerecht werde. Und schlägt dann einen "Deutschlandpakt" vor, um das Land zu modernisieren, es schneller und sicherer zu machen.
Merz selbst kann darauf nicht mehr direkt reagieren, das übernimmt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Der Vorschlag zeige, dass die Ampel in zentralen Fragen keine eigene Mehrheit mehr habe. Die Union stünde zur Verfügung, wenn die Koalition ausfalle. Nur müsse dann zuerst über die "Flüchtlingskrise" geredet werden.