Haushalt 2025 Zusammenfügen, was nicht zusammengeht
Von Anfang an hat die Ampel über die Haushaltspolitik gestritten, zuletzt immer lauter. Warum der Etat für 2025 zum Spaltpilz für die Koalition geworden ist.
Wenn Historiker die Politik der Ampel-Regierung einst bilanzieren werden, dürften sie den 15. November 2023 als einen Wendepunkt einstufen, vielleicht den entscheidenden Kipppunkt für die Koalition. An diesem Tag erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die milliardenschwere Umwidmung von Corona-Schulden für verfassungswidrig.
Damit entzogen sie der wackeligen Finanzpolitik der drei ungleichen Partner die Grundlage. Denn die Ausgabenwünsche insbesondere von SPD und Grünen ließen sich nur mit der von der FDP eingeforderten Einhaltung der Schuldenbremse unter einen Hut bringen, indem diverse Schattenhaushalte über Milliardenkredite finanziert wurden.
Spaltpilz für die Ampelkoalition
Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach nach dem Karlsruher Paukenschlag von einem "Wendepunkt" und versuchte, dem Ganzen etwas Gutes abzugewinnen: "Wir werden mit weniger Geld wirksamere Politik machen müssen. Insofern kann dieses Urteil nur eine Chance sein."
Zehn Monate später muss man feststellen, dass die Finanzpolitik erst recht zum Spaltpilz für die Ampelkoalition geworden ist. Denn das Kernproblem ist ungelöst. SPD und Grüne auf der einen Seite und die FDP auf der anderen haben grundsätzlich andere Vorstellungen, wie viele Schulden wünschenswert und verträglich sind, was sich der Staat leisten kann.
Und nur nach langem Streit fast bis zur Zerreißprobe hat sich die Bundesregierung vor gut drei Wochen auf einen Haushaltsentwurf verständigen können. Dieser weist allerdings eine ungewöhnlich große Restlücke von zwölf Milliarden Euro auf, trotz zum Teil sehr optimistischer Erwartungen. Etwa, dass die Ausgaben beim Bürgergeld im kommenden Jahr deutlich sinken werden.
Der Entwurf sieht vor, den Haushalt 2025 zu gut einem Zehntel über Kredite zu finanzieren. Die Vorgaben der Schuldenbremse sollen damit zwar eingehalten werden. Aber nur durch einige einfallsreiche Buchungen ist eine derart hohe Kreditaufnahme möglich - etwa, indem Zuschüsse zu Darlehen gemacht werden sollen.
"Das Loch muss kleiner werden"
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Haase, spricht von rechtlich zweifelhaften Manövern. Die Schuldenbremse werde nur auf dem Papier eingehalten. Haase sieht im Haushalt eine neue Sollbruchstelle für die Koalition. "Nicht umsonst haben Scholz, Lindner und Habeck so lange zusammengesessen und nicht alle Probleme beseitigt. Es wäre ja fast ein Wunder, wenn das jetzt den Fraktionen gelänge."
Finanzminister Lindner spricht dagegen von einem "Gestaltungshaushalt mit Rekordinvestitionen" - etwa in Sicherheit, Bildung oder Kitas. Zudem gebe es milliardenschwere Steuerentlastungen für die Bürger bei der kalten Progression. Und das alles unter Einhaltung der Schuldenbremse.
Im Bericht aus Berlin betonte Lindner am Sonntag, dass es nun noch darum gehe, die Zwölf-Milliarden-Euro-Restlücke auf ein vertretbares Maß zu reduzieren - nach seiner Rechnung um rund zweieinhalb Milliarden Euro. "Das Loch muss kleiner werden", so Lindner.
Klingt nach gar nicht so viel. Aber die Haushaltsberatungen im Bundestag könnten trotzdem zu weiteren zähen Debatten zwischen den Ampel-Parteien führen.
Gesprächsbedarf bei den Grünen
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, sieht Gesprächsbedarf bei den bislang geplanten Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit und bei der humanitären Hilfe. Davon wäre unter anderem das von Annalena Baerbock geleitete Auswärtige Amt betroffen.
Kindler hält Mittelkürzungen dort nicht nur aus humanitären Gründen für eine falsche Prioritätensetzung, wie er sagt. "Das ist auch geopolitisch falsch, weil Russland und China dann in die Lücken stoßen."
Auch kritische Blicke von der SPD
Auch der Chefhaushälter der SPD, Dennis Rohde, will sich die geplanten Kürzungen bei der internationalen Hilfe noch mal anschauen. Ansonsten gelte für die SPD-Fraktion "Wir werden sicherstellen, dass die zusätzlichen Mittel bei der Inneren Sicherheit Bestand haben. Und wir werden sicherstellen, dass es keinen Kahlschlag bei den sozialen Sicherungssystemen gibt."
Neben der anstehenden zähen Detailarbeit am Etat 2025 geht es aber auch um den größeren Blick nach vorne. Gerade erst hat die SPD-Fraktion auf ihrer Klausur die Forderung erneuert, die Schuldenbremse zu reformieren. "Wir haben immer gesagt, die Schuldenbremse war vor 20 Jahren möglicherweise ein besonderes Mittel gewesen", so SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. "Aber jetzt brauchen wir Investitionen in die Zukunft." Als Provokation in Richtung der FDP will Mützenich das erneute Sägen an der Schuldenbremse nicht verstanden wissen. Nur "als Gesprächsangebot an andere Parteien", wie er sagt.
Ministerpräsidenten fordern Lockerung der Schuldenbremse
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass nach der Bundestagswahl in einem Jahr die Debatte über eine Reform der Schuldenbremse neu aufgemacht wird. SPD und Grüne wollen die Regeln sowieso verändern. Und eine Reihe von CDU-Ministerpräsidenten machen ebenfalls Druck, an die Schuldenbremse heranzugehen. Denn deren Regeln sind für die Finanzpolitik der Länder noch strenger als für den Bund.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, sowie die Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff - alle von der CDU - fordern eine Lockerung der Vorgaben. Auch wenn CDU-Parteichef Friedrich Merz immer wieder betont, dass die Schuldenbremse richtig sei, so wie sie im Grundgesetz angelegt ist.
Thema für den Bundestagswahlkampf
CDU-Chefhaushälter Haase betont ebenfalls, dass es nicht um eine bloße Ausweitung von Schulden gehen könne. Darin seien sich Partei und Fraktion einig. Aber kleine technische Veränderungen etwa bei der sogenannten Konjunkturkomponente seien überlegenswert, wie sie auch schon im Bundesfinanzministerium angedacht worden seien. "Da gibt es kleinere Bewegungsstellen, und über die wird man wahrscheinlich auch in Koalitionsverhandlungen reden", so Haase.
Auch im kommenden Bundestagswahlkampf dürfte das Für und Wider der Schuldenbremse eine Rolle spielen. Erst einmal muss sich nun aber die Ampelkoalition daranmachen, die verbliebenen Löcher und Unklarheiten im Haushalt für das kommende Jahr zu beseitigen.
Der Etat 2025 wird voraussichtlich der letzte sein, für den die jetzige Regierung allein zuständig ist. Bis Ende November soll eine Einigung stehen. Aber beim Ringen ums Geld hat die Ampel schon einige Rückschläge erlebt.