Nancy Faeser
analyse

Innenministerin Faeser Zum Handeln entschlossen, im Auftritt verstolpert

Stand: 25.07.2024 12:59 Uhr

In den vergangenen Monaten hat Innenministerin Faeser verschiedene Organisationen verboten, Abschieberegeln verschärft und Grenzkontrollen wieder eingeführt. Ihre Kommunikation wirkte dabei oft verstolpert.

Eine Analyse von Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Die Bundesinnenministerin in schwarzem Blazer und weißer Bluse, der Blick direkt in die Kamera gerichtet. So kommuniziert Nancy Faeser erst das Verbot des rechtsextremistischen Compact-Magazins und eine Woche später dann das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH).

Es sind zwei voraufgezeichnete Videostatements, die ihr Ministerium nacheinander verschickt. Vor die Presse tritt sie nicht. Die SPD-Politikerin nimmt derzeit keine öffentlichen Termine wahr. Sie hat sich am Fuß verletzt. Direkte Nachfragen an die Ministerin zu den Verboten sind damit nicht möglich. In der Regel handhabt Faeser das tatsächlich anders.

Gerade diese beiden Verbote bewegen sich aber in einem besonders diffizilen Spannungsverhältnis zwischen innerer Sicherheit und Grundrechten - in dem einen Fall der Pressefreiheit, im anderen der Religionsfreiheit. In beiden Fällen gibt es Fragen, auf die man gerne von der Ministerin eine Antwort gehört hätte.

Im Fall von Compact allen voran: Inwieweit wurde hier der besonderen Bedeutung der Pressefreiheit Rechnung getragen? Und im Fall des IZH: Warum hat das so lange gedauert? Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet das IZH seit den 1990er-Jahren. Auch im parlamentarischen Raum wird seit Jahren ein Verbot gefordert.

Causa Schönbohm

Verstolpert wirkte ihre Kommunikation auch im vergangenen Jahr. Als Spitzenkandidatin war sie mitten im Hessen-Wahlkampf, gleichzeitig blieb sie in Berlin Innenministerin - was die Unionsfraktion im Bundestag dazu nutzte, von ihren Oppositionsrechten Gebrauch zu machen. Sie lud Faeser zu Sondersitzungen im Innenausschuss in der Causa Schönbohm - dem von Faeser geschassten Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik.

Dessen Abberufung ist umstritten. Hinzu kamen Vorwürfe, dass Faeser den Verfassungsschutz dazu instrumentalisiert haben könnte, belastendes Material zu Schönbohm zu finden. Doch die Innenministerin erschien zunächst nicht zu den Sondersitzungen - bis der Druck zu groß wurde. Für die Opposition ein gefundenes Fressen. Über Wochen konnte sie die Ministerin mit dem Thema vor sich hertreiben.

Grenzkontrollen

Ähnlich beim Thema Grenzkontrollen. Im vergangenen Sommer und Herbst forderte die Union monatelang bei jeder Gelegenheit deren Wiedereinführung. Die Bundesinnenministerin ließ ein ums andere Mal mitteilen, ihre Position sei "unverändert". Die Entwicklung an allen Grenzen werde beobachtet. Kontrollen innerhalb der Europäischen Union seien immer "ultima ratio" - also das letzte Mittel. Und außerdem nicht effektiv. Man setze stattdessen auf Schleierfahndung.

Bis sie ihre Position doch änderte. Aber nur Schritt für Schritt. Und mit jedem Schritt wurde die Verwirrung größer. So gab es etwa plötzlich "flexible Schwerpunktkontrollen" - ein Instrument, von dem zuvor niemand gehört hatte und das auch niemand so recht erklären konnte.

Die Sache endete schließlich genauso, wie es die Union gefordert hatte: mit notifizierten Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, die andauern - aktuell bis Mitte Dezember 2024.

Abschiebungen

Druck gibt es auch beim Thema Abschiebungen - von den Bundesländern, aber auch vom Kanzler, der Abschiebungen "im großen Stil" einfordert. Neuerdings auch nach Syrien und Afghanistan.

Die Ministerin versicherte im Nachgang der jüngsten Kanzler-Ankündigung, man suche nach Wegen auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben - sei dafür etwa mit Nachbarländern im Gespräch. Wegen der Sicherheitslage in beiden Ländern und fehlender diplomatischer Kontakte wurde zuletzt nicht dorthin abgeschoben.

Parallel schraubt das Innenministerium mit zuverlässiger Regelmäßigkeit am Aufenthaltsrecht - das längst zu einer unübersichtlichen Dauerbaustelle geworden ist. Sobald ein Gerüst abgebaut ist, wird das nächste errichtet. Selbst Experten fällt es schwer, noch den Überblick zu bewahren.

Vor allem die Liste der Ausweisungsgründe wird immer länger. Kurz nachdem die jüngsten Änderungen in Kraft getreten sind, kommt Faeser schon mit dem nächsten Vorschlag: Auch die Verherrlichung terroristischer Straftaten im Internet soll zur Ausweisung führen können.

Den Vorschlag präsentiert sie bei einer Pressekonferenz - mit der Möglichkeit zu Nachfragen. Allerdings auch mit dem Effekt, dass die Verwirrung hinterher größer als vorher ist: Soll nun schon ein Like in sozialen Netzwerken eine Ausweisung nach sich ziehen können, wie es in der Gesetzesbegründung klingt? Oder muss es ein eigener Hasskommentar sein, wie Faeser auf Nachfrage erklärt?

Getrieben wirkt Faeser auch in ihren Eingangsstatements bei Pressekonferenzen, die sie gerne nutzt, um sich als strenge Ordnungshüterin zu präsentieren - entsprechende Fragen wartet sie gar nicht erst ab. Extremisten will sie "mit aller Härte" bekämpfen. Gegenüber Gewalttätern gelte "Null Toleranz". Strafen müssten "auf dem Fuße folgen".

Asylverfahren in Drittstaaten

Die Ministerpräsidenten der Union versuchten, noch mit einer weiteren Forderung Druck auf die Innenministerin aufzubauen: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union - die sogenannte Drittstaatenregelung.

Doch hier scheint Faeser dem Druck bislang nicht nachzugeben. Statt in Aktivismus zu verfallen, formulierte sie nach der Vorstellung der Ergebnisse einer Sachverständigen-Anhörung überraschend nüchtern und ehrlich: Asylverfahren in Drittstaaten könnten "ein Bausteinchen" sein, eine Veränderung der Migrationslage könne man damit aber nicht erreichen.

Ihr Ministerium hatte die Ministerpräsidenten schlicht beim Wort genommen und die Vereinbarkeit einer Drittstaatenlösung mit internationalem und europäischem Recht geprüft. Möglichst jeder Experte sollte zu Wort kommen können. Das dauerte. Monate.

Das Für und Wider der Experten wurde in einem Sachstandsbericht zusammengetragen, ein "vorläufiges Fazit" wurde gezogen: theoretisch möglich, faktisch schwierig. Ob es überhaupt Länder gibt, die für ein solches Modell zur Verfügung stehen würden, wurde konsequent ausgeklammert. Es war ja nicht Teil des Prüfauftrags der Ministerpräsidenten.

Viele Ankündigungen

Dabei kündigt Faeser durchaus gerne Dinge an. Wann kommt die IP-Adressenspeicherung? "Zeitnah." Die angekündigten Befugnisse für das Bundeskriminalamt zur Cyberabwehr und für den Verfassungsschutz zum Aufdecken von Finanzströmen zwischen Extremisten? "Demnächst". "Nach der Sommerpause".

Ein Gesetzentwurf zum Schutz kritischer Infrastruktur vor Angriffen und Naturkatastrophen wird seit Monaten erwartet. Jetzt ist Sommerpause und der Entwurf liegt immer noch nicht vor.

Auch von den Plänen, das Grundgesetz zu ändern, um dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine stärker koordinierende Rolle zu geben - um etwa bei einem bundesweiten Sicherheitsvorfall ein Lagebild zu erstellen - hat man zuletzt nicht mehr viel gehört.