Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH) des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt.

Ausgelagerte Asylverfahren Wo es bei der Drittstaatenregelung hakt

Stand: 12.12.2024 16:48 Uhr

Können Asylverfahren auch in Drittstaaten durchgeführt werden? Im Sommer forderte vor allem die Union das lautstark. Bei der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz war keine Rede mehr davon. Warum?

Von Philipp Eckstein und Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Asylverfahren in Länder außerhalb der Europäischen Union auslagern, etwa nach Ruanda oder Albanien - das war im Sommer die migrationspolitische Forderung der unionsgeführten Bundesländer gegenüber der Bundesregierung schlechthin. Teilweise konnte man den Eindruck gewinnen, als sähen sie darin die Lösung aller Probleme beim Thema Migration.

Ein halbes Jahr später scheint dieses sogenannte Drittstaatenmodell fast vergessen. Bei der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz spielt es keine Rolle. Zumindest hinter den Kulissen wird aber weiter dazu gearbeitet. Das Bundesinnenministerium wird nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios demnächst einen neuen Bericht veröffentlichen.

Länder hatten bis heute Modelle gefordert

Im Auftrag der Bundesländer hatte das Bundesinnenministerium zahlreiche Sachverständige angehört und bereits im Juni einen Sachstandsbericht - ein vorläufiges Fazit - vorgelegt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich zwar schon damals skeptisch, sprach von einem "Bausteinchen", das die Migrationslage nicht verändern werde.

Doch die Bundesländer blieben bei ihrer Forderung und baten die Bundesregierung im Oktober erneut, aufbauend auf dem Sachstandsbericht "konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transitstaaten zu entwickeln" und dafür notwendige Änderungen im europäischen und im deutschen Asylrecht anzugehen. "Die Bundesregierung wird gebeten, hierzu in der nächsten gemeinsamen Konferenz am 12.12.2024 den Sachstand zu berichten und die konkreten Modelle vorzustellen", beschlossen die Länder.

Den Termin im Dezember - also den heutigen Donnerstag - hatte auch der Bundeskanzler schon im Juni nach seinem letzten Treffen mit den Ministerpräsidenten fest im Blick: Man habe sich "fest vorgenommen", das Thema weiter zu erörtern und eine gemeinsame Entscheidung zu treffen, wenn man im Dezember wieder zusammenkomme, sagte er bei der Pressekonferenz.

Keine Zeit für Migrationspolitik?

Heute ist nun der 12. Dezember und die Ministerpräsidenten sind in Berlin wieder zusammengekommen - doch die Forderung nach einer sogenannten "Drittstaatenlösung" scheint ihnen auf dem Weg abhandengekommen zu sein. Andere Themen sind in den Vordergrund gerückt. Für die Migrationspolitik bleibt bei diesem Treffen keine Zeit.

Abhandengekommen ist ihnen auch der Bundeskanzler. Nach dem Aus seiner Ampelkoalition hat er seine Teilnahme an dem Treffen abgesagt. Es findet also keine "gemeinsame" Bund-Länder-Konferenz statt. Die Ministerpräsidenten bleiben unter sich.

Aus dem CDU-geführten Sachsen heißt es auf Nachfrage dennoch, man erwarte "selbstverständlich, dass die Bundesregierung trotz des verschobenen Gesprächs mit dem Bundeskanzler den zugesagten Bericht an die Länder noch in diesem Jahr übermittelt".

Eine Regierungssprecherin beschwichtigt gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Der Bericht befindet sich in der Endredaktion und wird zeitnah durch das Bundesministerium des Inneren vorgelegt."

Entwicklung in Großbritannien und Italien

Derweil kommen auch die internationalen Vorbilder abhanden. Großbritannien wollte Asylverfahren vollständig an Ruanda abgeben. Flüchtlinge sollten von Großbritannien in das afrikanische Land gebracht werden und dann dort Schutz suchen. Nachdem das Projekt lange nicht in Gang kam, hat sich die neue britische Regierung ganz davon verabschiedet.

Italien wollte dagegen in Albanien italienische Asylverfahren durchführen für Flüchtlinge, die in internationalen Gewässern aufgegriffen wurden. Nur wer Anspruch auf Schutz hat, sollte später nach Italien einreisen dürfen. Italienische Gerichte bremsten die Umsetzung nun schon zum zweiten Mal aus.

Europäisches "Verbindungselement"

Bewegung könnte es dagegen auf europäischer Ebene geben, wo nach den Europawahlen im Juni nun eine neue EU-Kommission im Amt ist. Einem Modell, wie es Großbritannien mit Ruanda geplant hatte, steht bisher europäisches Recht entgegen. Danach dürfen Flüchtlinge nämlich nur in einen Drittstaat geschickt werden, zu dem sie eine Verbindung haben. EU-Staaten müssten für ein Drittstaatenmodell also das europäische Recht ändern.

Und das zeichnet sich nun in der Tat ab. Aus deutschen Regierungskreisen heißt es, man erwarte, dass die EU-Kommission vorschlägt, das sogenannte Verbindungselement abzuschaffen. Das Bundesinnenministerium sehe darin eine Erweiterung des Handlungsspielraums.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. Dezember 2024 um 17:00 Uhr.