SPD und Kindergrundsicherung Die Zwölf-Milliarden-Euro-Frage
Die SPD ist für die geplante Kindergrundsicherung. Doch während FDP und Grüne sich über die Kosten streiten, halten sich die Sozialdemokraten eher zurück. Warum eigentlich?
Grundsätzlich sind sich SPD, Grüne und FDP einig: Die Kindergrundsicherung soll kommen. Geplant ist, damit ab 2025 alle Leistungen zusammenzufassen: vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit. Für alle soll es einen festen Grundbetrag geben, dazu kommt ein einkommensabhängiger Zusatzbetrag.
Doch wie viel darf die Kindergrundsicherung kosten? Darüber ist sich die Regierungskoalition nicht einig. Gerade hat sie den Streit über Gas- und Öl-Heizungen, über Planungsbeschleunigung und Klimaschutz abgeräumt, da entsteht der nächste Konflikt.
Förderung vereinfachen oder erhöhen?
Die Grünen wollen mehr Geld in die Hand nehmen, die FDP bremst. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) hat für die Finanzplanung zwölf Milliarden Euro angemeldet. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat dem eine Absage erteilt. Familien stünden bereits sieben Milliarden Euro mehr zur Verfügung, weil Kindergeld und Kinderzuschlag zu Jahresbeginn angehoben wurden. Nun plädiert der FDP-Minister dafür, die Förderungen zu vereinfachen, nicht unbedingt weiter zu erhöhen.
Und die SPD? Müsste sie sich nicht vollkommen hinter das sozialdemokratische Projekt der Kindergrundsicherung stellen und die Grünen unterstützen? In der Sache tut sie das, betont Saskia Esken. Die SPD-Vorsitzende sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, die Kindergrundsicherung werde wie im Koalitionsvertrag vereinbart kommen.
SPD zurückhaltend bei höheren Kosten
Aber die "wesentliche Erhöhung der Leistungen" sieht Esken - wie der Finanzminister von der FPD - schon erledigt. Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich vergangene Woche im Bundestag mehr als zurückhaltend, noch mehr Geld auszugeben: Dass Kindergeld und Kinderzuschlag erhöht wurden, sei eine "große finanzielle Veränderung" zugunsten der Eltern, die berufstätig sind und trotzdem wenig Geld haben.
Das Problem, da sind sich SPD-Chefin Esken und Kanzler Scholz ebenfalls einig: Der Kinderzuschlag werde nur von 30 Prozent der Berechtigten genutzt. "Das wollen und werden wir ändern und das ist das gemeinsame Projekt der Regierung", erklärte der Kanzler. Scholz, der als ehemaliger Finanzminister zur Schuldenbremse steht, unterstützt bei der Kindergrundsicherung also die FDP-Position.
"Nur mehr Geld auf den Haufen zu werfen, bringt nichts", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Es muss auch bei den Familien ankommen." Die FDP will eine einfache, automatisierte Auszahlung der Gelder. Denn aus Unkenntnis oder wegen bürokratischer Hürden beantragen bisher nicht alle die Hilfen, die ihnen zustehen.
Vorsichtige Kritik aus der SPD
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert übt zumindest Kritik an der FDP, sie dürfe die Kindergrundsicherung nicht blockieren: "Einfach nein zu sagen, wird nicht reichen, um die Diskussion zu überstehen", sagte er RTL und ntv. Aber ein Bekenntnis zu den zwölf Milliarden Euro kommt auch Kühnert nicht über die Lippen.
Es gibt aber Stimmen in der SPD, denen die bisherigen Erhöhungen nicht reichen: Sönke Rix, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag, betont, beim Bezug von Bürgergeld werde das Kindergeld als Einkommen verrechnet. Daher profitierten einige Familien nicht von der Erhöhung.
Sozialverbände fordern mehr Geld
Heinz Hilgers, der Präsident des Kinderschutzbundes, bedauert, dass die SPD die Forderung nach zwölf Milliarden Euro nicht offensiv unterstützt: "Ich finde es sehr schade, dass die SPD dieses Thema zurzeit fast ausschließlich den Grünen überlässt", sagte Hilgers dem ARD-Hauptstadtstudio. Die Kindergrundsicherung sei eine sozialdemokratische Idee.
Nun unterstützen die traditionell SPD-nahen Sozialverbände und der Gewerkschaftsbund DGB die Grünen. Sie fordern unisono mehr Geld, um die Kinderarmut zu bekämpfen. Laut einer Analyse der Bertelsmann-Stiftung ist jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht.