Teilnahme an Migrationstreffen Kommt die Union, oder kommt sie nicht?
Heute soll die nächste Gesprächsrunde zur Migrationspolitik stattfinden. Die Union lässt allerdings weiter offen, ob sie daran teilnimmt. SPD-Chefin Esken warnte vor überzogenen Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Einwanderung.
Vor den für heute geplanten Asyl-Gesprächen zwischen Ampel-Regierung, Opposition und Bundesländern ist immer noch unklar, ob CDU und CSU daran teilnehmen werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte in den tagesthemen, in einem Telefonat habe ihm Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) "bedauerlicherweise" nicht gesagt, wie genau sie deutlich mehr Zurückweisungen an den Grenzen erreichen wolle. Diese seien ein entscheidendes Kriterium für die Union, ob weitere Gespräche in dem Format Sinn machen.
Vor genau einer Woche hatten sich Vertreterinnen und Vertreter von Regierung, Unionsfraktion und Bundesländern getroffen, um über die Eindämmung der irregulären Migration zu beraten. Gestern hatte Faeser vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet, um die Zahl irregulärer Einreisen stärker einzudämmen. Die zusätzlichen Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate dauern.
Nach dem Treffen in der vergangenen Woche habe die Regierung zudem ein "Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt", hieß es vom Ministerium. Faeser sagte, sie habe das der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten.
Frei erwartet "Dominoeffekt"
Die Unionsfraktion ist überzeugt, dass Zurückweisungen an der Grenze vom Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union gedeckt wären, weil Kernbereiche der Souveränität eines Mitgliedslandes wie die öffentliche Ordnung und Sicherheit berührt seien. Wenn jemand aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat komme, könne er sich nicht in Deutschland auf das Asyl-Grundrecht berufen, weil er ja aus einem sicheren Land kommen, wo er Asyl hätte beantragen müssen, sagte Frei in den tagesthemen.
Der Fraktionsgeschäftsführer betonte, sollte Deutschland zu Zurückweisungen greifen, würde schnell ein "Dominoeffekt" entstehen. Andere Länder würden dann genauso verfahren. Innerhalb von Tagen, wenn nicht Stunden käme man zu einem effektiveren europäischen Außenschutz, zeigte sich der CDU-Politiker überzeugt.
Frei machte deutlich, die Union habe sich auf das Gesprächsformat eingelassen, damit man sich für das Land auf etwas Gutes einige. "Wenn uns gelänge, an der Stelle etwas zu erreichen, dann wäre das eine große Leistung für unser Land und die Menschen hier." Eine "ehrliche Lösungsfindung" müsse es aber auf beiden Seiten geben. Die Union müsse wissen, ob die gesamte Bundesregierung dazu stehe, dass es zu solchen Zurückweisungen komme, sagte Frei mit Hinweis auf skeptische Stimmen bei den Grünen.
Scholz hofft auf Beschlüsse mit Opposition
Zuvor hatte bereits CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt, seine Fraktion sei nur dann zu einer Zusammenarbeit mit der Bundesregierung bei einer Verschärfung des Migrationsrechts bereit, wenn an den Grenzen "umfassend und nicht irgendwie eingeschränkt" zurückgewiesen werde. "Wir werden uns auf eine Relativierung oder auf irgendeine eingeschränkte Methodik der Zurückweisung nicht einlassen", sagte Merz. Von den Zurückweisungen müssten alle Einreisewilligen betroffen sein, die keinen Aufenthaltstitel haben - auch solche, die in Deutschland einen Asylantrag stellen wollten.
Bundeskanzler Olaf Scholz betonte seinen Willen zu gemeinsamen Beschlüssen bei den heutigen Gesprächen: "Wir würden uns freuen, wenn wir da noch was gemeinsam machen können, auch mit der Opposition - im Rahmen klarer Prinzipien", sagte Scholz am Montagabend. "Aber wir würden uns wirklich freuen. An uns wird es nicht liegen, falls es nicht klappt", fügte Scholz in Anspielung auf die Aussage von Merz hinzu, dass Gespräche nicht sinnvoll seien, wenn die Regierung keine sofortigen, umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen schriftlich zusage.
Scholz betonte, dass die Regierung bereits die Wege für die Zuwanderung von Fachkräften erleichtert und das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert habe. Aber zur Aufnahme von Verfolgten gehöre auch dazu, dass man das Management der irregulären Migration hinbekomme. "Es ist die Voraussetzung, um die Offenheit zu verteidigen", so der Kanzler.
Kühnert: Sind nicht "am Gängelband der Opposition"
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert setzt auf die Teilnahme der Union. Er gehe fest davon aus, dass CDU-Chef Friedrich Merz zu dem Gespräch kommt, sagte Kühnert am Dienstagmorgen im rbb: "Man kann Teil der Lösung sein und sollte nicht Teil des Problems sein." Er habe Merz so verstanden, dass er eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung will, so Kühnert.
Vorwürfe, wonach sich die Bundesregierung von der Union treiben lasse, wies Kühnert zurück: "Wir sind nicht am Gängelband der Opposition." Die Vorschläge der Bundesinnenministerin stünden nicht unter der Bedingung, "dass sie nur gemacht werden, wenn Friedrich Merz sich auch bequemt, dabei zu sein".
Esken: Wir können nicht einfach EU-Recht aushebeln
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte zuvor CDU und CSU vor überzogenen Maßnahmen gewahnt. "Die Begrenzung der irregulären Migration ist notwendig, aber sie muss auf rechtlich wasserdichten Grundlagen geschehen", sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir können nicht einfach EU-Recht und Grundgesetz aushebeln."
Viele Forderungen beim Thema Migration gingen "derzeit auch politisch ins Blaue hinein und überhitzen damit die Debatte", kritisierte Esken. "Um die Migration zu regeln, braucht es aber kein Ressentiment, sondern konkret wirksame Politik, wie die Bundesregierung sie vorgeschlagen hat."
Esken zeigte sich mit der Union einer Meinung, dass islamistische Straftäter ihren Schutzanspruch verwirkt haben und daher abgeschoben werden müssten. Gleichzeitig komme es darauf an, dass "Deutschland ein freundliches Gesicht" behalte. Denn nur dann kämen neue ausländische Fachkräfte gerne hierher.
Grüne: Nur rechtskonforme Lösungen
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte im ARD-Morgenmagazin, dass ihre Partei jede Lösung mittrage, die sich auf dem "Boden des europäischen Rechts bewegt und auf der Basis des Grundgesetzes erfolgt". Alle Menschen, die an der Grenze ein Asylgesuch stellen, hätten ein Recht darauf, dass das Asylgesuch auch geprüft wird.
Mihalic warnte vor einem "Dominoeffekt" auf die übrigen europäischen Staaten, wenn Deutschland alle Personen an der Grenze zurückweisen würde. Die Staaten an der Außengrenze würden dann "massiv belastet" werden. Sie verwies auf die Wirksamkeit des europäischen Asylsystems.