Nancy Faeser

Migrationstreffen "Maximale Offenheit" - bis hin zu Zurückweisungen?

Stand: 04.09.2024 00:05 Uhr

Konstruktiver als erwartet sei das Migrationstreffen mit der Bundesregierung verlaufen, hieß es aus der Union. Kommende Woche könnte es weitere Gespräche geben. Bedingung der Union: Zurückweisungen an der Grenze.

Von Philipp Eckstein, ARD Berlin und Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Gut drei Stunden saßen sie im Bundesinnenministerium zusammen, länger als zuvor angekündigt. Und durch war man mit den Themen am Ende nicht. Der Gesprächsbedarf war offenbar groß, auch nach dem Treffen vor den Mikrofonen.

Dabei sollte es ein vertrauliches Arbeitsgespräch werden. Nur: Ganz so vertraulich lief es dann doch nicht ab. Im Anschluss hatten einige Teilnehmer durchaus etwas zu sagen. Nur die Bundesinnenministerin hielt sich bedeckt.

Grundlage für das Treffen war das Sicherheitspaket, auf das sich die Ampelkoalition vergangene Woche unter dem Eindruck des Messer-Attentats von Solingen geeinigt hatte: Es enthält Maßnahmen zur inneren Sicherheit und Vorschläge für Verschärfungen in der Asyl-Politik. Die Bundesregierung betonte außerdem Offenheit für weitergehende Vorschläge der Union. "Niemand hat sich irgendeinem Weg versperrt. Wir haben das gemeinsame Ziel, irreguläre Migration zu begrenzen und insbesondere auch die Kommunen zu entlasten", sagte Bundesinnenministern Nancy Faeser (SPD) nach dem Treffen.

Union will Zurückweisungen

Und weitergehende Vorschläge, die haben CDU und CSU: Sie fordern, die Grenzkontrollen auszuweiten und generelle Zurückweisungen an allen Grenzen, auch dann, wenn jemand um Schutz in Deutschland bittet.

Für die Union sei entscheidend, dass es nicht nur Grenzkontrollen gibt, "sondern auch tatsächlich zu Zurückweisungen an der Grenze kommt", sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, nach dem Treffen. Und zwar dann, wenn jemand "aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat kommt und dort entweder einen Asyl-Antrag bereits gestellt hat oder ihn jedenfalls hätte stellen können". Man werde jetzt klären müssen, ob man bei diesem Punkt zu einer gemeinsamen Haltung kommen könne.

"Ich sehe rechtliche Möglichkeiten", sagte der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU), der an den Gesprächen teilnahm, weil Hessen derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz innehat. "Aber jetzt ist es vor allen Dingen Aufgabe der Bundesregierung, zu prüfen, ob sie bereit ist, diesen von uns vorgeschlagenen Weg mitzugehen."

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Offenheit - auch bei Zurückweisungen

Die Antwort von SPD und Grünen war darauf bislang: Das verstößt gegen europäisches und internationales Recht.

Doch jetzt gibt es bei diesem Punkt offenbar Bewegung oder zumindest die Bereitschaft, das erneut zu prüfen. Konkret wollte Bundesinnenministerin Faeser im Anschluss an das Treffen zwar nichts dazu sagen. Sie blieb dabei: "Vertraulichkeit der Gespräche haben wir vereinbart." Aber: "Ich will nochmal signalisieren: maximale Offenheit für alle Vorschläge."

CDU-Chef nicht dabei

In Berlin nicht dabei war CDU-Chef Friedrich Merz, obwohl das Treffen auch eine Reaktion war auf sein Angebot an die SPD zur Zusammenarbeit in der Asyl- und Migrationspolitik vergangene Woche. Nach dem Attentat von Solingen und vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hatte er damit die Bundesregierung unter Druck gesetzt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm den Ball auf und ließ die Bundesinnenministerin zu Gesprächen einladen.

Eine Einladung, die an Vertreter der Union und der Bundesländer ging, aber eben auch an die Ampelfraktionen und die inhaltlich betroffenen Bundesministerien. Also anders als von Merz vorgeschlagen keine Zusammenarbeit allein zwischen SPD und Union.

Und: Es war ein Treffen auf Arbeitsebene. Merz schickte entsprechend seine Fachpolitiker. Er selbst besuchte an dem Tag ein Stahlwerk und das Islamkolleg in Osnabrück. Und säte von dort aus Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Treffens: "Der irreguläre Zuzug von Migranten - das ist das eigentliche Problem und das muss die Bundesregierung heute bereit sein mit uns nicht nur zu besprechen, sondern zu lösen. Und wenn das nicht der Fall ist, dann erübrigen sich weitere Gespräche."

Weiteres Treffen geplant

Aber die Gespräche liefen dann doch auch aus Sicht der Unionsvertreter vor Ort konstruktiver als erwartet. Ein weiteres Treffen haben die Teilnehmer der Runde bereits ins Auge gefasst - für Anfang kommender Woche.

Jetzt müssten "ein paar Dinge" rechtlich geprüft werden, sagte die Bundesinnenministerin, ohne dabei präziser zu werden. Doch vieles deutet darauf hin, dass es dabei auch darum gehen wird, inwieweit generelle Zurückweisungen an den Grenzen rechtlich möglich sind. Daneben werden sich wohl alle an den Gesprächen beteiligten Parteien auch noch einmal intern rückversichern müssen: Wie weit sind sie wirklich bereit zu gehen? Und auch mögliche Verwerfungen mit den EU-Nachbarn wird die Bundesregierung im Blick behalten müssen.

Philipp Eckstein, ARD Berlin, tagesschau, 03.09.2024 18:54 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 03. September 2024 um 20:00 Uhr.