Bund-Länder-Runde zu Migration Konkrete Beschlüsse fehlen
Nach den vierten Beratungen zum Thema Migration innerhalb eines Jahres geben sich die Ministerpräsidenten Rhein und Weil mit Kanzler Scholz geeint und zufrieden. Doch neue Ideen gibt es keine.
Erneut haben die Regierungschefinnen und -chefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz über Migration beraten. Die Haltung der Bundesländer ist schon lange klar: Die Zuwanderung nach Deutschland soll langfristig begrenzt werden.
Bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Beratungen gaben sich die Ministerpräsidenten Boris Rhein und Stephan Weil sowie Kanzler Scholz geeint und zufrieden mit den Ergebnissen. Doch viel Konkretes ist nicht herausgekommen.
"Wir haben heute mit dem Kanzler drei Punkte insbesondere diskutiert: Was wurde erreicht, was muss noch umgesetzt werden und welche Maßnahmen sind erforderlich", sagte Hessens Regierungschef Rhein. Der CDU-Politiker hat derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne.
In den vergangenen Monaten hätten Bund und Länder bereits viel erreicht, etwa die Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten oder die Gespräche zur Bezahlkarte, die die Bundesländer statt Bargeldauszahlungen an Asylsuchende ausgeben wollen. Nun gehe es insbesondere um die Prüfung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten, aber auch um Themen wie Frontex und Rückführungsabkommen, so Rhein.
Weil: "Grundsätzlicher Wechsel"
Die Länder machen bei der sogenannten Drittstaatenlösung Druck: Bis Sommer soll die Bundesregierung diese Möglichkeit prüfen, heißt es in der Beschlussvorlage, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.
"Wenn man alles zusammen nimmt, was wir uns vorgenommen haben, ist das ein grundsätzlicher Wechsel in unserer Zuwanderungspolitik", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Weil. Es werde sehr viel umgesetzt, so der SPD-Politiker. Man könne jedoch niemandem versprechen, dass sich dies binnen Monatsfrist in Zugangszahlen zeige.
Dafür gebe es unterschiedliche Gründe, so Weil. Es dauere etwa, bis nach dem EU-Asylkompromiss entsprechende Systeme an den EU-Außengrenzen etabliert würden. Die Arbeitsmarktintegration sei besonders wichtig für die Akzeptanz der Zuwanderung, betonte Weil. Die dafür notwendigen Gespräche sollten nun folgen.
Scholz: "Rahmenbedingungen geschaffen"
"Die drei Zusammenkünfte des letzten Jahres, die heutige Zusammenkunft sind eigentlich Teil einer grundlegenden Veränderung im Management der irregulären Migration in Deutschland", erklärte Bundeskanzler Scholz. 2023 seien die grundlegendsten Änderungen der Migrationspolitik der vergangenen 25 Jahre auf den Weg gebracht worden. Der Bund habe die Gesetze beschlossen, damit seien die Rahmenbedingungen geschaffen.
Auch für die Arbeitsmarktintegration seien weitreichende Entscheidungen getroffen worden, so Scholz. "Arbeitsverbote, die für Flüchtlinge bisher existiert haben, sind weitgehend aufgehoben."
Verschiedene Modelle bei "Drittstaatenlösung"
Verschiedene Lösungen diskutieren Bund und Länder schon seit Monaten: Asylverfahren in Drittstaaten, Migrationsabkommen, beschleunigte Abschiebungen, verstärkte Kontrollen an innereuropäischen Grenzen oder die Bezahlkarte, die die Bundesländer nun statt Bargeldauszahlungen einführen wollen.
Doch die anhaltende Debatte zeigt, dass viele Details dieser Ansätze noch nicht ausgearbeitet sind - und zum Teil auch fraglich ist, ob sie mit internationalem Recht vereinbar sind. Die Idee, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU durchzuführen, diskutiert das Bundesinnenministerium aktuell auf Fachebene - mit dem Ergebnis, dass bisher nicht einmal klar ist, worum es bei dieser Lösung überhaupt gehen soll.
Bezahlkarte "auf gutem Weg"
Bei der Bezahlkarte scheint es Fortschritte zu geben. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, die Maßnahme sei auf einem guten Weg. Auch Hessens Regierungschef Rhein lobte den Prozess. Bis Sommer könne es losgehen.
Obergrenze praktisch nicht umsetzbar
Angesprochen auf eine Obergrenze für Geflüchtete, wie sie aktuell wieder Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert, sagte Rhein, er könne diese nicht ausschließen. Doch die Forderung, die schon mehrfach vonseiten der Union gestellt wurde, ist auch diesmal nicht konkret in den Beschluss eingeflossen.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger kritisierte, dass nach wie vor unklar ist, wie eine solche Obergrenze rechtskonform umgesetzt werden soll. Abschiebungen an EU-Binnengrenzen sind nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht zulässig.
Druck von CDU-geführten Ländern
Im Vorfeld der heutigen Beratungen hatten vor allem die CDU-geführten Länderchefs den Druck auf die Bundesregierung erhöht. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst warnte noch gestern davor, dass die niedrigen Zahlen der Geflüchteten wieder ansteige, wenn die Temperaturen steigen.
Von der Debatte um sichere Herkunftsstaaten hatten sich die CDU-geführten Länder mehr erhofft. Asylverfahren für Menschen aus Herkunftsstaaten, bei denen die Anerkennungsquote bis zu fünf Prozent beträgt, sollten demnach beschleunigt durchgeführt werden. Das hat das Bundesland Hessen in einer Protokollnotiz heute noch einmal festgehalten.
Mehr Geld wird es nicht geben
Die Überforderung der Kommunen und Länder zeige sich auch bei den Finanzen. "Ich lege für jeden Euro, der vom Bund kommt, noch zwei Euro drauf, damit die Landräte, die Bürgermeister, Bürgermeisterinnen vor Ort überhaupt in der Lage sind, den Menschen, die kommen, gerecht zu werden", sagte Wüst gestern in der ARD-Sendung Maischberger. Beim Land Nordrhein-Westfalen bleibe gar nichts.
Doch mehr Geld wird es nicht geben. Bundeskanzler Scholz zeigte sich bei der Frage einer Anpassung der sogenannten Pro-Kopf-Pauschale lediglich gesprächsbereit. Enttäuscht hiervon ist auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. "Eine Dynamisierung bei den Kosten wäre schon gut gewesen", sagte Günther nach der Pressekonferenz.