Landtagswahl am Sonntag Wer mit wem in NRW?
Zu zweit oder zu dritt? Mit einem bekannten Partner oder mal etwas Neues versuchen? Die Wahl in NRW verspricht spannend zu werden, nicht nur am Sonntagabend. Welche Bündnisse möglich sein könnten.
Die Vorwahlumfragen für NRW sehen die CDU knapp vor der SPD, die Grünen auf einem Allzeithoch, die FDP schwach, aber sicher im Landtag, die AfD ebenso, die Linkspartei jedoch klar unter fünf Prozent.
Mit Blick auf die Fehlertoleranz jeder Umfrage und die ungewisse Zahl an Briefwählenden ist der Wahlausgang aber offen - und spannend wie selten zuvor in NRW. Denkbar ist eine Fülle von Koalitionsoptionen: von Schwarz-Grün über eine Große Koalition bis hin zur Ampel und Jamaika. Oder reicht es sogar für Rot-Grün? Wer die Spitzenleute von CDU, SPD, Grünen und FDP fragt, bekommt ausweichende Antworten. Keine Festlegungen, bis auf die eine: keine Koalition mit der AfD. Aber was ist realistisch in NRW?
Den Grünen könnte eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung zukommen - egal ob Schwarz-Grün, Rot-Grün, Ampel oder Jamaika, sie sind bei den wichtigsten Planspielen in zentraler Rolle. Die Partei könnte am Ende die Königsmacherin sein. Sollten die Grünen bei annähernd gleich starken Ergebnissen für CDU und SPD die Wahl in einem Zweierbündnis haben, dann dürfte sich der eher linke Landesverband womöglich eher für das vertraute Lager entscheiden und wieder mit der SPD regieren.
Sollte jedoch nur Schwarz-Grün eine Zweier-Mehrheit haben, dann läge es auch am Verhandlungsgeschick von CDU-Mann Hendrik Wüst, die Grünen von einer Ampel-Beteiligung abzuhalten. Der konservative Wüst könnte wendig und flexibel genug sein, um dieses Bündnis zu zimmern. Größter inhaltlicher Knackpunkt in einer solchen Koalition wäre wohl die Innere Sicherheit. Wüst hat bereits angekündigt, an CDU-Innenminister Herbert Reul festhalten zu wollen. Ein Law-and-Order-Mann, der mit seinem Polizeigesetz alles an Verschärfungen herausholte, was die Verfassung hergab. Die Grünen kritisierten dies massiv und zeigten zugleich, dass sie mit ihrer Co-Fraktionsvorsitzenden Verena Schäffer eine versierte Innenpolitikerin haben.
Schwarz-Grün wäre ein Novum in NRW, für das schon bei der Wahl 2017 der damalige CDU-Wahlsieger Armin Laschet offen war. Er hätte sich gerne mit den Grünen für neue Bündnisse auch im Bund empfohlen. Aber die Grünen wurden bei der Wahl für ihre Schulpolitik so heftig abgestraft und die FDP gewann so deutlich hinzu, dass es am Ende nur knapp für Schwarz-Gelb reichte.
No Groko in Düsseldorf?
Beim TV-Duell im WDR am Donnerstag demonstrierten Ministerpräsident Wüst und sein SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty mitunter so viel Einigkeit, dass die Debatte weniger wie ein Duell, sondern eher wie die Sondierung für eine Große Koalition wirkte. Aber diese Option ist in NRW wohl nur rein rechnerisch möglich. Ernsthaft erwogen wird ein Bündnis von CDU und SPD von den Parteien offenbar nicht. Auch, weil weder CDU noch SPD ein Interesse daran haben dürften, sich mit einem Koalitionsmodell von gestern zu profilieren.
Ein Dreierbündnis in NRW?
CDU und SPD liegen in den Vorwahlumfragen so nahe beieinander, dass auch die Dreier-Bündnisse Ampel (SPD, Grüne, FDP) oder Jamaika (CDU, Grüne, FDP) denkbar sind. Für das bevölkerungsreichste Bundesland wäre es ein Paradigmenwechsel. Eine Drei-Parteien-Koalition hat es hier seit 1958 nicht mehr gegeben. In NRW entschied man sich bislang eher für eine Minderheitsregierung, als dass sich drei Parteien zusammentun.
Als 2010 CDU-Mann Jürgen Rüttgers abgewählt wurde, sondierte sich Hannelore Kraft von der SPD durch die Koalitionsoptionen und bildete am Ende mit den Grünen eine Minderheitsregierung. Erstaunliche zwei Jahre lang verabschiedeten sie Gesetzesvorhaben mal mit der FDP und mal mit der Linkspartei. Bis eine vorgezogene Neuwahl das vertraute rot-grüne Lager wieder mit einer stabilen Mehrheit ausstattete.
NRW war früher mal Taktgeber für Koalitionen
Politikwissenschaftler Martin Florack findet die aktuelle Koalitionsdynamik in NRW "ein bisschen anachronistisch". Seit vielen Jahren gebe es eine intensive Debatte zur Veränderung des Parteiensystems mit der Notwendigkeit von lagerübergreifenden Koalitionen. Jedoch nicht in NRW. Hier seien "die Uhren stehengeblieben".
Dabei war NRW einmal Taktgeber für den Bund, was Koalitionsoptionen angeht. Egal ob sozial-liberale Koalition in den 1960er-Jahren oder Rot-Grün - in NRW wurden oft die Blaupausen für den Bund gezeichnet. So quälten sich zwischen 1995 und 2005 SPD und Grüne in Düsseldorf mit einem regelrechten Regierungskampf - zusammengehalten einzig von dem Willen, eine Koalitionsoption für den Bund zu bieten. Erfolgreich: 1998 wurde die erste rot-grüne Bundesregierung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder gebildet.