Zuwanderung Das Problem der Union mit der Migrationspolitik
In der Migrationspolitik steht die Regierung unter Handlungsdruck. Doch auch die Union als größte Oppositionspartei muss eine Linie finden. Derzeit schwankt sie zwischen Zusammenarbeit und Attacke.
Für die Union geht es bei der Migrationsfrage womöglich um alles. So jedenfalls formuliert es CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn bei der Onlineplattform "The Pioneer": "Entweder beenden die Parteien der demokratischen Mitte das Thema irreguläre Migration oder die irreguläre Migration beendet die demokratische Mitte."
Eine Existenzfrage also. Erst recht, weil die Parteibasis nach den eher liberaleren Merkel-Jahren eine Korrektur wünsche, analysiert der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier. Die CDU habe ihre Mitglieder selbst befragt und die Mehrzahl spreche sich eher für restriktivere Lösungen aus. "Und das wird auch in der Parteiführung, auch um die Partei wieder vollständig zu einen, als mehrheitsfähig angesehen", sagt er.
Denn auch der Druck seitens der kommunalpolitischen Kräfte der Union wächst. Und bei den Wahlberechtigten ist laut Jun sowieso die Mehrheit mit der gegenwärtigen Migrationspolitik unzufrieden. "Was wird man also der Politik raten? Sie muss eine Mischung machen aus Symbolpolitik. Das bedeutet, dass sie einzelne symbolische Schritte einleitet, die darauf hindeuten, dass man das Problem erkannt und verstanden hat", so der Politikwissenschaftler.
"Die Hand ist ausgestreckt"
Darunter fällt seiner Meinung nach die Verschärfung der Abschieberegeln. Vielleicht auch die Senkung sozialer Standards für Menschen, die hier ankommen. Aber vielleicht auch eine gemeinsame Kraftanstrengung der Politik - die größte Oppositionsfraktion CDU/CSU gemeinsam mit der Bundesregierung von Olaf Scholz.
Das will die Union einerseits. Andererseits will sie auch Opposition sein und wirft jetzt der Regierung Untätigkeit vor. Obwohl Innenministerin Nancy Faeser gerade ein Gesetz zu strengeren Abschieberegeln auf den Weg gebracht hat, das viele Unionsvorschläge aufgreift. Aber: Es betrifft nur wenige Menschen, wird also kaum für Entlastung von Städten und Gemeinden sorgen. Außerdem ist es ohnehin praktisch unmöglich im nationalen Alleingang die Zuwanderung zu reduzieren.
Und Parteichef Friedrich Merz irritiert zum einen mit falschen Aussagen über die angebliche Bevorzugung von abgelehnten Asylbewerbern beim Zahnarzt. Zum anderen sagt er: "Die Hand ist ausgestreckt an die Koalition. Wir nehmen dieses Angebot an - einer gemeinsamen Arbeit insbesondere an dem drängendsten Problem, das wir in unserem Land bewältigen müssen, nämlich der Bewältigung der Flüchtlingskrise."
Scholz bittet Merz um Zustimmung
Erst in dieser Woche hat der Bundeskanzler einen Brief an Merz geschrieben. Darin bittet er den Chef der größten Oppositionsfraktion im Bundestag um Zustimmung zu den schärferen Abschieberegeln. Ein Grund dafür womöglich: die Kritik aus den Reihen seiner Ampelkoalition.
Die Linke sieht noch ein anderes Problem, sagt Parteichefin Janine Wissler: "Die Vorschläge der Bundesinnenministerin lösen praktisch kein einziges Problem. Aber sie verschärfen gesellschaftliche Stimmungen, die es gibt." Sie gebe damit rechten Forderungen nach. Was Wisslers Meinung nach der AfD zugutekommt.
Und wenn das so weiter geht, könnte die Migrationsfrage tatsächlich zu einer Existenzfrage der politischen Mitte werden - und ganz besonders für die CDU/CSU.