Panzerlieferungen Skeptischer Osten
Die Kampfpanzer für die Ukraine spalten Deutschland. Vor allem im Osten hat Kanzler Scholz keine Mehrheit hinter sich. Wieder einmal. Was sind die Gründe?
Deutschland liefert der Ukraine Kampfpanzer. Zögerlich und nur im Zusammenschluss mit anderen Verbündeten, aber die Bundesregierung liefert. Mit diesem abwägenden Kurs habe er eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, brachte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch im Bundestag zum Ausdruck.
Straßenumfragen in Halle oder Leipzig zeichneten später ein anderes Bild. Viele Menschen zeigten sich besorgt über eine mögliche Ausweitung des Krieges auf Deutschland. Mancher hielt die Ukraine nicht für unterstützungswürdig.
Dass es zumindest in Ostdeutschland keine Mehrheit für die Lieferungen gibt, hatte in der Vorwoche der ARD-DeutschlandTrend ergeben. 59 Prozent der Befragten in Ostdeutschland sprachen sich dagegen aus. So setzt sich trotz zwischenzeitlicher Unterstützung für Waffenlieferungen eine mehrheitliche Skepsis fort, die sich im Sommer bereits bei der großen Ablehnung der Sanktionspolitik gezeigt hatte.
"Brutales Desinteresse am russischen Standpunkt"
Der Politikpsychologe Thomas Kliche beobachtet die Diskussion von der Hochschule Magdeburg-Stendal aus. Die Frage der Panzerlieferungen sei schwierig, sagte Kliche tagesschau.de. Da die Konsequenzen nicht abzuschätzen seien, gebe es "kein richtiges Verhalten".
Schon jetzt sei Deutschland indirekt am Krieg beteiligt. Das habe Folgen für die Bewertung. Mit deutschen Waffen werde auf Soldaten eines Landes geschossen, über das Deutschland einst viel Leid gebracht habe. "Das ist moralisch kein gutes Gefühl", so Kliche. Ostdeutschen seien die Opfer des Zweiten Weltkriegs durch die DDR "klarer geworden". Gerade Ältere hätten zudem verschiedene persönliche Kontakte zu Russen gehabt.
Kliche sieht einen Grund für die Skepsis in der Art des politischen und medialen Diskurses. Er beklagt ein "brutales Desinteresse am russischen Standpunkt". Die Linkspartei habe zumindest die Frage gestellt, inwieweit der russische Angriff eine Reaktion auf Machtverschiebungen in Europa, etwa durch höhere Militärausgaben, gewesen sei. Das war "legitim", sagt Kliche, auch wenn er selbst anderer Meinung sei.
Zudem könne man schwer Position gegen Waffenlieferungen beziehen, ohne sofort "in die Nähe von Putin-Verstehern gerückt zu werden". Es gebe einen Druck, "die Klappe zu halten", sagt Kliche mit Blick darauf, wie die Debatte wahrgenommen wird. Menschen in Ostdeutschland würden das kennen. Auch verließen viele sich erfahrungsbedingt auf langfristige Beobachtungen statt auf offizielle Verlautbarungen. Korruption in der Ukraine und die "Lügen der Amerikaner über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak" würden nicht "einfach" vergessen, sagt Kliche.
AfD und Linke wollen mobilisieren
Ähnlich wie Kliche hatte sich in dieser Woche auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geäußert. Er halte es "für schwer erträglich, dass über jeden verbal hergefallen wird", der Bedenken gegenüber den Panzerlieferungen äußere, sagte Kretschmer der "Leipziger Volkszeitung". Es ist ein Satz, wie ihn auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich oder der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein hätten sagen können.
Kretschmer ist einer von fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU. In der Parteispitze, die monatelang auf schnellere und schwerere Waffenlieferungen gedrängt hat, ist er allerdings in der Minderheit.
Der Sachsen-CDU sind verbale Attacken aber nicht fremd. Der Vorsitzende der Stadtratsfraktion Dresden, Peter Krüger, nannte Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine "elendige Kriegstreiberin". Die FDP-Verteidigunspolitikerin befürwortet die Panzerlieferungen vehement. Krügers Äußerungen sorgten bundesweit für Unmut.
Rechts der CDU nährt die AfD Zweifel an der Verlässlichkeit der Ukraine und der USA. Die Partei mobilisiert unter dem Slogan "Deutschland zuerst" gegen Militärhilfe für die Ukraine. Auf die Teilnehmerzahlen der wöchentlichen Dauerdemonstrationen in ostdeutschen Städten hat das keine Auswirkung. Sie liegen derzeit weit unter denen aus dem Herbst vergangenen Jahres oder der Hochphase der Corona-Pandemie.
Nachdenklicher gibt sich die Linkspartei. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt, Jan Korte, sagte dem TV-Sender "Welt", die Linke habe Putin vor dem Überfall auf die Ukraine unterschätzt. Warum seien sich die Panzer-Befürworter da so sicher, "dass sie sich nicht in Putin täuschen, so wie wir es damals getan haben". Kortes Partei überlegt, ob und wie sie gegen die Panzerlieferungen mobilisieren kann.
"Butscha kann uns nicht egal sein"
Offene und prominente Fürsprecher der Panzerlieferungen gibt es zwischen Ostsee und Erzgebirge wenige. Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitiker Marcus Faber aus Stendal gehört dazu. Wenn er über das Verhältnis von Ostdeutschen zu Russen spricht, benutzt Faber das Wort "Respekt". Vor allem unter Jüngeren herrsche ein "gewisser Respekt vor Russland", so Faber. Sie erinnerten sich an die Besatzungszeit, an die militärische Stärke.
500 Meter von Fabers Wohnhaus entfernt unterhielt die Sowjetarmee eine Garnison mit 8000 Angehörigen. Sie verließen Stendal im Frühjahr 1991. Faber war da sieben Jahre alt.
Ihm sei wichtig, dass Deutschland nicht in den Krieg "verwickelt" werde, sagt Faber. Nicht jedem sei klar, dass man durch die Lieferungen nicht zur Kriegspartei werde. Aber entscheidet das nicht im Zweifel Moskau? Ja, sagt Faber, aber man dürfe sich nicht von einem Diktator erpressen lassen. Seit Kriegsbeginn war er mehrfach in der Ukraine.
"Uns ist Butscha ein Begriff", sagt Faber über die Erschießung von Zivilisten in dem Kiewer Vorort. "In der Ukraine hat Butscha Hundert Namen. Das kann mir nicht egal sein." Verhandlungsbereitschaft lasse sich bei Putin nur mit militärischem Druck erreichen. Für diesen unterstütze Deutschland die Ukraine.
Wo Thomas Kliche eine Verhärtung des Diskurses beklagt, vermisst Faber sachliche Argumente. So seien die Menschen "vorsichtiger" bei Kampfpanzer-Lieferungen. Rational sei das aber nicht. Die bereits gelieferten Panzerhaubitzen hätten eine wesentlich höhere Reichweite und Durchschlagskraft, sagt Faber. In jedem Fall werde die Ukraine solange militärisch unterstützt, wie es dafür eine gewählten Mehrheit im Bundestag gebe.