Olaf Scholz und Friedrich Merz im Bundestag

Nach Scholz' Regierungserklärung Startschuss für den Wahlkampf

Stand: 13.11.2024 16:57 Uhr

Die Ampelkoalition ist zerbrochen, der Neuwahltermin steht, nun beginnt der Wahlkampf. Der Schlagabtausch nach der Regierungserklärung von Kanzler Scholz gibt einen Vorgeschmack darauf, wie hart er werden könnte.

Eine Woche nach dem Ampel-Aus hat Oppositionsführer Friedrich Merz mit scharfen persönlichen Angriffen gegen Kanzler Olaf Scholz den Wahlkampf eröffnet. Im Bundestag sprach der CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Scholz in seiner Antwort auf dessen Regierungserklärung jede Regierungs- und Führungskompetenz ab. "Sie spalten das Land, Herr Bundeskanzler. Sie sind derjenige, der für diese Kontroversen und für diese Spaltung in Deutschland verantwortlich ist. So kann man ein Land einfach nicht regieren."

Markus Preiß, ARD Berlin, zur Debatte im Bundestag

tagesschau, 13.11.2024 17:00 Uhr

Scholz hatte zuvor in einer Regierungserklärung die Entlassung seines Finanzministers Christian Lindner und das damit verbundene Aus der Ampel-Koalition als "unvermeidlich" verteidigt. Gleichzeitig warnte er vor einer Spaltung des Landes und rief dazu auf, in der Politik weiter auf Kompromisse zu setzen. "Der Weg des Kompromisses bleibt der einzig richtige Weg."

Scholz begrüßte die Einigung auf einen Termin für die Neuwahl des Bundestags. "Der Termin Ende Februar steht nun und ich bin sehr dankbar dafür."  Er werde am 11. Dezember die Vertrauensfrage beantragen, damit der Bundestag am 16. Dezember darüber entscheiden könne. Erhält er wie erwartet keine Mehrheit, findet die Neuwahl am 23. Februar statt. Bis dahin bleiben 102 Tage für den Wahlkampf. Scholz' Regierungserklärung und die anschließende Debatte hat gezeigt, wie hart dieser werden könnte.

Merz warnt vor schmutzigem Wahlkampf

Merz warf der SPD vor, einen schmutzigen Bundestagswahlkampf führen zu wollen. "Seit gestern kursieren im Netz KI-generierte Fake-Videos über mich. So weit, so schlecht", sagte er an die Adresse von Scholz. "Aber dass sie von sozialdemokratischen Abgeordneten gepostet werden und weitergeleitet werden, das gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise des Wahlkampfes, den Sie hier in Deutschland offensichtlich bereit sind zu führen."

Der CDU-Politiker reagierte damit offenbar auf ein Video, das der schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt auf seinem Instagram-Account geteilt hatte. Bergt hatte dazu gesagt, es handele sich erkennbar um "eine überspitzte Satire" und nicht um Fake News. Die Regierungserklärung von Scholz bezeichnete Merz als "Geisterstunde". "Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Bundeskanzler, ist nicht von dieser Welt." Der Kanzler habe nicht verstanden, was in diesem Land los sei.

Söder fordert "weniger woke, divers, Gender"

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder schlug bei seiner Rede in eine ähnliche Kerbe. Die Bürger machten sich Sorgen, sagte der CSU-Politiker. Angesichts von Ukraine-Krieg, "Terror in Nahost" und dem Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen bräuchte es eigentlich "ein starkes Deutschland". Doch stattdessen "verbreiten wir in Deutschland die maximale Schwäche. Wir sind absolut regierungsunfähig und Schuld an dieser Regierungsunfähigkeit trägt nun mal die Ampel", sagte Söder.

Markus Söder

Markus Söder bezeichnet Deutschland bei seiner Rede im Bundestag als "regierungsunfähig"

Keine andere Bundesregierung zuvor habe "dieses Land tiefer gespalten" als das Ampel-Bündnis. Das Ende der Koalition in der vergangenen Woche sei zudem "eine Schmierenkomödie" gewesen. "Das halbe Land hat sich dafür fremdgeschämt". Mit Blick auf die bald anstehenden Neuwahlen sagte Söder: "Wir müssen das Land wieder in Ordnung bringen."

Nötig sei dafür eine "neue Mentalität", fügte er hinzu: "Weniger woke, divers, Gender - mehr Leistung, Fleiß und Pünktlichkeit." Der CSU-Vorsitzende sah vor dem Hintergrund aktueller Umfragewerte bereits einen "klaren Regierungsauftrag" für die Union.

Die AfD teilt in beide Richtungen aus

AfD-Chefin Alice Weidel hat Bundeskanzler Scholz nach seiner Regierungserklärung schwere Vorwürfe gemacht. "Das, was Ihre Regierung diesem Land und seinen Bürgern angetan hat, ist beispiellos", sagte sie. Die Ampel habe wie keine Regierung zuvor Wohlstand zerstört und das Land geschädigt. Weidel sprach von einer "aberwitzige(n) Politik der grünen Transformation" und einer Deindustrialisierung und griff die Regierung wegen ihrer Migrationspolitik an. "Auf den Straßen toben sich importierte Judenhasser aus", sagte Weidel.

Sie griff aber auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz scharf an und warf ihm Heuchelei vor. Er wolle keine Politikwende für Deutschland. "Ihnen geht es ganz allein um sich selbst, um Ihre Macht um Parteitaktiererei und vor allen Dingen um ihre Eitelkeit. Mit Ihnen als "Ersatz-Scholz" kommt Deutschland nicht voran."

Keine Politik "mit der Faust auf den Tisch"

Die Regierungserklärung des Kanzlers war dagegen vergleichsweise defensiv. Öffentlicher Streit dürfe nie wieder die Arbeit der Regierung überlagern, sagte er. "Natürlich funktioniert das nicht mit der Faust auf den Tisch", verteidigte Scholz seinen Regierungsstil. Er rief alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Dies sei die zentrale Frage bei der anstehenden Neuwahl im Februar. "Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder gegen jeden kommt", sagte der SPD-Politiker. 

Er sprach sich für mehr Investitionen in Sicherheit aus. Das dürfe aber niemals zulasten von Rente, Gesundheit oder Pflege gehen. Sicherheit und Zusammenhalt - das eine sei ohne das andere nicht zu haben. "Dieses "entweder oder" ist falsch und führt unser Land in die Irre." Das "entweder oder" sei ein Konjunkturprogramm für Populisten und Extremisten.

Gesetze, die keinen Aufschub dulden

Bis zur Wahl sei die Bundesregierung im Amt. "Und selbstverständlich ist auch das Parlament in dieser Zeit handlungsfähig", sagte Scholz. Die Zeit solle genutzt werden, um wichtige Gesetze zu beschließen, die keinen Aufschub duldeten. Scholz rief die Union dazu auf, vor der Auflösung des Bundestags gemeinsam noch wichtige Gesetze miteinander zu beschließen. "Lassen Sie uns da, wo wir einig sind, auch einig handeln. Es wäre gut für unser Land", sagte er.

Konkret nannte Scholz Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression bei der Einkommensteuer, die zum 1. Januar 2025 gelten sollten. Nötig sei zudem, schnell möglichst viel von der vorgesehenen Regierungsinitiative für mehr Wachstum zu beschließen. Auch eine Kindergelderhöhung solle Anfang 2025 kommen. Der Kanzler nannte außerdem Grundgesetzänderungen, um das Bundesverfassungsgericht stärker gegen mögliche politische Einflussnahmen zu wappnen.

Union startet mit Vorsprung

In den kommenden gut 100 Tagen bis zum Wahltermin sieht es nach einer klaren Sache für die Union aus. Sie erreicht seit einem Jahr in den Umfragen stabil 30 Prozent und mehr. Die SPD als stärkste Regierungspartei liegt derzeit mit 16 bis 18 Prozentpunkte dahinter auf Platz 3 - noch hinter der AfD. Aber vor der Wahl 2021 war das nicht anders. Noch zweieinhalb Monate vor dem Wahltermin lagen Scholz und die SPD bis zu 16 Prozentpunkte hinter der Union. Ein Lacher von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Flutgebiet drehte die Stimmung. Die SPD gewann am 26. September schließlich mit 25,7 zu 24,1 Prozent gegen die Union. Scholz wurde Ampel-Kanzler. 

Mit der Erzählung des Triumphs von 2021 macht sich die SPD jetzt Mut - und hofft auf Fehler von Merz. Und die anderen? Die Grünen können nach aktuellem Stand mit 11 bis 12 Prozent rechnen. Die FDP kratzt in den Umfragen an der 5-Prozent-Hürde, die Linke liegt klar darunter. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte mit Werten von aktuell 5 bis 9 Prozent den Einzug in den Bundestag schaffen und die AfD ist mit 15 bis 19,5 Prozent die Nummer 2.

Erstmals wird es in einem Wahlkampf vier Kanzlerkandidaten geben. Nur beim amtierenden Kanzler Scholz ist noch nicht klar, wann er sich offiziell Kanzlerkandidat nennen darf. Die Parteispitze beteuert zwar, dass er es zweifellos werde. Der Vorstand verzichtete aber in seiner ersten Sitzung nach dem Ampel-Aus am Montag darauf, ihn formell zu nominieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 13. November 2024 um 17:00 Uhr.