Debatte über Waffenrecht Zu liberal oder schlecht kontrolliert?
Es ist eine wiederkehrende Frage nach Amoktaten: Soll das Waffenrecht verschärft werden? Die Gewerkschaft der Polizei befürwortet dies ebenso wie Innenministerin Faeser. Doch es gibt auch Warnungen vor "überhasteten Forderungen".
Nach dem Amoklauf in einem Hamburger Gemeindehaus der Zeugen Jehovas schließt sich die Gewerkschaft der Polizei Rufen nach einer Verschärfung des Waffenrechts an. Dies müsse unverzüglich geschehen, forderte der Gewerkschaftsvorsitzende Jochen Kopelke im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch müssten Waffen deutlich reduziert werden.
Eine schnelle Gesetzesänderung aufgrund der sich "gefühlt mehrenden Vorfälle" sei wichtiger als eine vorherige systematische Überprüfung der Anpassung. Es dürfe keine Zeit durch Personalmangel und Datenschutzprozesse verloren werden.
Mehr Personal für Polizei gefordert
Auch die private Aufbewahrung von Sportwaffen müsse unter die Lupe genommen werden, sagte der Bremer Polizist Kopelke. Dafür müssten Vereine Vorschläge machen und das Bundesinnenministerium den rechtlichen Rahmen klären. Für geplante neue Abfragen bei Polizei, Bundespolizei und Zollkriminalamt werde mehr Personal benötigt, weil sonst keine Verbesserung mit einer Rechtsänderung einhergehe.
Faeser will Gesetzentwurf prüfen
Zuvor hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine Prüfung ihres im Januar vorgelegten Gesetzentwurfs zum Waffenrecht angekündigt. Die Tat in Hamburg zeige, "wie notwendig Änderungen" seien, sagte die SPD-Politikerin in den tagesthemen. So solle künftig beim Antrag auf eine Waffenbesitzkarte überprüft werden, "ob jemand psychologisch geeignet ist". Dazu brauche man mit den Gesundheitsbehörden eine Überprüfung, so Faeser. "Wir wollen vor allen Dingen eine bessere Vernetzung zwischen den Behörden." Das sei zum Beispiel bei einem Wohnortwechsel wichtig.
In Faesers bisherigem Gesetzentwurf ist ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halbautomatischen Langwaffen für Privatleute vorgesehen - darunter fallen etwa Gewehre wie die AR-15 und dessen Nachbauten, die Sturmgewehren nachempfunden sind. In den USA werden solche Waffen immer wieder bei Anschlägen und Amokläufen mit vielen Opfern eingesetzt, in Deutschland gibt es allerdings vergleichsweise wenige dieser Waffen.
Wiederkehrende Debatte nach Anschlägen
Ihr Gesetzentwurf sei unter dem Eindruck der Anschläge von Halle und Hanau entstanden, so Faeser. Bereits damals habe man gesehen, dass es beim Waffenrecht Handlungsbedarf gebe.
Der Täter von Hanau besaß legal mehrere Pistolen, der Attentäter in Halle hatte sich seine Schusswaffen selbst gebaut - teils mit Kunststoffteilen aus einem 3D-Drucker.
"Wir werden das diskutieren"
Die in Hamburg verwendete Tatwaffe würde ebenfalls nicht unter das Verbot halbautomatischer Langwaffen fallen. In Hamburg schoss der Täter mit einer halbautomatischen Pistole, die er als Sportschütze legal besaß. Ob auch solche Waffen verboten werden sollten, werde man nun prüfen, sagte Faeser. "Wir werden das sicher diskutieren."
Halbautomatische Pistolen sind weit verbreitet - sie werden von Sicherheitsbehörden, Sportschützen und Jägern genutzt. Sie werden in verschiedenen Kalibern und von unterschiedlichen Herstellern gefertigt. Das "halbautomatisch" bezieht sich dabei auf den Ladevorgang: Beim Drücken des Abzug wird ein Projektil abgefeuert und die Waffe danach automatisch geladen. Die Schützin oder der Schütze muss die Waffe also nicht erneut selbst spannen wir vor dem ersten Schuss.
FDP warnt vor "überhasteten Forderungen"
Faesers Pläne hatten die Verbände der Jäger und Schützen gegen sich aufgebracht, die Unterstützung von der FDP bekamen. Daran ändert offenbar auch die Amoktat in Hamburg wenig.
"Psychisch kranke Personen dürfen keine Schusswaffen besitzen. Es ist gut und richtig, dass das Waffenrecht dies schon heute unmissverständlich regelt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, der Nachrichtenagentur dpa.
Im Nachgang zu der schrecklichen Tat in Hamburg müsse nun aufgeklärt werden, warum die Waffenbehörde von einer Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis abgesehen hatte. "Dabei muss auch über eine bessere Ausstattung der Waffenbehörden gesprochen werden", sagte Kuhle. Ohne eine präzise Aufarbeitung der Hintergründe seien "überhastete Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen nicht angezeigt".
Mihalic macht Widersprüche aus
Die Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, stellte die jetzigen Regelungen teilweise in Frage. Es sei beispielsweise "mehr als fragwürdig, warum nur Unter-25-Jährige ein amtsärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen müssen bei der Beantragung einer waffenrechtlichen Erlaubnis", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Da Schusswaffen in den falschen Händen Menschenleben gefährden, sollten solche Gutachten alle Antragsteller - egal welchen Alters - vorlegen müssen, forderte Mihalic. Auch sollten entsprechende Eignungsüberprüfungen eigentlich in regelmäßigen Abständen wiederholt werden müssen.
Der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, sagte im NDR, dass auch ein Verbot von halbautomatischen Pistolen für Privatleute geprüft werden müsse. "Diese schreckliche Tat hat gezeigt, dass legale Waffenbesitzer mit Waffengewalt Schlimmes anrichten können in dieser Gesellschaft", sagte Emmerich. "Weniger Waffen in privaten Händen sorgen für mehr öffentliche Sicherheit."
Hinweis auf Hamburger Täter
Beim Täter in Hamburg hatte es nach Angaben der Behörden einen anonymen Hinweis auf eine psychischen Erkrankung gegeben. Dazu erhielt die Polizei im Januar ein anonymes Schreiben. Darin wurde eine Überprüfung der Waffenfähigkeit des Täters gefordert. In dem Schreiben wurde auch auf eine Wut auf alles Religiöse - insbesondere auf die Zeugen Jehovas - verwiesen.
Eine unangekündigte Kontrolle der Polizei bei ihm habe aber keine Hinweise geliefert, die das anonyme Schreiben bestätigt hätten, erklärte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Freitag. Demnach hielt der Mann die Vorschriften zur Aufbewahrung der Waffe ein und verhielt sich kooperativ.
Möglicherweise Konflikt mit Zeugen Jehovas
Der 35-Jährige wuchs im Allgäu auf und lebte seit 2014 in Hamburg. Er war ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas. Er habe die Gemeinschaft vor anderthalb Jahren "freiwillig, aber nicht im Guten" verlassen, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote. Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft schließen die Ermittler derzeit nicht aus.
Im Internet verbreitete der mutmaßliche Schütze Thesen über das Reich Christi, Gott und Satan. Vor einigen Monaten veröffentlichte er ein Buch in englischer Sprache, das offenbar krude Thesen enthält.