Bundestag Wie die Wiederholungswahl in Berlin abläuft
Wähler in 455 Berliner Stimmbezirken sind aufgerufen, erneut ihre Stimme für den Bundestag abzugeben. Wer darf noch einmal wählen? Und was ändert das an der Zusammensetzung des Bundestags? Ein Überblick.
Wer darf wählen?
Etwa 550.000 Berliner sind noch einmal zur Wahl aufgerufen. Da die ursprüngliche Wahl länger als sechs Monate her ist, wurde ein neues Wählerverzeichnis erstellt. Es zählt, wer jetzt wahlberechtigt ist - und nicht, wer es 2021 war.
Wer aus Berlin weggezogen ist, darf also nicht teilnehmen. Andererseits sind Menschen wahlberechtigt, die erst seit Kurzem in der Hauptstadt leben oder gerade volljährig geworden sind - immer vorausgesetzt, sie wohnen in einem betroffenen Stimmbezirk, also bestimmten Vierteln oder Straßenzügen.
Besonders wahrscheinlich ist das in Berlin-Pankow: Dort werden mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten noch einmal aufgerufen.
Das zeigt, dass eine Wahlwiederholung immer auch ein Dilemma ist und neue Gerechtigkeitsfragen aufwirft: Einige Wähler werden insgesamt mit zwei Stimmen zum Bundestag beitragen. Andere werden gar nicht mehr repräsentiert sein, weil sie beispielsweise von Pankow ins kaum betroffene Köpenick umgezogen sind.
Wer tritt an und sehen die Wahlzettel genauso aus wie 2021?
Grundsätzlich gilt, dass laut Bundeswahlgesetz eine Wiederholungswahl mit denselben Wahlvorschlägen stattfindet. Wer also 2021 Direkt- oder Listenkandidat war, ist es auch 2024.
Es gibt nur wenige Ausnahmen: Zum Beispiel können Verstorbene nicht auf dem Stimmzettel bleiben. Außerdem sind Namensanpassungen zulässig, etwa wenn ein Kandidat inzwischen geheiratet oder einen Doktortitel erworben hat.
Neue Parteien oder Kandidaten werden zur Wahl im Februar nicht zugelassen. Auch Bewerber, die aus einer Partei ausgetreten sind oder die Partei gewechselt haben, stehen für ihre alte Partei auf dem Wahlzettel. Das könnte Linke-Politiker betreffen, falls sie sich nun für das Bündnis Sahra Wagenknecht engagieren.
Ist es möglich, dass in einem Wahlkreis das Direktmandat wechselt?
In mehreren Wahlkreisen ist das rechnerisch möglich. Am wahrscheinlichsten ist es in Pankow und Reinickendorf.
In Pankow hat Stefan Gelbhaar für die Grünen mit vier Prozentpunkten Vorsprung vor dem SPD-Kandidaten gewonnen. Weil dort ein Großteil noch einmal wählt, kann das Ergebnis sehr anders ausfallen.
"Wir wollen das erste grüne Direktmandat in Ostdeutschland verteidigen", sagte Gelbhaar im Wahlkampf. "Die Mitbewerber vor allem von CDU und SPD schlafen nicht." Unklar ist, wer der Hauptkonkurrent wird - folgt man dem Bundestrend, könnte auch die Union heranrücken.
In Reinickendorf wird nicht in so vielen Stimmbezirken wiederholt, doch das damalige Ergebnis war denkbar knapp: 1,4 Prozent lag Monika Grütters von der CDU vor Torsten Einstmann von der SPD. "Ich rechne mir tatsächlich eine Chance aus", sagte Einstmann.
Die beiden bisher direkt Gewählten, Gelbhaar und Grütters, sind ohnehin auch über die Landesliste abgesichert. Das heißt: Egal, wie es ausgeht - sie sind wieder im Bundestag. Aber für die Landesparteien und einzelne Bundestagsfraktionen könnte es um einen Sitz mehr oder weniger gehen.
Welche Rolle spielt die Wahlbeteiligung?
Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler hofft auf einen Wert um die 60 Prozent wie bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar 2023. "Wünschen würde ich mir das auch, aber ich fürchte, dass wir in diese Dimension nicht ganz kommen werden", sagte der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas der Nachrichtenagentur dpa. Es stehe zu wenig auf dem Spiel, auch der Wahlkampf und die mediale Begleitung seien "doch sehr pflichtschuldig" verlaufen.
Faas prognostizierte bereits im Januar wenig Wählerinteresse: "Die Wahlbeteiligung in den 455 Stimmbezirken wird dramatisch niedriger sein als 2021." Damals lag sie bei etwa 75 Prozent. Für 2024 würde er auf 40 Prozent Wahlbeteiligung tippen, so Faas. "Entsprechend geringer wird die Repräsentanz von Berlin im Bundestag ausfallen."
"Alle Berliner Landesparteien haben ein Interesse daran, dass es keine Geisterwahl wird", sagte deshalb auch Stefan Gelbhaar von den Grünen. Denn es geht nicht nur um Berliner Direktmandate. Neben der Erst- wird auch die Zweitstimme wiederholt und dann aufs ganze Bundesgebiet umgerechnet. Berlin könnte bei schlapper Beteiligung Mandate verlieren.
Besonders gefährdet sind Abgeordnete, die als Letzte über ihre Landesliste in den Bundestag eingezogen sind: Bei den Grünen betrifft das Nina Stahr, bei der AfD Götz Frömming und bei der SPD muss Nachrückerin Ana-Maria Trăsnea zittern.
Kann es auch Auswirkungen außerhalb Berlins geben?
Es kann zu "länderübergreifenden Verschiebungen bei der Sitzverteilung" kommen, so technisch formuliert es die Berliner Landeswahlleitung: "Auch in anderen Bundesländern können neue Mandatsgewinne oder -verluste entstehen."
Mandate, die Berliner Landesverbände verlieren, könnten also an ihre Parteifreunde in anderen Bundesländern wandern. Es gibt sogar Berechnungen, nach denen Abgeordnete anderer Bundesländer unter bestimmten Voraussetzungen ihr Mandat verlieren.
Wie schnell wird sich der Bundestag ändern?
Normalerweise dauert es nach einer Wahl bis zu sechs Wochen, bis das neue Parlament zusammenkommt. Dieses Mal geht die Legislatur einfach weiter. Wenn das Endergebnis feststeht, beschließt der Ältestenrat des Bundestags "unverzüglich von Amts wegen", wer seinen Sitz verliert, so die Bundeswahlleitung.
"Da würde ganz viel Veränderung auf mich einstürzen", sagte SPD-Bewerber Torsten Einstmann. Seine Arbeitsstelle in einem Bundesministerium müsste ruhen.