Diskussion über Panzerlieferungen Auch Pistorius wartet auf den Kanzler
Im Streit um mögliche "Leopard"-Lieferungen an die Ukraine hat Verteidigungsminister Pistorius Geduld für die nötige Abwägung angemahnt. Die Entscheidung falle "im Kanzleramt". Außenministerin Baerbock machte deutlich, dass Deutschland eine Lieferung anderer Staaten nicht blockieren werde.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat den Abwägungsprozess der Bundesregierung zur Lieferung von "Leopard 2"-Panzern an die Ukraine verteidigt. "Es geht ja nicht um die bloße Frage der Lieferung oder Nichtlieferung dieser Panzer, sondern auch um die Abwägung der Konsequenzen von Nichthandeln, aber auch genauso von Handeln", sagte er in der ARD-Sendung "Anne Will".
Als "'Leopard'-Nation" habe Deutschland eine besondere Verantwortung, "der wir gerecht werden müssen", sagte der Minister. Beim "Leopard" handele es sich um eine schwere Panzerwaffe, die auch für Offensivzwecke eingesetzt werden könne. "Und da muss man sehr sorgfältig abwägen, wann man die in dieses Geschehen mit einbringt." Er finde es im deutschen und europäischen Interesse, dies behutsam und abgewogen zu tun, "und nicht übereilt oder leichtfertig".
"Nicht alle Unterstützerländer einer Meinung"
Entscheidungen würden "dann getroffen, wenn sie anstehen - und das passiert im Kanzleramt". Es gehe dabei unter anderem um die Frage der Sicherheit der eigenen Bevölkerung und den Anspruch, nicht Kriegspartei werden zu wollen, sagte Pistorius, "und gleichzeitig mit aller Macht die Ukraine dabei zu unterstützen, diesen Krieg zu gewinnen". Es werde "bald eine Entscheidung geben", kündigte er an. Dies hänge aber von vielen Faktoren ab. Es gebe auch andere Staaten, "die ihre Beiträge liefern können".
Man sei "in allen Schritten während dieses furchtbaren Krieges als Alliierte gemeinsam und abgestimmt vorgegangen" und habe dabei gute Erfahrungen gemacht. Es gebe keinen Grund, bei der Lieferung von Kampfpanzern von diesem Vorgehen abzuweichen. Auch bei dem Treffen der Unterstützerländer in Ramstein am vergangenen Freitag sei es keineswegs so gewesen, dass alle einer Meinung waren. "Es waren Länder dabei, die klar gesagt haben, wie sind noch nicht so weit mit unserer Entscheidung und wir haben unsere Kabinette noch nicht damit befasst. Es ist ein Prozess, der im Gange ist und Deutschland war da nicht isoliert."
Bestandsprüfung als Vorbereitung für Entscheidung
Deutschland stehe bereits an der Spitze derjenigen Länder weltweit, die die Ukraine unterstützen. Man habe bereits Systeme, Waffen und Ausstattung im Wert von 3,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, sagte Pistorius. Nur Großbritannien und die USA hätten mehr getan. "Wir müssen uns da nicht verstecken und diese Schuldzuweisungen helfen niemandem." Die Prioritäten lägen derzeit ohnehin auf der Luftverteidigung und der zugehörigen Munition.
Angesprochen auf seine Ankündigung, die Bundeswehrbestände des Panzertyps prüfen zu wollen, sagte der SPD-Politiker, sein Auftrag sei "deutlich weitgehender und präziser als nur zu zählen, wie viele 'Leopard'-Panzer es gibt und wie viele lieferbar wären". Dies sei bereits seit dem vergangenen Mai bekannt. Es gehe ihm vor allem um Einsatzfähigkeit und -zeitpunkt und die Abstimmung mit den Partnern und der Industrie. Er wolle vorbereitet sein für eine mögliche Entscheidung für die Lieferung der '"Leopard"-Panzer.
Bundeskanzler Olaf Scholz ließ indes beim deutsch-französischen Gipfel in Paris weiterhin offen, wann er seine Entscheidung über die Lieferung deutscher Kampfpanzer in die Ukraine treffen und wovon er sie abhängig machen wird. "Wir handeln nur eng miteinander abgestimmt", bekräftigte er lediglich.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich derweil offen für eine Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine durch Polen. "Wir wurden bisher nicht gefragt und (...) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Wege stehen", sagte die Grünen-Politikerin dem französischen Sender LCI. Baerbock antwortete auf die Frage, was geschehe, wenn Polen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern würde.
Merz kritisiert Kommunikation
CDU-Chef Friedrich Merz forderte Scholz dazu auf, sein Zögern zu erklären. "Wir wissen ja gar nicht, warum er so zögert", sagte Merz im Bericht aus Berlin. "Auch wenn man dann bereit wäre, Verständnis für seine Haltung zu haben - er müsste sie wenigstens gut erklären." Viele fragten sich, warum er nicht handele.
Bei seiner Rede zum Jubiläum der deutsch-französischen Verträge in Paris habe Scholz eine Chance verpasst, für die kommenden Tage einen gemeinsamen Vorschlag zum weiteren Vorgehen anzukündigen. "Diese Chance hat er nicht genutzt, und das hat auch in den Gesprächen nach der Rede und nach dem Festakt heute morgen hier eine erhebliche Rolle gespielt und zwar parteiübergreifend." Deutschland und Frankreich müssten gemeinsam eine Antwort auf die Frage geben, wie es nun weitergehe. Dazu gebe es in Deutschland und auch in Frankreich eine klare Haltung - "nur leider eben vom deutschen Bundeskanzler nicht".
Schnelle Entscheidung gefordert
Dass die Bundesregierung bislang keine Entscheidung über eine Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern an die Ukraine getroffen hat, stößt sowohl innen- als auch außenpolitisch auf wachsende Kritik. Bei ihrem Treffen in Ramstein hatten die Unterstützerländer keine Lieferungen der Kampfpanzer beschlossen, auf die Kiew seit Monaten drängt.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dringt auf eine rasche Positionierung der Bundesregierung zu Panzer-Lieferwünschen anderer Staaten an die Ukraine. Wenn es von Staaten in der Europäischen Union eine Bitte um Liefererlaubnis gebe, "dann verdienen sie eine schnelle Antwort", sagte Nouripour im Bericht aus Berlin. Er betonte zugleich die Bedeutung internationaler Abstimmung in der Frage der Waffenlieferungen.