Bettina Stark-Watzinger im Bundestag

Kritik am Bildungsministerium Was bisher zur Fördergeld-Affäre bekannt ist

Stand: 10.09.2024 05:01 Uhr

Im Zuge der Fördergeld-Affäre geriet die zuständige Ministerin Stark-Watzinger unter Druck - und muss nun erneut vor den Bildungsausschuss treten. Worum geht es und was ist bisher passiert?

Von Manuel Biallas und John Goetz, NDR

Montag, 11. Juni 2024: Interner Mailverkehr veröffentlicht

Das ARD-Magazin Panorama veröffentlicht einen internen Mailverkehr aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, das von Bettina Stark-Watzinger geleitet wird. Daraus geht hervor, dass das Ministerium intern prüfen ließ, ob kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die nicht der politischen Linie des Ministeriums folgen, Fördergelder entzogen werden könnten.

Anlass für die Prüfung war ein offener Brief von mehreren Hundert Hochschullehrenden im Mai 2024, in dem sie die polizeiliche Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin kritisierten. Die Unterzeichnenden des Briefes stellten sich ausdrücklich nicht hinter die Forderungen der Studierenden, betonten jedoch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit.

Innerhalb des Bildungsministeriums wurde um "eine förderrechtliche Bewertung, inwieweit von Seiten des BMBF ggf. Förderrechtliche Konsequenzen (Widerruf der Förderung etc.) möglich sind", gebeten - wie die Panorama vorliegenden Mails belegen.

Außerdem wollte man prüfen lassen, ob sich in dem offenen Brief strafrechtlich relevante Aussagen finden lassen. So wird auch "um eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz der Aussagen in dem offenen Brief" gebeten. Kritiker sahen darin den Versuch, in die Wissenschaftsfreiheit einzugreifen.

Montag, 17. Juni: Entlassung der Staatssekretärin

Bildungsministerin Stark-Watzinger nimmt in der Bundespressekonferenz Stellung zu den Vorwürfen. Sie betont: "Ich habe den betreffenden Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen prüfen zu lassen, nicht erteilt und auch nicht gewollt."

Stattdessen schiebt sie die Verantwortung für die "Fördergeld-Affäre" auf ihre Staatssekretärin Sabine Döring und entlässt diese eine Woche nach der Veröffentlichung der Recherche.

Montag, 24. Juni: Neue interne Mails aus dem Ministerium

Panorama veröffentlicht in einer gemeinsamen Recherche mit FragDenStaat einen weiteren Mailverkehr aus dem Bildungsministerium. Daraus geht hervor, dass im Bildungsministerium der Auftrag erteilt wurde, die Unterzeichner des offenen Briefes daraufhin zu überprüfen, ob sie Zuwendungsempfänger oder Gutachter des Bildungsministeriums sind. Die entsprechenden Namen sollten dann in einer Liste als Unterzeichner markiert werden.

Bei den Bearbeitern des Auftrags sorgte diese Überprüfung offenbar für Unbehagen: So heißt es in den Mails, die Panorama und FragDenStaat vorliegen: "Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass es unter den Kolleginnen und Kollegen großes Unwohlsein ausgelöst hat, Namen in Listen zu markieren, (...) aus meiner Sicht ist dieses Statement absolut durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt."

Weiter heißt es: "Sollten Sie die Liste dennoch übermittelt bekommen haben wollen, dann mache ich das selbstredend." Auf die geäußerten Bedenken hin antwortete ein Mitarbeiter des Ministeriums:: "(...) guten Morgen. Ich finde diese Haltung sehr schwierig, um es etwas zurückhaltend zu formulieren. Ich bitte Sie, unserem Wunsch zu folgen. (...)"

Dienstag, 25. Juni: Keine Antwort auf neue Anfrage

Auf die Panorama-Anfrage zum genauen Vorgang im BMBF und der Anfertigung von Namenslisten kritischer Hochschullehrender antwortete das Ministerium bis zum Ende der Frist nicht, obwohl es am 16. Juni öffentlich ankündigte, den Sachverhalt gründlich und transparent aufzuarbeiten. Stattdessen forderte das Ministerium einen Tag später eine vermeintliche "Richtigstellung" von der Redaktion und schreibt dazu:

"Richtig ist: Um auf Nachfragen der Presse vorbereitet zu sein, wurde im BMBF auf Fachebene eine Übersicht der Unterzeichner des Offenen Briefes, die in einer Verbindung zum BMBF stehen, erstellt. Diese Übersicht wurde nicht der Ministerin vorgelegt und auch nicht an das Pressereferat oder Dritte übermittelt. Die Übersicht verblieb auf Fachebene und wurde erst im Zuge der nach dem Panorama-Bericht am 11. Juni im BMBF angestoßenen Aufklärung über die zuständige Fachabteilung hinaus bekannt."

Das Ministerium gab gegenüber Panorama an, die Liste erstellt zu haben, um auf Nachfragen der Presse vorbereitet zu sein – allerdings sei die Liste nie an das Pressereferat übermittelt worden.

Daraus ergaben sich weitere Fragen: Wozu wurde dann die Liste erstellt, wie es das Ministerium behauptet, wenn nicht zum Zweck der Pressearbeit? Mit dieser und anderen Fragen fasste die Redaktion noch einmal nach. Auch hier erhielt die Redaktion bis heute keine Antwort.

Mittwoch, 26. Juni: Offene Fragen nach Auftritt der Ministerin im Ausschuss

Stark-Watzinger tritt das erste Mal vor den Bildungssauschuss im Bundestag. Die Ministerin trägt immer wieder den Satz vor, sie habe den Auftrag für förderrechtliche Prüfungen "nicht erteilt und nicht gewollt".

Oppositionspolitiker bezweifeln, dass Stark-Watzinger in diese Vorgänge nicht eingebunden war. Der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek wirft ihr in der Ausschusssitzung zudem vor, von ihm gestellte Fragen nicht zu beantworten.

Freitag, 5. Juli: Entlassene Staatssekretärin klagt gegen Ministerium

Sabine Döring klagt vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Ministerium. Der Grund: Döring will sich in der sogenannten Fördergeld-Affäre öffentlich äußern. Das Bundesbildungsministerium, ihr ehemaliger Dienstherr, genehmigt das aber nicht und hat ihr für den Fall eines Verstoßes Disziplinarmaßnahmen angedroht. Beamtinnen und Beamte unterliegen einer sogenannten dienstlichen Verschwiegenheitspflicht.

Diese gilt auch dann, wenn das Dienstverhältnis schon beendet ist. Das heißt: Ohne die Genehmigung des Dienstherrn dürfen Beamte weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben.

Freitag, 6. September: Gericht bestätigt - Staatssekretärin darf sich nicht äußern

Das zuständige Verwaltungsgericht Minden weist den Eil-Antrag von Sabine Döring ab. Es stünden ihr keine Ansprüche auf "Unterlassung sowie Aussagegenehmigung gegen die Bundesrepublik Deutschland" zu.

Dienstag, 10. September: Bildungsausschuss befragt Stark-Watzinger

Der Bildungsausschuss im Bundestag befasst sich erneut mit dem Thema und befragt Ministerin Stark-Watzinger. Die ehemalige Staatssekretärin Döring erhofft sich nun Klarheit über den Prüfauftrag: "Nachdem die Wissenschaft ohnehin nicht glaubt, dass ich eine förderrechtliche Prüfung beantragt hätte, das Verwaltungsgericht Minden nun bescheinigt, dass das BMBF deutlich gemacht habe, dass ich es nicht war, hoffe ich, dass wir heute erfahren, wer es war", sagte Döring dem ARD-Hauptstadtstudio.

"Nichts darf mehr offen bleiben", sagt auch der CDU-Politiker Jarzombek. Viele Fragen seien noch immer nicht beantwortet. "Die Ministerin hat die Aktenherausgabe verweigert und ihrer aussagewilligen Staatssekretärin einen bleiernen Maulkorb erteilt. Für die Ministerin schlägt heute die Stunde der Wahrheit", so Jarzombek.