Norwegen Der Oligarchensohn mit dem Drohnenfaible
In Norwegen als wichtigstem Gaslieferanten Europas gelten erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Mehrere Russen wurden wegen verbotener Fotoaufnahmen festgenommen, darunter ein Oligarchensohn. Er wartet im Gefängnis auf seinen Prozess.
"Ich bin auf See unterwegs und werde sehr wenige Gelegenheiten haben, meine Mails zu lesen und zu beantworten." So las sich die Abwesenheitsmail von Andrej Jakunin, Sohn des russischen Oligarchen, Putin-Vertrauten und Ex-KGB-Mitarbeiters Wladimir Jakunin.
Nun ist bekannt, wo sich der 47-jährige Geschäftsmann mit russischer und britischer Staatsbürgerschaft aufhält: Er wurde am 17. Oktober in Hammerfest im Norden Norwegens festgenommen und sitzt seitdem im Gefängnis. Die Jacht, mit der er unterwegs war, wurde festgesetzt, Drohnen und weitere elektronische Geräte beschlagnahmt. Inzwischen wurde er angeklagt, wie örtliche Medien berichten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen Verstoß gegen Paragraf 4 des Sanktionsgesetzes vor. Es verbietet Staatsbürgern Russlands den Einsatz von Drohnen in Norwegen. Der Polizei zufolge gab Jakunin zu, mit Drohnen Fotoaufnahmen gemacht zu haben. Er war um Spitzbergen und vor der norwegischen Küste unterwegs. Jakunin erklärte, Routen zum Bergsteigen gesucht und Naturaufnahmen gemacht zu haben. Als britischer Staatsbürger habe er nicht illegal gehandelt, sagte sein Anwalt Jens Bernhard Herstad dem "Barents Observer". Allerdings wurde an Bord der Jacht auch Jakunins russischer Pass gefunden.
Die nördlich gelegene Inselgruppe Spitzbergen ist von sicherheitsstrategischer und wirtschaftlicher Bedeutung für Norwegen. Russland reklamiert dort Schürfrechte und baut Kohle ab. Außerdem betreibt Norwegen vor der Küste zahlreiche Bohrplattformen für Öl und Gas. Seitdem weniger Gas aus Russland nach Europa kommt, ist Norwegen wichtigster Gaslieferant. Zuletzt wurden häufig Drohnen an der Energie-Infrastruktur wie Gas- und Ölplattformen sowie an Flughäfen gesichtet. Dies sowie die Explosionen an den Gaspipelines Nordstream 1 und 2 veranlasste Norwegen zu erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Das Militär wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Ministerpräsident Jonas Gahr Støre verwies auf Einschätzungen der Sicherheitsbehörden, wonach Russland offenbar riskantere Geheimdienstaktivitäten unternimmt.
Mutmaßlicher Spion des Landes verwiesen
Jakunin war einer von sieben russischen Staatsbürgern, der binnen weniger Tage in Norwegen festgenommen wurde. Allen wurde vorgeworfen, verbotenerweise Fotos gemacht und Drohnen fliegen gelassen zu haben.
Ende Oktober nahm der Inlandsgeheimdienst PST zudem einen mutmaßlichen russischen Spion in Tromsø fest. Der Mann mit brasilianischer Staatsbürgerschaft war als Gastdozent an der Arktischen Universität in der Stadt beschäftigt. Die Vizechefin des PST, Hedvig Moe, erklärte, der Forscher werde des Landes verwiesen, weil er vermutlich eine Bedrohung für grundlegende nationale Interessen Norwegens darstelle. Der PST vermutete, dass der Mann ein Netzwerk geschaffen und Informationen gesammelt haben könnte, die Russland missbrauchen könne. Der Anwalt des Verdächtigen stritt jegliches Fehlverhalten seines Mandanten ab.
Dieser Fall weist Parallellen zu einer Aktion des niederländischen Geheimdienstes AIVD auf. Dieser enttarnte im Juni einen mutmaßlichen russischen Agenten, der sich mit brasilianischer Staatsbürgerschaft für ein Praktikum beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beworben hatte. Dort laufen seit März Ermittlungen gegen Russland wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Der 36-Jährige hatte sich über Jahre eine Scheinidentität aufgebaut und auch Seminare in den USA besucht.
Vom System Putins profitiert
Auch bei Jakunin handelt es sich nicht um irgendeinen Bürger mit britischer und russischer Staatsbürgerschaft. Er machte von sich reden, als er den Krieg Russlands gegen die Ukraine kritisierte. Jedoch profitierte er über seinen Vater Wladimir vom System Putins, wie Recherchen zahlreicher Medien, darunter der russischen Plattform "The Insider" zeigten. Das Team des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny deckte auf, wie Vater Jakunin über ein Netzwerk an Offshore-Firmen Aufträge an seinen Sohn verteilte, der mit einem eigenen Unternehmen vor allem im Hotelbusiness tätig ist und Wohnadressen in London und Italien hatte.
Doch ist es dem Sohn wichtig, seine Unabhängigkeit vom Vater herauszustellen. Seine Anwälte teilten dem britischen "Guardian" mit, dessen unternehmerische Aktivitäten seien in jeder Hinsicht unabhängig von denen seines Vaters. Das Unternehmen "Venture Investments and Yield Management" (VIYM) oder andere Unternehmen, an denen Andrej beteiligt sei, erhielten keine Leistungen von Wladimir Jakunin und transferierten keine Gelder oder Vermögenswerte an ihn.
Vater Wladimir Jakunin ist vor allem als ehemaliger Chef der Eisenbahngesellschaft Russlands bekannt. Er war jedoch auch für den sowjetischen Geheimdienst KGB tätig und ist ein Weggefährte von Wladimir Putin. Ermittlungen über mutmaßliche Veruntreuung von Geldern verliefen im Sande, Zeugen wurden bedroht.
Jakunin ist ein ultrakonservativer Hardliner und baute über die Jahre in Westeuropa ein Einflussnetzwerk auf. Er saß im Deutsch-Russischen Forum und trat mehrfach öffentlich mit dem Ex-Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck, auf. 2016 gründete Jakunin den Think Tank "Dialog der Zivilisationen" mit Sitz an der Friedrichstraße in Berlin, der allerdings unter seriösen Osteuropaexperten keinen Anklang fand. In anderen EU-Staaten wie Tschechien gelang ihm Einflussnahme, wie Recherchen der Plattform Voxpot zeigten. Er baute Verbindungen zu Milos Zeman auf, der 2013 Präsident des Landes wurde und mit pro-russischen Positionen immer wieder für politische Konflikte sorgte.
In den USA steht Jakunin seit der Annexion der Krim auf der Sanktionsliste, bislang jedoch nicht in der EU. Auch sein Sohn Andrej ist dort nicht verzeichnet. Er müsse sich ab 29. November vor Gericht verantworten, berichtete der norwegische Sender NRK. In der Anklageschrift stehe, er habe sich in der Zeit vom 3. August bis 6. September dieses Jahres auf Spitzbergen aufgehalten und in dieser Zeit wiederholt eine Drohne fliegen lassen.
Der Artikel wurde nach Veröffentlichung um eine Antwort der Anwälte Andrej Jakunins auf eine Anfrage des britischen "Guardian" ergänzt.