Umfragehoch der AfD Es darf sich nicht alles um eine Partei drehen
Wer sich der Rhetorik der AfD annähert oder jede Debatte auf sie umbiegt, landet in der "AfD-Falle". Ampel und Opposition müssen zum sachlichen Umgang zurückfinden - und den Menschen die Wahl lassen.
Es wirkte wie ein schlechter Scherz. Hunderttausende Menschen gingen in Deutschland gegen die AfD auf die Straße. Doch neben den Beiträgen zu den Demonstrationen steht am Sonntag eine Meldung: "Neuer Ampel-Streit". Diesmal geht es um das Kindergeld und Verabredungen aus dem Vorjahr.
Der Streit zwischen SPD, Grünen und FDP ist ein wesentlicher Grund für die hohen Umfragewerte der AfD. Das fortwährende Infragestellen oftmals mühevoll errungener Kompromisse empfinden selbst Wohlgesonnene als Zumutung.
Ampel sollte handeln
Hinzu kommen gerade mit Blick auf die Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen fragwürdige Entscheidungen. Die von der Ampel zum Jahreswechsel beschlossenen Maßnahmen bedeuten in der Summe keine Entlastung für niedrige Einkommen und für Menschen im ländlichen Raum. Etwa, weil mit der CO2-Abgabe die Benzinpreise steigen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft droht sogar eher eine Belastung.
Genau in diesen Gruppen ist die AfD seit Jahren aber besonders stark. Es ist Wasser auf ihre Mühlen. Zumal die zunächst überzogenen Kürzungen von Agrarsubventionen ebenfalls den ländlichen Raum getroffen hätten.
Wenn die Ampelkoalition bis September eine Trendwende erreichen will, dann kann sie es bei den bisherigen Maßnahmen nicht belassen. Dann müsste sie etwa auch ländliche Räume entlasten, so wie sie es nach der Fehlkonstruktion namens Spritpreisbremse versprochen hatte. Und sie müsste in Gesprächen mit den Bauern zeigen, dass sie die eilig versprochenen Erleichterungen für die Branche wirklich ernst meint. Vor allem aber müssten die drei Parteien in allen kommenden Gestaltungsfragen fairer miteinander umgehen.
Das gilt für die politische Debatte allgemein. Fairer hieße, nicht jede Position, die sich gegen die Ampel oder gegen linke Vorhaben richtet, auf die AfD umzubiegen oder mit dieser gleichzusetzen. Damit tappt man nur in die AfD-Falle.
AfD darf kein Monopol haben
Denn die Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition ist größer als die Zustimmung für die AfD. Die Sorge um die eigene wirtschaftliche Lage ist es auch. Ebenso die Zustimmung für eine Begrenzung der Migration oder die Ablehnung weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine.
Die Parteien müssen um Antworten in diesen Fragen ringen - SPD, Grüne und FDP sollten aber auf persönliche Angriffe und das permanente Infragestellen gemeinsamer Beschlüsse verzichten. Die AfD hat jedenfalls auf diese Stimmungen kein Monopol und sie darf es auch nicht haben. Die ständige Gleichsetzung anderer Positionen mit denen der AfD stärkt aber ihre Erzählung von einem angeblichen "Altparteien-Kartell", das sich vereint gegen sie stelle.
Beispielhaft zeigt sich das bei der Migrationsdebatte. Es ist eine Mär, dass sie von der AfD losgetreten wurde. Tatsächlich geht sie auf Kommunalpolitiker zurück, die deutschlandweit ab Herbst 2022 vor einer Überlastung der Infrastruktur warnten. Die Bundesregierung brauchte fast ein Jahr, um adäquat zu reagieren. Beendet hat sie die Debatte nicht.
Doch Programme, Reden und das Potsdamer Geheimtreffen von und mit der AfD zeigen, wie deutlich sich ihre Vertreibungsfantasien von den Forderungen anderer Parteien unterscheiden. Was die Union fordert oder die Ampel gerade an Rechtsverschärfungen beschließt, kann man kritisieren, aber es ist kein "AfD light".
Die unterschiedlichen Ansätze stattdessen sachlich zu diskutieren, würde den Menschen zeigen, dass es einen Unterschied macht, welche Partei man wählt. Und dass Sorgen - unabhängig vom Lösungsansatz - ernst genommen werden.
Union muss sich hinterfragen
Gleiches gilt aber für die Union. Längst mahnen Funktionäre aus ostdeutschen Landesverbänden intern, es bei Bauernprotesten oder in der Asyldebatte rhetorisch nicht zu übertreiben. Schließlich könne man Populismuswettbewerb gegen die AfD nicht gewinnen. Und wer täglich gegen "Linksgrüne" zu Felde führt, wer in der Ampel "eine Monarchie auf vier Jahre" sieht wie Michael Kretschmer, macht sich obendrein unglaubwürdig, wenn er doch mit SPD und Grünen koaliert.
Die aktuellen Demonstrationen zeigen, wie groß die Sorge davor ist, dass die AfD so stark wird, dass sie tatsächlich Einfluss auf die Politik in den Ländern hat. Die Demonstranten mahnen auch eine andere Art der Politik an.
Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.