Kanzler Scholz und Chinas Ministerpräsident Li stehen auf einem roten Podest in Berlin
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Deutsch-chinesische Konsultationen Eine Ehre, die China nicht gebührt

Stand: 20.06.2023 17:20 Uhr

Gut, dass China und Deutschland miteinander reden. Regierungskonsultationen allerdings sind das falsche Format. Sie sollten demokratisch regierten Staaten vorbehalten sein.

Ein Kommentar von Steffen Wurzel, SWR

Um es gleich vorwegzusagen: Gut, dass Deutschland und China im Gespräch sind. Nichts ersetzt direkte, persönliche Kontakte. Gut auch, dass die Bundesregierung der Volksrepublik einen besonderen Stellenwert in der Außenpolitik einräumt: China ist neben den USA die Supermacht, die das Weltgeschehen entscheidend prägt.

Nicht gut ist, dass die Bundesregierung im Rahmen von Regierungskonsultationen mit China im Gespräch ist. Diese Art des besonderen Austauschs muss demokratisch regierten Staaten und befreundeten Staaten vorbehalten sein, wie Frankreich, Polen, Spanien, Israel und den Niederlanden etwa.

Dass man China mit dem diplomatischen Sonderformat der Regierungskonsultationen ehrt, ist falsch. Das war es schon 2011, als Konsultationen mit der Volksrepublik eingeführt wurden. Heute ist es erst recht falsch.

China handelt aggressiv und nationalistisch

Erstens haben wir es mit einem anderen China zu tun als noch vor zwölf Jahren. Innen-, außen- und wirtschaftspolitisch handelt die kommunistische Staats- und Parteiführung zunehmend aggressiv und nationalistisch. Eine Liberalisierung oder gar eine Öffnung Chinas ist mit dieser Führung nicht zu erwarten.

Zweitens deckt die chinesische Führung zumindest indirekt Russlands Staatschef Wladimir Putin und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Chinas Ministerpräsident Li Qiang hat den völkerrechtswidrigen russischen Überfall auf das Nachbarland auch in Berlin nicht als solchen bezeichnet oder gar verurteilt. Er sprach in seinem Abschlussstatement lediglich von einer internationalen Weltlage, die "vielfältig und komplex" sei.

China ist Systemrivale

Drittens, und das ist der entscheidende Grund: Regierungskonsultationen mit dem Systemrivalen China sind ein fatales Zeichen gegenüber den europäischen Partnern. In Brüssel versucht die EU-Kommission, eine gemeinsame Antwort Europas auf die Herausforderung China zu finden: auf den Nationalismus, die Kriegsdrohungen gegen Taiwan, die unfaire Wirtschaftspolitik der Führung in Peking.

In Berlin wird dem chinesischen Premier und seiner Ministerdelegation der Rote Teppich ausgerollt. Das Signal, das von den harmonisch wirkenden Bildern in Richtung anderer - befreundeter - Staaten ausgeht, ist: Deutschland räumt China eine Sonderrolle ein. Regierungskonsultationen aber mit einer Diktatur sind falsch und sollten nicht weitergeführt werden.

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Steffen Wurzel, ARD Berlin, tagesschau, 20.06.2023 17:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb Inforadio Nachrichten am 20. Juni 2023 um 17:15 Uhr.