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Lage im Nahen Osten ++ Mehr als 25 Tote bei Angriff im Gazastreifen ++

Stand: 13.12.2024 09:32 Uhr

Im Gazastreifen gab es laut palästinensischen Angaben mindestens 25 Tote bei einem israelischen Luftangriff. US-Außenminister Blinken hat alle Akteure in Syrien zur Einhaltung von Menschenrechten aufgerufen. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat die Armee angewiesen, sich auf einen Verbleib in der Pufferzone an der Grenze zu Syrien über den Winter einzustellen. Angesichts der Ereignisse in Syrien sei es von "größter sicherheitspolitischer Bedeutung, unsere Präsenz auf dem Gipfel des Berges Hermon aufrechtzuerhalten", erklärte Katz.

Es müsse "alles getan werden", um die Bereitschaft der Armee vor Ort zu gewährleisten, "damit sich die Kämpfer trotz der schwierigen klimatischen Bedingungen dort aufhalten können", fügte er hinzu.

Angesichts der Debatte über die Rückkehr von Syrern in ihre Heimat warnen Ärzte- und Pflegeverbände vor Versorgungslücken. "In ländlichen Regionen halten syrische Ärztinnen und Ärzte die Versorgung in Krankenhäusern aufrecht, ohne sie wird es eng", sagte der Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte, Michael Weber, der Bild-Zeitung. Es sei damit zu rechnen, dass nach dem Sturz des Assad-Regimes "ein substanzieller Anteil der rund 5.000 syrischen Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern in ihr Heimatland zurückkehrt".

Die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, befürchtet eine „relevante Belastung für die ohnehin angespannte ärztliche Versorgungslage in Deutschland“, würden die syrischen Ärzte fehlen. Klar sei, dass sie in ihrem Herkunftsland dringend gebraucht würden, sagte Johna der Zeitung. "Dafür haben wir großes Verständnis. Wir hoffen aber darauf, dass diejenigen syrischen Ärzte, die in Deutschland eine zweite Heimat gefunden haben, uns bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten weiterhin unterstützen."

Die US-Regierung unterstützt nach eigenen Angaben einen von Syrien geführten politischen und gewaltfreien Übergang in dem Land. Dabei müssten alle Gruppierungen einbezogen werden, sagte Chefdiplomat Antony Blinken laut Angaben des Außenministeriums nach einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara.

Die Zivilbevölkerung einschließlich der Minderheiten müsse geschützt werden. Blinken betonte, dass die Koalition zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ihre Aufgabe weiterhin erfüllen könne. Hintergrund sind Kämpfe zwischen Türkei-nahen Milizen und Kurdenmilizen, die von den USA unterstützt werden. Die Türkei will deren Einfluss schwächen.

Das israelische Vorgehen gegen den Iran und seine Verbündeten hat nach den Worten des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu eine "Kettenreaktion" ausgelöst, die den gesamten Nahen Osten verändern könnte. "Die historischen Ereignisse, die wir heute erleben, sind eine Kettenreaktion", sagte Netanjahu in einer Videoansprache, die an das iranische Volk gerichtet war.

Netanjahu nannte das Vorgehen gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas, die "Dezimierung" der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon und die Tötung ihres Anführers Hassan Nasrallah sowie "die Schläge, die wir der Terrorachse des iranischen Regimes versetzt haben".

Der Iran habe Dutzende Milliarden Dollar ausgegeben, um die Regierung des nun gestürzten syrischen Machthabers Baschar al-Assad sowie die Hamas und die Hisbollah zu stützen. "Das Einzige, was Israel will, ist die Verteidigung unseres Staates, aber damit verteidigen wir die Zivilisation gegen die Barbarei", sagte Netanjahu.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres hat Israel aufgefordert, seine Angriffe auf Syrien zu beenden. Guterres sei besorgt über die israelischen Luftangriffe und betone, "die dringende Notwendigkeit, die Gewalt an allen Fronten im ganzen Land zu deeskalieren", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric.

Das israelische Militär hatte am Dienstag erklärt, es habe in den vergangenen 48 Stunden mehr als 350 Angriffe in Syrien durchgeführt und dabei "die meisten strategischen Waffenlager" im Land getroffen. Man habe verhindern wollen, dass diese in die Hände von Extremisten fallen.

Zwei UN-Hilfskonvois sind nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen im Gazastreifen angegriffen worden. Am Mittwoch habe ein Konvoi mit 70 Lastwagen den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom überquert und war auf dem Weg in den zentralen Gazastreifen. Man habe auf Personal gewartet, das Lebensmittel und andere Hilfsgüter sichern sollte, als es in der nahe gelegenen humanitären Zone zu Angriffen durch die israelische Armee gekommen sei, teilte das Welternährungsprogramm am Donnerstag mit.

Schätzungen zufolge sollen bei den Angriffen mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen sein, darunter auch Zivilisten und lokale Sicherheitskräfte, die für die Sicherheit des Konvois sorgen sollten. Die in Rom ansässige Organisation erklärte, der Konvoi sei gezwungen gewesen, ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen weiter zu fahren. Die Kommunikation mit dem Konvoi sei für mehr als zwölf Stunden unterbrochen gewesen. "Schließlich wurden die Lastwagen gefunden, aber alle Lebensmittel und Hilfsgüter wurden geplündert", teilte die UN-Organisation mit.

Bei einem zweiten Vorfall hätten sich israelische Soldaten einem Konvoi genähert, der den Kissufim-Grenzübergang verließ. Die Soldaten hätten Warnschüsse abgegeben, umfangreiche Sicherheitskontrollen ausgeführt und Fahrer und Mitarbeiter vorübergehend festgehalten. "Weil die Lastwagen aufgehalten wurden, gingen vier der fünf Lastwagen durch gewaltsame, bewaffnete Plünderungen verloren", erklärte die Organisation.

In den USA ist der frühere Leiter eines berüchtigten syrischen Gefängnisses nach Angaben des US-Justizministeriums am Donnerstag wegen Foltervorwürfen angeklagt worden. Dem 72-Jährigen, der seit 2020 in den USA lebt, wird vorgeworfen, persönlich Gegner der gerade gestürzten Regierung des Machthabers Baschar al-Assad gefoltert zu haben, erklärte das Justizministerium. Er soll das als Adra-Gefängnis bekannte Zentralgefängnis von Damaskus von etwa 2005 bis 2008 geleitet haben.

Reinhard Spiegelhauer, ARD Los Angeles, tagesschau, 13.12.2024 07:09 Uhr

Bei einem israelischen Luftangriff im zentralen Abschnitt des Gazastreifens hat es palästinensischen Angaben zufolge am Donnerstagabend viele Tote gegeben. Mindestens 25 Menschen seien in der Flüchtlingssiedlung Nuseirat ums Leben gekommen, hieß es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen. Demnach hatte Israels Militär dort Wohnhäuser getroffen. Später war in Medienberichten sogar von 33 Toten die Rede. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, den Berichten nachzugehen.

Menschen suchen in den Trümmern eines Gebäudes in Nuseirat nach Überlebenden eines israelischen Luftangriffes

Nach palästinensischen Angaben wurden bei dem israelischen Luftangriff Wohnhäuser getroffen. Helfer suchen in den Trümmern nach Überlebenden.

Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete, dass es neben den Toten auch Dutzende Verletzte in Nuseirat gegeben habe. Laut dem Bericht griff Israels Luftwaffe mehrmals ein Gebäude und nahestehende Häuser an. Aufnahmen in den sozialen Medien sollen zeigen, wie Sanitäter danach teils regungslose und blutende Verletzte in eine Klinik tragen. 

Ein Sprecher des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes im Gazastreifen teilte mit, unter den Toten seien zehn Minderjährige. In der von Israel angegriffenen Gegend seien Vertriebene untergebracht. Die Rettungsmaßnahmen vor Ort dauerten an. Insgesamt meldete Wafa im Laufe des Tages 70 Todesopfer bei israelischen Angriffen an verschiedenen Orten im Gazastreifen.

Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad hat sich UN-Generalsekretär António Guterres  "zutiefst besorgt" angesichts der "umfangreichen Verletzungen" der syrischen Souveränität und der israelischen Angriffe auf das Land gezeigt. Guterres sei "zutiefst besorgt angesichts der jüngsten und umfassenden Verletzungen der Souveränität und territorialen Integrität Syriens", sagte Guterres' Sprecher Stéphane Dujarric am Donnerstag. Der UN-Generalsekretär sei besonders besorgt wegen der "hunderten israelischen Luftangriffe auf verschiedene Orte in Syrien", erklärte Dujarric. Er betonte die dringende Notwendigkeit, die Gewalt an allen Fronten in ganz Syrien zu deeskalieren. 

Unter anderem hatte Israel Truppen in die Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen entsendet. Nach Angaben der UNO verstößt dies gegen einen Waffenstillstandsabkommen von 1974. Guterres forderte "die Parteien des Abkommens auf, ihre Verpflichtungen (...) einzuhalten, einschließlich der Beendigung aller unbefugten Aufenthalte in der Pufferzone und des Verzichts aller Maßnahmen, die den Waffenstillstand und die Stabilität auf dem Golan untergraben würden", erklärte Dujarric.

Nach dem Sturz von Präsident Baschar al-Assad hat US-Außenminister Antony Blinken bei einem Besuch in Jordanien alle Akteure in Syrien zur Einhaltung von Menschenrechten und Grundfreiheiten aufgerufen. Das teilte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, mit. Die Zivilbevölkerung, einschließlich der Minderheiten in Syrien, müsste geschützt werden. Die USA unterstützen demnach einen politischen Übergang, der zu einer repräsentativen syrischen Regierung führe.

Blinken traf sich in Jordanien mit König Abdullah II. und mit dem jordanischen Außenminister Aiman al-Safadi. Jordaniens König sagte, dass der erste Schritt für eine Befriedung in der Region ein Waffenstillstand im Gazastreifen sei. Die Zweistaatenlösung sei der einzige Weg, um einen gerechten und umfassenden Frieden zu erreichen. Dabei spielten die USA eine entscheidende Rolle. 

Jordanien hat für das Wochenende ein internationales Gipfeltreffen zur Lage in Syrien angekündigt. Zu dem Treffen werden die Außenminister zahlreicher westlicher und arabischer Staaten erwartet, teilte das Außenministerium in Amman mit.

Alfred Schmit, ARD Berlin, zzt. Istanbul, tagesschau, 13.12.2024 07:11 Uhr

Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad will die Türkei ihre seit mehr als zehn Jahren geschlossene Botschaft in Damaskus wiedereröffnen und hat am Donnerstag einen Geschäftsträger ernannt. Wie die Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Quellen im Außenministerium berichtete, wurde Burhan Koroglu zum vorläufigen Geschäftsträger der türkischen Botschaft ernannt. Koroglu war zuletzt türkischer Botschafter in Mauretanien. Wann er seinen Posten in Syrien antreten soll, wurde nicht bekannt gegeben. 

Bereits am Dienstag hatte der türkische Außenminister Hakan Fidan mitgeteilt, dass Ankara seine Botschaft in Damaskus wiedereröffnen werde, sobald die Bedingungen dafür gegeben seien.

Trotz des Machtwechsels in Syrien wird sich die Lage religiöser Minderheiten nicht verbessern, wie der Islamwissenschaftler Steinberg in den tagesthemen ausführt. Die syrische Verfassung wird außer Kraft gesetzt. Der Liveblog vom Donnerstag zum Nachlesen: