Abbas Araghchi (Archivbild 26. August 2024)
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Krieg in Nahost ++ Iran warnt Israel vor Vergeltungsschlag ++

Stand: 16.10.2024 12:07 Uhr

Der iranische Außenminister hat Israel bei einem möglichen Vergeltungsschlag mit einer "entschiedenen" Antwort gedroht. Die Weltbank schätzt die Kriegsschäden im Gazastreifen auf bis zu 20 Milliarden Dollar. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Der Chef des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Philippe Lazzarini, warnt angesichts des bevorstehenden Winters vor einer Hungersnot im umkämpften Gazastreifen. "Hunger und Unterernährung sind leider sehr wahrscheinlich", sagt Lazzarini bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Dabei sei der Hunger in dem palästinensischen Küstenstreifen "künstlich gemacht", sagt Lazzarini und fordert, die Lastwagen-Konvois mit Nahrungsmitteln über die Grenzposten in den Gazastreifen passieren zu lassen. Vor allem Kinder seien in einer hoffnungslosen Lage, sie lebten zwischen Abwässern und Müll.

Die USA haben von Israel laut Medienberichten gefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, sonst hätte das Konsequenzen - auch für Waffenlieferungen. In dem Brief, der an israelische Journalisten geleaked wurde, finden die USA ungewöhnlich deutliche Worte, berichtet ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann.

Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zu den israelischen Luftangriffen in Beirut und zur aktuellen Lage in Israel

tagesschau24, 16.10.2024 09:00 Uhr

Die israelische Luftwaffe hat nach Behördenangaben zahlreiche Angriffe auf die Stadt Nabatijeh im Süden des Libanon geflogen. Es habe am Morgen mindestens elf Angriffe auf die Stadt und ihre Umgebung gegeben, sagte Gouverneurin Howaida Turk der Nachrichtenagentur AFP. Durch die Angriffe habe sich ein "Feuer-Ring" rund um Nabatijeh gebildet. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters meldete das libanesische Gesundheitsministerium, dass bei den Angriffen fünf Menschen getötet wurden.

Bereits am Wochenende war das Geschäftszentrum von Nabatijeh bei einem israelischen Luftangriff zerstört worden.

Der iranische Außenminister Abbas Araghchi hat mit einer "entschiedenen" Antwort Teherans gedroht, falls Israel den Iran als Vergeltung für einen iranischen Raketenangriff angreifen sollte. "Der Iran tut zwar alles, um den Frieden und die Sicherheit in der Region zu wahren, ist aber auch auf eine entschiedene und zu bedauernde Reaktion auf jegliche Abenteuer Israels vorbereitet", sagte Araghchi in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär António Guterres, wie Araghchis Büro mitteilte. 

Vertreter der Europäischen Union und der Golfstaaten beraten bei einem Gipfeltreffen am Nachmittag in Brüssel über die Lage im Nahen Osten. Ziel sind nach Angaben hochrangiger EU-Beamter gemeinsame Bemühungen, eine weitere Eskalation der Konflikte in der Region zu verhindern. "Beide Seiten sind deswegen besorgt", sagte ein EU-Beamter. An dem Treffen nehmen Staats- und Regierungschefs der sechs Staaten des Golf-Kooperationsrates teil, zu dem Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören. Die EU wird unter anderen durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihren Außenbeauftragten Josep Borrell vertreten.

Neben dem Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen sowie dem Konflikt zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz soll es in den Beratungen auch um die Handelsbeziehungen, die Energieversorgung und die Klimakrise gehen.

Nachdem die Gegend tagelang von Angriffen verschont geblieben war, hat ein israelischer Luftangriff am frühen Morgen die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut getroffen. Das berichten mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Augenzeugen. Diese hörten demnach eine Explosion und sahen eine Rauchwolke. Man habe ein Waffendepot der Hisbollah angegriffen, teilte das israelische Militär mit. Zuvor hatte Israel die Bewohner eines Gebäudes in dem Viertel im Kurznachrichtendienst X aufgefordert, es sofort zu verlassen. Es würden in Kürze Ziele der Hisbollah angegriffen werden.

Israel hat seine Luftangriffe im Süden des Libanons und auf die Bekaa-Ebene intensiviert. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur berichtete, bei einem Luftangriff auf den Ort Kana in der Provinz Tyrus sei am Dienstag mindestens ein Mensch ums Leben gekommen. Mindestens 30 weitere seien verletzt worden. Es wurde vermutet, dass sich noch viele Menschen unter Trümmern befanden.

In derselben Provinz gab es dem Bericht zufolge unter anderem auch Angriffe auf die Dörfer Al-Kasimija, Ain Baal, Aita al-Dschabal, Madschalson und Al-Mansuri. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, bei einem israelischen Luftangriff auf den Ort Rijak in der Bekaa-Ebene seien fünf Menschen getötet worden, darunter drei Kinder. 16 weitere Menschen seien verletzt worden.

Die israelische Armee hat rund 50 Geschosse gemeldet, die in der Nacht auf Mittwoch aus dem Libanon auf Nordisrael abgeschossen worden seien. "Einige Geschosse wurden abgefangen und heruntergefallene Geschosse wurden in der Gegend identifiziert", erklärte das Militär. Opfer meldete die Armee nicht. Die Hisbollah-Miliz im Libanon erklärte ihrerseits, sie habe "eine große Raketensalve" auf die nordisraelische Stadt Safed abgefeuert. 

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Ein Brief hochrangiger US-Beamter, in dem sie Israel aufforderten, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, werde von Israel geprüft, sagte ein israelischer Beamter in Washington der Nachrichtenagentur Reuters. "Israel nimmt diese Angelegenheit ernst und beabsichtigt, die in diesem Brief geäußerten Bedenken mit unseren amerikanischen Kollegen zu besprechen", sagte er demzufolge.

Die Vereinigten Staaten hätten Israel mitgeteilt, dass sie im nächsten Monat Maßnahmen ergreifen müssen, um die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern, andernfalls drohten mögliche Beschränkungen der US-Militärhilfe, heißt es in dem Brief.

Karte: Gazastreifen, dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid spricht sich dafür aus, bei dem geplanten Vergeltungsschlag gegen den Iran die Ölfelder des Landes ins Visier zu nehmen. "Wir sollten mit den Ölfeldern beginnen", sagte er der Jerusalem Post. Das würde der Wirtschaft der Islamischen Republik schaden, begründete er seine Forderung. 

Am Dienstag hatte die Washington Post berichtet, dass sich Israel bei einem Schlag gegen den Iran auf militärische Einrichtungen konzentrieren und Atom- und Ölanlagen verschonen will. Vor zwei Wochen hatten Irans Revolutionsgarden rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat gefeuert. Israel kündigte daraufhin Vergeltung an.

Der Präsident der Weltbank, Ajay Banga, hat die Kriegsschäden durch die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen auf 14 bis 20 Milliarden Dollar beziffert. Die Zerstörungen durch Israels Bombardierung des Südlibanon dürften diese regionale Summe noch erhöhen, sagte Banga auf einer Veranstaltung in Washington. Der Krieg habe bisher nur relativ geringe Auswirkungen auf die Weltwirtschaft gehabt, aber eine erhebliche Ausweitung des Konflikts würde andere Länder, die einen größeren Beitrag zum globalen Wachstum leisten, einschließlich Rohstoffexporteure, mit hineinziehen.

Im Libanon stehen laut UN-Flüchtlingshilfswerk etwa ein Viertel des Landes unter israelischem Evakuierungsaufruf. Bei einem Anschlag in Israel wurde nach Behördenangaben ein Polizist getötet. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen.