Frauen und Männer sitzen auf Bänken vor einem Kiosk, in dem auf einem Fernseher ein Spiel der EURO 2024 läuft.
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Fußball im Fernsehen Wie Sender an die EM-Übertragungen kommen

Stand: 05.07.2024 15:07 Uhr

Am heutigen Abend startet das Viertelfinale der Fußball-EM. Weil das Achtelfinale zwischen Österreich und der Türkei nicht im Free-TV übertragen wurde, herrschte große Aufregung. Was dahinter steckt.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Heute Abend stehen die ersten Viertelfinalspiele der Fußball-Europameisterschaft an. Das Achtelfinale zwischen Österreich und der Türkei hatte in dieser Woche für viel Wirbel unter Fans gesorgt, weil es nicht im frei empfangbaren Fernsehen lief - in einem Land, in dem Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben. Gleichzeitig fragten sich viele, wie denn eigentlich entschieden wird, wo die Spiele gezeigt werden, und welche Kriterien es dabei gibt.

Eigentümer verkauft Rechte an Höchstbietenden

"Typischerweise funktioniert das Vergabeverfahren im Fußball wie bei jedem anderen Verkauf- oder Bieterverfahren auch: Die verfügbaren Übertragungslizenzen werden am Markt platziert und interessierte Medienunternehmen können ihre Gebote abgeben", erklärt Sebastian Uhrich, Professor für Sportbetriebswirtschaftslehre an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Für die Inhaber, im Falle der EM die UEFA, sei der Verkauf der Medienrechte die wichtigste ihrer Erlösquellen. In der Regel nehme der jeweilige Verband das ökonomisch attraktivste Angebot an.

Für die Europameisterschaft in Deutschland hatte sich die Deutsche Telekom bereits 2019 die kompletten Medienrechte gesichert, die sie über Sublizenzen aber auch weiterverkaufen konnte. Erwerber waren neben RTL auch ARD und ZDF. Hintergrund war ein Deal im Jahr 2021: Die Öffentlich-Rechtlichen kauften eine Sublizenz für die EM 2024 und gaben im Gegenzug ein paar Spiele der EM 2020 und der WM 2022 an die Telekom mit ihrem Bezahlangebot Magenta TV ab.

Letztlich laufen nun beim diesjährigen Turnier alle 51 Spiele bei Magenta TV, dazu wurden und werden insgesamt aber 34 Partien zusätzlich live in der ARD oder im ZDF übertragen - unter anderem alle Spiele der deutschen Mannschaft, das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und das Endspiel. Die Telekom gab außerdem bekannt, dass im Rahmen einer umfangreichen Kooperation mit RTL zwölf Spiele beim Privatsender laufen. Unter anderem das Viertelfinale zwischen den Niederlande und der Türkei am Samstag ist dort zu sehen.

Wettbieten wird härter und teurer

Die EM 2020 war wegen der Corona-Pandemie auf das Folgejahr verschoben worden. Dass dort erstmals ein Bezahlsender Spiele eines Verbandsturniers exklusiv zeigte, begründen Experten auch damit, dass das Bieten um die Übertragungsrechte insgesamt härter und teurer geworden ist. "Es ist am Ende so, dass wir gesagt haben, wir können uns das wirtschaftlich nur erlauben, wenn wir auch Rechte abgeben", hatte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky vor drei Jahren betont.

Die ARD hatte für die EM in Deutschland letztlich die Übertragungsrechte für 17 Spiele gekauft. Diese wurden nach gewissen Kriterien und einem abgestimmten Prozedere ausgewählt, wozu Vertraulichkeit vereinbart wurde. "Das, was ARD und ZDF für ihre Sublizenz bezahlen müssen, hängt davon ab, wie attraktiv die Spiele sind. Das ist letztlich ein Verhandlungsgegenstand", so Fachmann Uhrich. Die Öffentlich-Rechtlichen hätten einen solchen Deal beispielsweise niemals unterzeichnet, wenn die deutschen Spiele nicht Teil davon gewesen wären.

"Ansonsten wird bei jedem einzelnen Spiel vermutlich genau abgewogen, wie attraktiv die Begegnung ist", so Uhrich. Magenta TV hatte insgesamt fünf Exklusivspiele: vier Gruppenspiele und ein Achtelfinale. Das stand schon vor dem Turnier fest - dass es nun eben Österreich gegen die Türkei getroffen hat, war für viele enttäuschend. Doch laut dem Rundfunkstaatsvertrag müssen derzeit lediglich die Partien der deutschen Nationalmannschaft sowie das Eröffnungsspiel, die Halbfinale und das Finale unverschlüsselt und ohne Extrakosten für alle angeboten werden.

Wird die Kommerzialisierung noch befeuert?

Experte Uhrich von der Deutschen Sporthochschule in Köln kann die Empörung aus Sicht eines Fans trotzdem verstehen: "Der will jetzt einfach EM gucken und ist verärgert, wenn es nicht im Free-TV läuft." Daran habe auch nichts geändert, dass Magenta TV das Spiel wegen technischer Probleme schließlich sogar kostenfrei auf YouTube übertragen hat. Denn das habe vorher niemand wissen können und sei so nicht vorgesehen gewesen, so der Fachmann. Wenn man sich die Gesamtsituation anschaue, müsse man sich aber mit seinem Ärger etwas zurückhalten.

"Es ist leicht zu sagen, es muss ja alles im Free-TV kommen", sagt Uhrich. Nur müsse man sich eben bewusst sein, was das heißen würde. "Das würde bedeuten, dass wir einen sehr großen Teil der Rundfunkgebühren dafür ausgeben und diesen Bieter-Wettbewerb noch einmal befeuern." Dabei sei dieser die Grundlage, dass im Fußball hohe Summen bezahlt und Millionen-Gehälter ausgeschüttet werden. "Genau diese Kommerzialisierung des Fußballs wird auch immer kritisiert", sagt der Ökonom. Dazu komme, dass die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von allen bezahlt würden und nicht nur von den Fußballinteressierten.

Ob die Verfügbarkeit von Fußballspielen im TV im Wettbewerb gegen private Medien staatlich verankert sein sollte, ist Uhrich zufolge fraglich. "Es gibt natürlich auch eine große Gruppe, die mit Fußball nicht so viel anfangen kann und sagt: Meine Gebühren sollen nicht dafür genutzt werden, dass die überbezahlten Fußballprofis jetzt noch mehr Geld verdienen." Diese Menschen hätten es vermutlich lieber, dass andere qualitativ hochwertige Inhalte gezeigt werden. "Die Öffentlich-Rechtlichen müssen dabei mit Augenmaß handeln."

Was passiert bei den kommenden Turnieren?

Nach eigenen Angaben verfügte die ARD zwischen 2021 und 2024 über einen durchschnittlichen Sportrechte-Gesamtetat von rund 237,5 Millionen Euro pro Jahr. Beim ZDF lagen die Kosten für die TV-Rechte laut dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 jährlich bei rund 155 Millionen. Im vergangenen Sommer kündigten die Öffentlich-Rechtlichen an, beim Sport sparen zu wollen. Von den Sparmaßnahmen sei "vor allem der Fußball betroffen", betonte ARD-Sportchef Balkausky. "Die Vielfalt ist die oberste Überschrift, bei allem, was mir machen."

Vergangenen September einigten sich ARD und ZDF mit der UEFA auf den Erwerb von Medienrechten für 30 Länderspiele der DFB-Männer bis 2028 - unter anderem geht es dabei um die Nations League sowie Vorbereitungs- und Qualifikationsspiele. Für die kommenden Turniere, die WM 2026 in den USA und die EM 2028 in Großbritannien, sind die TV-Rechte allerdings offiziell noch nicht vergeben. Experte Uhrich kann sich vorstellen, "dass es in Zukunft auch große Turniere geben könnte, wo noch mehr Spiele mal nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kommen". Es werde nicht so weit gehen, dass deutsche Spiele betroffen sind. Im Endeffekt sei es aber schlicht eine finanzielle Frage.

Grundsätzlich sei die Rechtevergabe im Fußball so bedeutend, weil es mit Abstand die dominierende Sportart in Deutschland sei. Damit sei die Übertragung natürlich sehr attraktiv für die privaten Medienunternehmen, die sich darüber refinanzierten, so Uhrich. Dass bei dem Thema viel Druck herrscht für die Sender, zeigt auch die jüngste Eskalation in der Auktion der TV-Rechte für die Bundesliga. In diesem Streit spielt der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Rolle. "Es wäre auch schwer vermittelbar, dem vergleichsweise kleinen Fußballpublikum Live-Spiele aus der Bundesliga zu bieten und dafür einen großen Teil der von allen finanzierten Gebühren aufzuwenden", sagt Uhrich.

Alle Spiele der EM gibt es auch im Audiostream der Sportschau.