Aus für sechs Karstadt-Häuser Und das ist erst der Anfang ...
"Erlebnishäuser", "Wohlfühlatmosphäre", "Best-Ager": Es klingt fast, als herrsche bei Karstadt nun Aufbruchstimmung. In Wirklichkeit machen sechs Filialen dicht, 21 weitere könnten folgen. Mehr als 2000 Arbeitsplätze sind bedroht.
Eigentlich hatte man erwartet, dass vor dem Weihnachtsgeschäft Ruhe einkehren würde - dass Filialschließungen also erst im neuen Jahr verkündet werden. Doch so lange wollten der neue Karstadt-Eigentümer René Benko und seine Signa-Holding offenbar nicht warten.
Wie in der zurückliegenden Nacht verkündet wurde, müssen mindestens sechs Karstadt-Standorte 2015 schließen. Es trifft die klassischen Warenhäuser in Stuttgart und Hamburg-Billstedt, zwei Schnäppchenmärkte in Paderborn und Frankfurt/Oder sowie die erst vor zwei Jahren eröffneten sogenannten K-Town-Abteilungen in Göttingen und Köln. Dort wird Kleidung für eine jüngere Kundschaft angeboten.
Es ist erst der Anfang. Arno Peukes, der für die Gewerkschaft ver.di im Karstadt-Aufsichtsrat sitzt, sagte, die Zukunft von 21 weiteren Standorten sei bedroht. Und auch der vom Aufsichtsrat neu gewählte Karstadt-Geschäftsführer Stephan Fanderl meinte, ohne weitere schmerzliche Entscheidungen werde es nicht gehen. Bei acht bis zehn Standorten verhandele Karstadt derzeit mit den Vermietern, ob man vorzeitig aus den Mietverträgen aussteigen könne.
Cafés, Restaraunts, Friseure - doch hilft das?
Nachdem Karstadt sich unter seinen früheren Chefs verjüngen wollte, nimmt Fanderl nun die Zielruppe der sogenannten "Best-Agers" ins Visier, also die Altersgruppe jenseits der 40 - auch um frühere Kunden zurückzugewinnen.
Das Rezept: Die Filialen sollen attraktiver, die Häuser in größeren Städten gar zu "Erlebnishäusern" umgebaut werden. Nach dem Vorbild des Berliner KaDeWe sollen eine Lebensmittelabteilung im Untergeschoss und Restaurants im Oberschoss integriert werden, daneben auch Friseurläden und Cafés. Man will eine "Wohlfühlatmosphäre" schaffen, in der die Kunden länger bleiben oder auch Neues entdecken können.
Die Warenhäuser in kleineren Städten dagegen will die neue Führung zu "Kaufhäusern der Stadt" machen. Ein individuell zugeschnittenes Sortiment soll die Käufer wieder locken.
Welche Einbußen sollen die Mitarbeiter noch hinnehmen?
Mit Fanderl hat Karstadt nun einen Chef, der sich im deutschen Handelsgeschäft mit seinen Stärken und Schwächen bestens auskennt. Fanderl war bereits Vorstand bei Rewe, hat bei Metro gearbeitet und weitere Handelsunternehmen beraten. Seit letztem Jahr stand er darüber hinaus an der Spitze des Karstadt-Aufsichtsrates. Er muss sich also nicht erst einarbeiten, wenn es nun an die Sanierung der Warenhauskette geht.
Am härtesten trifft es die Mitarbeiter. 240 Stellen fallen laut ver.di durch die Schließung der sechs Filialen weg. Darüber hinaus möchte das Management weitere 2000 Arbeitsplätze streichen. Zudem sollen die Mitarbeiter auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten.
Und: Die bereits geltende "Tarifpause" für die Karstadt-Mitarbeiter will Fanderl über 2015 hinaus ausdehnen. Dagegen sträubt sich die Gewerkschaft. Gerhard Löpke, Betriebsratschef der Dortmunder Filiale, verweist darauf, dass die Beschäftigten in den vergangenen Jahren bereits auf 700 Millionen Euro verzichtet hätten. Kein einziger Investor habe derart viel Geld in Karstadt gesteckt.
Löpkes Forderung: Karstadt müsse endlich wieder Tariflöhne zahlen. Auf die Tarifpartner dürften schwierige Verhandlungen zukommen.
Daneben allerdings geht es in erster Linie um neue Einschitte. Insidern zufolge muss das Unternehmen bis zu 263 Millionen Euro einsparen. Ohne diese Maßnahmen, so heißt es, gehe Karstadt im Frühjahr 2016 das Geld aus.
Mit dem Namen Karstadt sind vor allem die großen Warenhäuser verbunden, die in Innenstädten ein breites Sortiment anbieten. Doch die Marke umfasst auch andere Läden:
- Warenhäuser: Derzeit gibt es 83 klassische Karstadt-Warenhäuser, von denen zwei (Stuttgart und Hamburg-Billstedt) nun geschlossen werden sollen.
- Luxushäuser: Die drei Luxushäuser in Berlin (KaDeWe), München (Oberpollinger) und Hamburg (Alsterhaus) bieten spezielle Waren für den gehobenen Bedarf.
- Sporthäuser: Die Karstadt-Homepage listet aktuell bundesweit 26 Standorte der als gewinnträchtig geltenden Läden auf. Angeboten wird ein Sortiment von Sportartikeln vom Fahrrad bis zur Ski-Unterwäsche.
- K-Town: Mit einem speziell auf junge Kunden zugeschnittenen Angebot aus Mode und Accessoires strebte Karstadt nach einem moderneren Image. Doch K-Towns in Köln und Göttingen erwiesen sich offenbar als Flop, werden nun dichtgemacht.
- Schnäppchenmärkte: Die Billigläden Paderborn und Frankfurt/Oder werden geschlossen. Ähnlich Läden gibt es nun noch in Gießen und Berlin.