Berufsausbildung Lehre bei Abiturienten immer beliebter
Eine neue Studie zeigt: Abiturienten entscheiden sich verstärkt für eine Ausbildung. Das Nachsehen haben dadurch oft Hauptschüler und junge Menschen ohne Schulabschluss: Immer weniger schaffen den Sprung in die Lehre.
Abiturientinnen und Abiturienten streben vermehrt in Ausbildungsberufe. Als Konsequenz daraus wird für Hauptschülerinnen und Hauptschüler die Suche nach einem Ausbildungsplatz zunehmend schwieriger. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.
Der Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife, die eine duale oder schulische Ausbildung beginnen, ist demnach binnen zehn Jahren von 35 Prozent auf 47,4 Prozent gestiegen. Vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 war der Anteil sogar noch etwas höher gewesen (48,5 Prozent).
Von einer mangelnden Attraktivität der Berufsausbildung für Abiturienten könne keine Rede sein, sagte der Autor der Studie, Dieter Dohmen. Auch interessierten sich diese keineswegs zu wenig für berufliche Ausbildungen, erklärte der Direktor des Forschungsinstitutes für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), das die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt hat.
Deutlich weniger Hauptschüler starten Ausbildung
Bei den Schulabgängern mit mittlerem Schulabschluss, etwa von der Realschule, seien die Übergangsquoten in die Ausbildung in den vergangene 15 Jahren bei etwa 80 Prozent relativ stabil geblieben, besagt die Studie. Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben es hingegen immer schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, wie es hieß. Bei ihnen verringerte sich der Anteil derjenigen, die eine Berufsausbildung begannen, zwischen 2011 und 2021 um ein Fünftel.
Für junge Menschen ohne Schulabschluss spitzte sich die ohnehin schwierige Situation zuletzt noch weiter zu: Die Übergangsquote lag der Studie zufolge 2021 bei 30 Prozent. In den vergangenen 15 Jahren schwankte sie um die 35 Prozent. Die Zahl der 15- bis 24-Jährigen, die sich weder in Ausbildung noch in der Schule oder im Job befinden, erhöhte sich zwischen 2019 und 2021 erheblich von 492.000 auf rund 630.000
Studienautor Dohmen bezeichnete die Entwicklungen in diesem Bereich als "dramatisch". "Viel zu viele Jugendliche gehen auf dem Ausbildungsmarkt leer aus oder fallen ganz aus dem System. Wir müssen die Integrationsfähigkeit des Ausbildungssystems wieder deutlich erhöhen", erklärte der Direktor des FiBS.
DGB klagt über "Bestenauslese"
"Es passt einfach nicht zusammen, wenn die Arbeitgeber einerseits über fehlende Bewerber klagen, auf der anderen Seite aber vielfach eben eine Bestenauslese betreiben. Auch Jugendliche mit Hauptschulabschluss brauchen Chancen auf einen Ausbildungsplatz", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe ein enormes Potenzial für mehr Ausbildung und damit zur Linderung des Fachkräftemangels.
Dieses Potenzial brach liegen zu lassen, "können wir uns als Gesellschaft nicht leisten", sagte sie. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse ging der Studie zufolge im langfristigen Vergleich zurück: Während beim letzten Höchststand 2007 noch gut 844.000 Menschen in Ausbildung waren, lag die Zahl 2021 bei 706.000. Einen Einschnitt bedeutete hier die Corona-Pandemie, in den Jahren davor war die Zahl zwischenzeitlich leicht angestiegen.
Kritik an Gesetzentwurf
Nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung wird es trotz Tausender unbesetzter Ausbildungsplätze insbesondere für Jugendliche mit niedriger Schulbildung immer schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu finden. Eine Rolle spielten dabei unter anderem steigende Qualifikationsanforderungen und regionale Ungleichgewichte. Die Corona-Pandemie habe vielen jungen Menschen zusätzlich den Berufseinstieg erschwert, weil Praktika und andere Orientierungsangebote gefehlt hätten.
Für diese Jugendlichen sei die Lage besonders schwierig. Der Bertelsmann-Ausbildungsexperte Clemens Wieland sprach sich daher für eine Ausbildungsgarantie aus. "Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie, die wirklich jedem jungen Menschen eine Ausbildungschance gibt und die auch individuelle Begleitung und Unterstützung beinhaltet, um den Abschluss zu erreichen", erklärte er. Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf zu einer Ausbildungsgarantie sei unzureichend und greife "deutlich zu kurz".