Klimafreundliches Fliegen "Ein Thema, das uns antreibt"
Die deutsche Ingenieurin Sabine Klauke kümmert sich für Airbus um die Zukunft des Flugzeugs. Wichtigstes Projekt der Technikchefin des Konzerns: das Fliegen klimafreundlicher machen.
Dafür, dass die Zukunft des Airbus-Konzerns auf ihren Schultern lastet, wirkt Sabine Klauke sehr entspannt. Nach einer Videokonferenz in ihrem Büro ein kurzer Schnack mit ihrem Team am Kopierer - dann kommt die Managerin gut gelaunt zum Interview im vierten Stock des Vorstandsgebäudes in der Airbus-Zentrale in Toulouse: "Ich glaube, dass ich den interessantesten Job habe, den man im Moment in der Industrie haben kann. Es geht ja darum, dass wir die nächsten Dekaden vorbereiten."
Eher Chance als Problem
Durch die große Fensterfront sieht man das Rollfeld des Flughafens Toulouse, das direkt neben dem Gebäude endet. Mit den startenden und landenden Flugzeugen hat Klauke ihre gewaltige Aufgabe jeden Tag direkt vor Augen: Fliegen muss klimafreundlicher werden. Sie sieht darin eher eine Chance als ein Problem: "Mobilität ist ein Thema, was wir immer brauchen werden, was uns antreibt, was uns in unserer Generation immer angetrieben hat. Und das wird auch so bleiben - aber nur, wenn wir es in Einklang bringen mit unserer Erde und den Klimazielen, die wir uns gesetzt haben", so Klauke.
Wie viele der deutschen Airbus-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mischt die gebürtige Aachenerin immer wieder englische Begriffe in ihre Sätze. "Ich spreche kaum Deutsch", entschuldigt sie sich. Hauptsprache bei Airbus ist Englisch. Seit 2002 arbeitete die promovierte Maschinenbauingenieurin in unterschiedlichen Positionen im Airbus-Konzern: in der Produktion, Fertigung oder der Produktentwicklung. Seit knapp zwei Jahren ist die 49-Jährige bei Airbus im Vorstand für Technik zuständig - und damit für Innovation. Jetzt hat sie mehr als 12.000 Mitarbeiter auf der ganzen Welt unter sich.
Wachsender Druck auf Airlines und Hersteller
"Wenn wir dieses Thema, was so wichtig ist, nicht in den Griff bekommen und nicht wirklich nachhaltig fliegen in Zukunft, dann verlieren wir vielleicht unsere 'Licence to operate', wie wir das intern nennen", sagt. Gemeint ist damit: die gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmens. Will heißen: Für Airbus geht es ums Ganze. Der Druck auf Airlines und Hersteller steigt, Fliegen klimafreundlich zu machen.
Klaukes Strategie ist es, mehrgleisig fahren. "Es wird nicht eine einzige Technologie geben, die das Ganze nach vorne bringt, sondern wir wollen heute anfangen mit dem, was wir jetzt schon tun können", sagt sie. Das heißt für sie, die bisherigen Flugzeuge deutlich sparsamer zu gestalten. Sie plädiert auch für die Nutzung von so genannten "Sustainable Aviation Fuels", also Biokerosin aus nachwachsenden Rohstoffen, die nicht mit der Lebensmittelproduktion konkurrieren.
Inspiration durch die Natur
Fliegen müsse man aber völlig neu denken, so Klauke: "Wir brauchen wirklich disruptive Technologien wie neue Flügel, neue Motoren und eben auch Wasserstoff." Im Januar ist Konkurrent Boeing mit der US-Weltraumbehörde NASA in das Rennen um klimafreundliches Fliegen eingestiegen und plant bis 2030 ein Flugzeug, das mit 30 Prozent weniger Treibstoff auskommen soll.
Airbus hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 ein klimaneutrales Wasserstoff-Flugzeug zu entwickeln. Eines von Klaukes Lieblingsprojekten auf dem Weg dahin ist aktuell die Entwicklung eines neues Flügeltyps, der abknickbare Spitzen hat und somit Turbulenzen abfedern und Treibstoff einsparen kann. Die neuen Tragflächen sind dem Albatros nachempfunden. "Wir gucken uns das bei den Vögeln ab, wie die fliegen und optimieren können, sich austarieren."
Sich in der Natur inspirieren zu lassen, ist ein großes Thema für Klauke und ihre Entwickler: "Wir haben zwei Flugzeuge gekoppelt, die sich dann wie zwei Gänse im Migrations-Flug formiert haben." Ein A350 flog quasi im Windschatten des anderen von Toulouse nach Montreal in Kanada. "Da haben wir sechs Tonnen CO2 gespart auf dem Flug", so Klauke.
Von Start-ups lernen
Ihre Technikbegeisterung zeigte sich bei Sabine Klauke schon von klein auf: "Das erste, was ich basteln durfte zu Hause, war mein Fahrrad. Und das waren einfach Themen, die mich immer interessiert haben und die ich ganz handwerklich dann auch schnell umgesetzt habe. Als ich in der Grundschule war, wollte ich Mathelehrerin werden. Also die Grundidee war schon da." Heute gehe es für sie eher um die Kombination aus Technik und logischem Verständnis: "Und natürlich um Veränderungen. Wie man mit ihnen umgeht - und wie wir Menschen dafür begeistern können."
Verändern will sie auch die Entwicklungsprozesse für Innovationen. Klauke hat ein Forschungszentrum außerhalb des regulären Airbus-Betriebs aufgebaut, das ähnlich wie ein Start-up arbeitet. "Wir mischen Leute von uns, die gut Flugzeuge bauen können, mit digitalen Talenten und Wasserstoff-Experten, die ganz konkret gemeinsam an Projekten arbeiten, um dann eben schnell physisch testen zu können und auch fliegen zu können." Das erzeuge eine große Dynamik.
Noch viele Fragen zu bewältigen
Die braucht Airbus auch, um bis 2035 ein Flugzeug mit Wasserstoff-Antrieb marktreif zu haben. Schon im Studium hat sich Klauke mit Wasserstoff beschäftigt; jetzt soll es der große Wurf werden. Bis dahin seien aber noch viele Fragen zu klären: zum Beispiel, wie Wasserstoff in der Atmosphäre wirke, sagt sie.
Auch technisch sei laut Klauke noch einiges zu bewältigen - bei Sicherheit, Motoren oder Verteilsystemen. "Wir sprechen ja über flüssigen Wasserstoff, der ist flüssig bei minus 253 Grad. Das heißt, wir müssen die Systeme komplett umstellen, und wir müssen neu lernen." Sie sei optimistisch, dass Airbus das bis 2035 gelingen wird - mit einem Kurzstrecken-Flugzeug. Langweilig wird Sabine Klauke bis dahin sicher nicht.