Schweine stehen eng nebeneinander in einem Stall in Spanien.

Massenhaltung von Schweinen Neuer "Horror-Hof" in Spanien entdeckt

Stand: 19.05.2024 09:30 Uhr

Die meisten Schweine in der EU werden in Spanien gehalten. Doch die dortige Landwirtschaft steht in der Kritik wegen skandalöser Zustände in Betrieben. Nun gibt es einen neuen Fall.

Schon vor drei Jahren warnte der damalige spanische Minister für Verbraucherschutz, aus Spanien komme häufig Fleisch "minderer Qualität von misshandelten Tieren". Kaum hatte Alberto Garzón seine Gedanken einer britischen Zeitung anvertraut, witterten Konservative einen "Kreuzzug gegen das Fleisch". Der sozialdemokratische spanische Regierungschef Pedro Sanchez höchstselbst sah sich veranlasst, dem Land mitzuteilen: "Für mich ist ein medium gebratenes Steak unschlagbar."

An den Pfannen Spaniens kehrte einstweilen Ruhe ein. Nun wird aber wieder über Fleisch und Qualität diskutiert. Denn die spanische Online-Zeitung elDiario.es berichtet von einem "neuen Horror-Bauernhof" bei Burgos, gut 200 Kilometer nördlich von Madrid.

Missstände in spanischer Schweinezucht

Sebastian Kisters, ARD Madrid, tagesschau24, 18.05.2024 09:00 Uhr

Ratten und Maden im Stall

Wieder geht es um gequälte Schweine, wieder um Behörden, die offensichtlich nicht entschieden einschreiten - wie schon zuvor bei einem Fall, den das ARD-Studio in Madrid mit aufdeckte. Im vergangenen November wurden dem Studio Bilder von Tieren zugespielt, die Ställe mit Ratten und Maden teilten. Einige Szenen zeigen, wie tote Schweine von anderen gefressen werden. Kadaver in einem Wald hinter dem Hof zeugen davon, dass viele Schweine vor der Schlachtung gestorben sein müssen.

Auf Anfrage erklärte das zuständige regionale Landwirtschaftsministerium in Valladolid jedoch, im November 2023 habe es Kontrollen gegeben. "Zu diesem Zeitpunkt wurde auf der fraglichen Farm nichts Unregelmäßiges gefunden, so dass keine Maßnahmen ergriffen werden konnten." Zwar läuft eine gerichtliche Untersuchung, aber Recherchen zeigen, dass auf der Farm weiterhin Schweine gehalten werden.

"Zerstörerisches System"

Die Skandale sind für Umweltschützer keine Einzelfälle. Luis Ferreirim, Experte bei Greenpeace, sagt: "Zweifellos steckt hinter diesen Positionen die Absicht, alle Viehzüchter, alle Landwirte zu verteidigen. Aber das ist nicht, was passiert. Verteidigt werden große Unternehmen, die weiterhin von einem völlig zerstörerischen Modell profitieren." Einem Modell, das auf der Ausbeutung von Tieren beruhe.

Schweinezucht sei ein globaler Markt, erklärt Andreas Winkler, Sprecher der Verbraucherorganisation Foodwatch. "Wer am günstigsten produziert, kann am meisten Fleisch verkaufen. Und bessere Tierhaltung ist da einfach nur ein Kostenhindernis und letztendlich ein Wettbewerbsnachteil."

Deutschland als wichtiger Abnehmer

Während der Schweinebestand in Deutschland in den vergangenen Jahren abgenommen hat, ist die Zahl in Spanien stark gestiegen - nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat um rund 35 Prozent binnen zehn Jahren. Spanien ist Europameister in der Schweinezucht. Deutschland ist ein wichtiger Abnehmer. Der Import von spanischem Schweinefleisch stieg binnen eines Jahres um rund 25 Prozent auf 64.000 Tonnen im vergangenen Jahr.  

Luis Ferreirim erwartet keine Besserung in der Provinz Castilla y León, in der die beiden beschriebenen Skandal-Höfe liegen. Den regionalen Landwirtschaftsminister stellt die Rechtsaußen-Partei VOX. "Und wir sehen, dass rechte Strömungen eine Deregulierung in allen Bereichen der Gesetzgebung vorantreiben, die dem Schutz der Natur dienen."

Zu viel Nitrat im Wasser

Allerdings schaut seit einiger Zeit auch die EU auf Spanien. Die zunehmende Schweinezucht belastet vielerorts offenbar die Gewässer stärker als erlaubt. Der Europäische Gerichtshof bemängelte am 14. März zu hohe Nitratwerte im Wasser. "Spanien muss der Kommission nun mitteilen, welche Maßnahmen es zur Umsetzung des Urteils ergriffen hat beziehungsweise zu ergreifen gedenkt", sagt Kommissionssprecherin Maëlys Dreux.

Schon dem ehemaligen Verbraucherschutzminister Alberto Garzón ging es bei seinen Ausführungen zum Fleischkonsum übrigens vor allem um Umweltschutz. Die industrielle Fleischproduktion belaste nicht nur Gewässer, sondern sorge auch für den Ausstoß von Treibhausgasen, was den Klimawandel beschleunige. Und all das sei eine Gefahr für die "lebenswichtige Tourismusindustrie" in Spanien. Dieser Teil seiner Gedanken war in der aufgeregten Diskussion, die von manchen gleich zum Kulturkampf erklärt wurde, weitestgehend untergegangen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 19. Mai 2024 um 10:00 Uhr.