G20-Gipfel in Rio EU will Mercosur-Abkommen ins Ziel bringen
Heute beginnt der G20-Gipfel in Brasilien. Dort soll auch das Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Südamerikas zur Sprache kommen. Europäische Unternehmen sollen davon massiv profitieren. Doch es gibt Kritik.
Die EU-Kommissionschefin sieht die Ziellinie vor sich. Endlich, aus ihrer Sicht, denn: "Es gibt auf beiden Seiten große Vorteile. Das EU-Mercosur-Abkommen schafft die Bedingungen, um Investitionen fließen zu lassen", so Ursula von der Leyen während ihres letzten Besuchs in Südamerika 2023: "Es wird uns enger zusammenführen, Wertschöpfung steigern und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien weltweit stärken." Man teile dieselbe Vision im Kampf gegen den Klimawandel, deshalb sei es mehr als ein Handelsabkommen.
Brasiliens Präsident Lula da Silva kündigt kürzlich auf der Weltbühne der Vereinten Nationen an, die Getränke in Rio schon mal kalt zu stellen: "Wir sind bereit, die Vereinbarung zu treffen. Und wenn die EU sich jetzt vorbereitet, können wir das Abkommen während des G20-Treffens oder bei einem anderen Treffen mit der Europäischen Union unterzeichnen - mit Champagner."
Abschluss nach 25 Jahren Verhandlungen?
Der Champagner liegt - um im Bild zu bleiben - schon seit Längerem auf Eis. Rund 25 Jahre Verhandlungen hat das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten auf dem Buckel. 2019 galt es als fertig verhandelt.
Doch dann kam zuerst auf europäischer Seite der Wunsch nach Zusatzprotokollen, in denen es etwa um die Rechte indigener Völker geht oder um weitere Fragen des Klimaschutzes. Hierbei spielt der Amazonas-Regenwald, der zum größten Teil in Brasilien liegt, eine bedeutende Rolle - als CO2-Speicher.
Bei Amtsantritt versprach Lula, die illegale Abholzung des Regenwaldes bis 2030 zu beenden. Aktuell zeigen sich aber gegenläufige Tendenzen: Lula will auch die Förderung von Öl und Gas dort ausweiten. Zum Entsetzen von Umweltschützern.
Kritiker befürchten mehr Entwaldung
Das zeige auch das Dilemma für Europa, meint die grüne EU-Politikerin Anna Cavazzini, Vorsitzende im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Parlaments. Denn die Entwaldung schreitet nun mal weltweit voran, "und gleichzeitig will die Europäische Union ein Handelsabkommen auf den Weg bringen, was zu noch mehr Exporten von Gütern wie Rindfleisch oder Ethanol führt, die nachweislich mit Entwaldung zu tun haben".
Die Kommission habe in den vergangenen Jahren in puncto Klimaschutz nachverhandelt, aber, so Cavazzini, es müsse sich noch zeigen, ob das wirklich Sicherheitsgarantien dafür seien, dass etwa in Brasilien nicht weiter entwaldet wird.
Handelsvolumen soll um bis zu 30 Prozent zulegen
Gemeinsam mit Argentinien, Uruguay und Paraguay gilt das Land aber vor allem als attraktiver Markt für Europas Exporteure. Laut EU-Kommission dürfte das Handelsvolumen um zehn bis 30 Prozent zulegen - und die Europäer rund vier Milliarden Euro weniger Exportzölle zahlen. Auch deshalb wirbt die deutsche Bundesregierung massiv für einen Abschluss des Mercosur-Abkommens.
Frankreich lehnt das Abkommen weiterhin ab. In Paris befürchtet man vor allem Nachteile für die eigenen Bauern. Etwa durch südamerikanisches Rindfleisch, das wegen des reduzierten Zollsatzes dann deutlich umfangreicher importiert wird. Die EU rechnet mit 99.000 Tonnen Rindfleisch bis 2028.
Brüssel arbeitet deshalb an Ausgleichstöpfen für die Landwirte. Aber: Die EU ist nicht auf die Zustimmung aus allen Hauptstädten angewiesen. Sie kann das Handelsabkommen auch nur mit einer qualifizierten Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten abschließen.
Richtiges Signal zur richtigen Zeit
In Rio gehe es eben um mehr als ein Handelsabkommen, betont auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange. Auch geopolitisch ist das Freihandelsabkommen entscheidend: "Ich hoffe, dass die Europäische Union in der Lage ist, hier eine breite Koalition zu schmieden, sodass wirklich gemeinsam die Frage der Entwicklung und der Beseitigung von Hunger angegangen werden kann." Um die Lebensinteressen vieler Menschen besser zu berücksichtigen, müssten globale Strukturen geschaffen werden.
Die EU-Mercosur-Allianz wäre damit das richtige Signal zur richtigen Zeit, um den künftigen US-amerikanischen Interessen unter Präsidenten Donald Trump und der chinesischen Expansion etwas entgegenzusetzen. So könnte wohl nach Rio das Papier gedruckt werden, das Anfang Dezember beim Mercosur-Gipfel in Montevideo signiert wird - mit EU-Kommissionschefin von der Leyen und womöglich auch Präsident Lulas Champagner.